Fast 15.000 Alkohol-Tote "Deutschland ist eine Alkohol-Problem-Nation"
Alkohol
Die Zahl der Alkoholtoten aus der Todesursachenstatistik herauszufinden, ist gar nicht so leicht. Die Wiesbadener mussten sich für ihre "Zahl der Woche" Rat bei einem Expertengremium holen. Das listet mehr als zwei Dutzend alkoholbedingte Todesursachen auf - von Alkoholgastritis bis Zirrhose.
Leberschäden häufigste Todesursache bei Alkoholikern
Leberzirrhosen sind mit 7812 Fällen die häufigste Todesursache bei Alkoholikern. Am zweithäufigsten ist die Bauchspeicheldrüse betroffen. Aber auch Herzmuskel, Lunge oder Nervensystem können so stark geschädigt werden, dass sie versagen. Bei knapp 4000 Toten wird schlicht und einfach "Abhängigkeitssyndrom" als Ursache genannt - eine Diagnoseziffer, in der unspezifisch alle möglichen Alkohol-Folgeschäden verschlüsselt werden - bis hin zum Suizid.
Experten schätzen bis zu 80.000 Tote durch Alkohol
Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) glaubt, dass die Zahl der Alkohol-Toten in Wahrheit weit höher liegt. Das Statistische Bundesamt zählt nur jene Todesfälle, bei denen der Arzt einen Zusammenhang mit Alkohol erkennt und auf dem Totenschein notiert hat. Eine Studie der Universität Greifswald wählte 2002 weitere Parameter und kam auf fast 80.000 Alkoholtote pro Jahr.
Egal ob knapp 15.000 oder 80.000: "Trinker und Raucher - das sind die Drogentoten in Deutschland. Danach kommt lange nichts", sagt Raphael Gaßmann, Geschäftsführer der DHS im westfälischen Hamm. "Deutschland ist ein führendes Land beim Alkohol-Konsum und daher auch eine Alkohol-Problem-Nation."
Suchtexperten prangern Preisgestaltung an
Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird in Deutschland viel mehr getrunken als in anderen Ländern. Jeder Deutsche im Alter von über 15 Jahren konsumiert im Schnitt 11,8 Liter reinen Alkohol im Jahr, das entspricht rund 500 Flaschen Bier. Weltweit liegt der Alkoholkonsum mit 6,2 Litern an reinem Alkohol noch nicht einmal halb so hoch. Auch in Europa wird weniger getrunken: 10,9 Liter reiner Alkohol pro Jahr.
Hauptursache ist für den Sucht-Experten Gaßmann der niedrige Preis: Deutschland sei eines der wenigen Länder, wo man sich für den Gegenwert eines Taschengeldes tottrinken könne. Auch drei weitere Punkte machen es seiner Ansicht nach den Süchtigen leicht: Alkohol sei an Kiosken und Tankstellen rund um die Uhr verfügbar. Hersteller dürften für Alkohol werben. Und der Jugendschutz stehe oft nur auf dem Papier.
Vor allem Männer sterben am Alkohol
An allen vier Stellschrauben könnte man drehen, wollte man erreichen, dass weniger Menschen an Alkohol sterben, glaubt Gaßmann: Steuern erhöhen, Werbung verbieten, kein Verkauf nachts und kein Alkohol für Jugendliche. "Ich bin sicher, wenn wir den gleichen Weg gingen wie beim Tabak, hätten wir bald weniger Alkoholtote."
Das würde vor allem Männer das Leben retten: Männer trinken laut WHO mehr als doppelt so viel wie Frauen - von den gut 14.500 Alkohol-Toten des Jahres 2012 waren laut Statistischem Bundesamt knapp 11.000 männlich.
Sieben Millionen Deutsche haben ein Alkoholproblem
Laut Epidemiologischem Suchtsurvey haben 7,4 Millionen Erwachsene in Deutschland Alkoholprobleme: 4,02 Millionen weisen einen riskanten Alkoholkonsum auf, weitere 1,61 Millionen einen Alkoholmissbrauch, 1,77 Millionen Erwachsene sind alkoholabhängig.
Die gute Nachricht: Konsum und Todesfälle sind leicht rückläufig. Laut WHO lag der Pro-Kopf-Verbrauch von Alkohol in Deutschland vor zehn Jahren noch rund einen Liter höher. Und auch die Zeitreihe beim Statistischen Bundesamt zeigt, dass heute etwas weniger Menschen an alkoholbedingten Krankheiten sterben als vor zehn Jahren, wo es noch zwischen 16 000 und 17 000 Alkoholtote pro Jahr gab. Die WHO geht davon aus, dass der Pro-Kopf-Konsum in Deutschland zukünftig sinkt.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.