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Lebensversicherungen: So miserabel schützen sie vor Inflation


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Beliebt, aber problematisch
Klassische Lebensversicherungen vernichten Ihr Vermögen

MeinungEine Kolumne von Gerd Kommer

19.12.2021Lesedauer: 4 Min.
Ein Paar prüft seine Finanzen (Symbolbild): Lebensversicherungen sind zwar beliebt, bergen aber viele Probleme.Vergrößern des Bildes
Ein Paar prüft seine Finanzen (Symbolbild): Lebensversicherungen sind zwar beliebt, bergen aber viele Probleme. (Quelle: shapecharge/getty-images-bilder)

Die Deutschen sind die Weltmeister der Lebens- und Rentenversicherungen. Dabei bringen diese nur kümmerliche Renditen. Und nun wird auch noch die Inflation zum Problem.

Kaum ein Finanzprodukt ist bei den Deutschen so beliebt wie kapitalbildende Lebens- und Rentenversicherungen. Dabei wurden in den vergangenen Jahren halbe Bibliotheken dazu geschrieben, wie jämmerlich die Renditen und wie beträchtlich die Risiken dieser Policen sind.

Ein Aspekt wurde dabei jedoch zumeist ausgeklammert: die Frage des Inflationsschutzes. Das war so lange kein Problem, wie die Geldentwertungsrate niedrig war, doch nun steigt sie seit Monaten an.

Im November lagen die Verbraucherpreise um beachtliche fünf Prozent über dem Vorjahresniveau, in den USA sogar um über sechs Prozent. Nicht wenige Fachleute rechnen jetzt mit dauerhaft erhöhten Inflationsraten, weil die Europäische Zentralbank seit Jahren großzügig Geld druckt und fast alle westlichen Länder große Corona-Hilfsprogramme fahren.

Viele Lebensversicherungen bieten keinen Inflationsschutz

Angesichts dieser Entwicklung werden kapitalbildende Versicherungen zum Problem. Denn sie schützen nur schlecht bis miserabel vor Inflation. Wie gut andere populäre Vermögensanlagen vor Inflation schützen, können Sie meinen früheren Kolumnen zu Bankguthaben und Aktien, Immobilien und Gold entnehmen.

Auf jeden der 83 Millionen Bundesbürger kommt eine kapitalbildende Lebens- und Rentenversicherung – Babys und über 70-Jährige eingeschlossen. Rund 30 Prozent des liquiden Vermögens der Deutschen steckt in solchen Versicherungen. Zur Frage der Rendite finden Sie meine Einschätzung in dieser Kolumne und noch ausführlicher hier.

Um das im Detail zu verstehen, muss man zunächst die fünf Grundtypen solcher Versicherungen auseinanderdröseln: (a) reine Risikolebensversicherungen, (b) klassische kapitalbildende Lebensversicherungen, (c) fondsgebundene kapitalbildende Lebensversicherungen, (d) klassische private Rentenversicherungen und (e) fondsgebundene private Rentenversicherungen.

Alles, was ich nachfolgend zur Frage des Inflationsschutzes schreibe, bezieht sich nur auf (b), (c), (d) und (e), also nicht auf reine Risikolebensversicherungen. Diese decken lediglich das Todesfallrisiko des Versicherten ab und haben keine Vermögensbildungskomponente. Bei ihnen stellt sich die Frage des Inflationsschutzes letztlich nicht. Außerdem sind Risikolebensversicherungen leicht zu verstehen, relativ preisgünstig, jederzeit ohne Nachteile kündbar und als Finanzprodukt generell eher unproblematisch. Haken dran.

Ganz anders sieht es bei den vier vermögensbildenden Versicherungsformen aus.

Klassische Lebensversicherungen vernichten Ihr Vermögen

Klassische kapitalbildende Lebensversicherungen investieren die Beiträge der Versicherten vorwiegend in langfristige Staatsanleihen und Unternehmensanleihen hoher Bonität. Weil die Zinsen dieser Anleihen in den vergangenen 40 Jahren praktisch jedes Jahr fielen, weil die Versicherungsfirmen hohe operative Kosten haben und weil die meisten von ihnen in den zurückliegenden Jahrzehnten wiederholt schlechte Anlageentscheidungen getroffen haben, sind auch die Renditen der entsprechenden Policenjahrgänge immer mehr geschrumpft.

Über alle Policenjahrgänge und die ganze Branche hinweg liegen sie nun unterhalb der Inflationsrate, vernichten also Kundenvermögen. Zu diesem "perfekten Sturm" könnte jetzt noch ein nachhaltiger Inflationsanstieg hinzukommen.

Konventionelle langfristige Anleihen – das Hauptinvestment dieser Versicherungen – schützen generell schlecht vor Inflation. Jedes Prozent zusätzliche Geldentwertung drückt – wenn sie dauerhaft ist – die inflationsbereinigte, die echte Rendite dieser Versicherungen noch mehr nach unten. Insbesondere Inflationsraten oberhalb von fünf bis sechs Prozent wären für die realen Renditen ein Desaster.

Der "ETF-Papst"
Dr. Gerd Kommer ist seit mehr als 20 Jahren Bestsellerautor für Investmentratgeberbücher. Zugleich ist er Geschäftsführer der Gerd Kommer Capital GmbH, einer digitalen Vermögensverwaltung, bei der Kunden bereits mit kleinen Beträgen starten können, sowie der Gerd Kommer Invest GmbH, einem Honorarberatungsunternehmen. In seiner t-online-Kolumne schreibt er gemeinsam mit seinen Kollegen Felix Großmann und Daniel Kanzler alle zwei Wochen über sein Spezialgebiet: den langfristigen Vermögensaufbau mit ETFs.

Diese Versicherung bietet passablen Schutz

Bei fondsgebunden Lebensversicherungen werden die Beiträge der Versicherten vorwiegend in Aktienfonds, also letztlich in Aktien investiert. Fondsgebundene Versicherungen haben im Neugeschäft die klassischen Lebensversicherungen mit deren Minirenditen in den vergangenen Jahren weitgehend verdrängt. Im Bestand wird allerdings noch lange der klassische Typus dominieren. Mehr zur fondsgebundenen Lebensversicherung lesen Sie hier.

Fondsgebundene Versicherungen bieten für Betrachtungszeiträume von fünf Jahren an aufwärts immerhin passablen Inflationsschutz, da sie auf Aktieninvestments basieren – nicht auf Anleihen wie klassische Versicherungen. Leider weisen sie aber fast ausnahmslos sehr hohe laufende Kosten auf und rentieren deswegen schlechter als ein ETF-Fondssparvertrag. Da helfen auch die von Maklern regelmäßig übertriebenen Steuervorteile nicht. Lesen Sie hier acht Gründe, warum Sie ETFs kaufen sollten.

Private Rentenversicherungen sind bei hoher Inflation fatal

Bei klassischen privaten Rentenversicherungen (PRVs) zahlt die Versicherungsgesellschaft dem Versicherten eine in ihrer Höhe feststehende ("garantierte") Rente bis zu deren Tod, also keinen "Einmalbetrag im Erlebensfall" wie bei einer kapitalbildenden Versicherung. Im Versicherungsjargon spricht man von der Absicherung des "Langlebigkeitsrisikos" des Versicherten, weil diese Rente bis zu dessen Tod gezahlt wird, auch wenn er oder sie 110 Jahre alt werden sollte.

Die Beiträge der Versicherungsnehmer werden bei PRVs vorwiegend in Anleihen angelegt. Die Rente ist eine monatliche und damit auch eine jährlich gleichbleibende oder eine im Zeitablauf langsam steigende Zahlung – je nach Policen-Typ. Mehr zur privaten Rentenversicherungen hier.

Bei Policen mit steigender Zahlung hängt diese vom sogenannten Dynamisierungsfaktor ab. Er liegt typischerweise zwischen einem Prozent und vier Prozent pro Jahr, ist also eher moderat. Weil die PRV-Rente über die Jahre hinweg entweder gar nicht steigt oder nur um einen fixen Prozentsatz im niedrigen einstelligen Bereich, sind PRVs in einer "Hochinflationsumgebung" potenziell fatale Anlageprodukte. Lesen Sie hier, wie Sie sich vor einer Hyperinflation schützen.

Schaden mitunter noch größer als bei Lebensversicherungen

Auch für sie gilt, dass jeder Prozentpunkt zusätzliche Inflation den inflationsbereinigten Wert für den Versicherten senkt. Da PRVs bis zum Ableben des Empfängers oft jahrzehntelange Laufzeiten haben, kann der Schaden durch Inflation hier noch größer sein als bei klassischen Lebensversicherungen mit typischerweise kürzerer Laufzeit.

Kurioserweise wird die Dynamisierung von Versicherungsmaklern traditionell als "Inflationsschutz" verkauft. Das ist ungefähr so sachgerecht wie am Südpol T-Shirts als Kälteschutz zu vermarkten.

Rendite leidet unter hohen Kosten

Bei fondsgebundenen Rentenversicherungen fließen die Beiträge der Versicherungsnehmer in Aktienfonds. In diesem Fall ist die spätere Rente für den Versicherten aber in ihrer Höhe nicht festgelegt und es besteht keine echte Absicherung des Langlebigkeitsrisikos.

In Bezug auf ihren Inflationsschutz sind diese PRVs so zu betrachten wie fondsgebundene Lebensversicherungen: Leider leidet die Rendite dieser Versicherungen ebenfalls an hohen Kosten. Mehr zur fondsgebundenen Rentenversicherung lesen Sie hier.

Fazit: Von den vier Formen kapitalbildender Lebensversicherungen bieten zwei sehr schlechten Inflationsschutz: die klassischen Lebens- und privaten Rentenversicherungen.

Weil Sie sie nicht oder nur mit beträchtlichen finanziellen Nachteilen kündigen können, kommen Sie als Versicherter aus dieser Inflationsfalle schwer oder gar nicht heraus. Wer sich deswegen Sorgen macht, sollte mit einer Verbraucherzentrale oder einem interessenkonfliktfreien Versicherungsberater sprechen.

Fondsgebundene Lebens- und Rentenversicherungen sind zumindest in Sachen Inflationsschutz eine bessere Wahl. Doch auch bei ihnen würden Sie in aller Regel mit einem simplen ETF-Sparvertrag plus einer preisgünstigen Risikolebensversicherung rentabler fahren.

Die einzige gute Nachricht, die mir zu diesem tristen Gesamtbild einfällt: Seit 17 Jahren sinkt der Bestand an kapitalbildenden Lebensversicherungen in Deutschland. Immer mehr Mitbürger erkennen also, wie unattraktiv Versicherungen zur Vermögensbildung und zur Altersvorsorge sind.

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