Bundestagswahl Darum sollten Sie nicht so investieren wie Sie wählen
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Möchten Sie lieber einen Kanzler von der CDU, der SPD oder eine Kanzlerin der Grünen? Bei der Bundestagswahl entscheiden Sie nach politischer Überzeugung. Diese sollten Sie bei der Geldanlage aber besser über Bord werfen.
In zwei Wochen wählt Deutschland, wählen wir alle, ein neues Parlament. Die meisten Wähler – darunter natürlich auch viele Anleger wie Sie und ich – werden ihr Kreuz bei der Partei machen, von der sie glauben, dass sie ihrer persönlichen Weltanschauung am nächsten steht. Das ist verständlich und logisch.
Weniger logisch und einfach fällt derweil die Antwort auf folgende Frage aus: Sollte ich auch mein Geld so anlegen, dass die Investitionen meinen Idealen entsprechen?
Beschäftigt hat sich damit bereits eine Reihe angesehener Autoren von Finanzratgeberbüchern, darunter auch der vermögende Berliner Unternehmer und Immobilieninvestor Rainer Zitelmann. Für ihn ist die Sache klar: Privatanleger sind beim Investieren langfristig umso erfolgreicher, je besser es ihnen gelingt, ihre politischen und volkswirtschaftlichen Meinungen – ihre Weltanschauung – zu unterdrücken.
Keine politische Meinung bei der Geldanlage
Ich teile diese Einschätzung. Wie Zitelmann bin ich davon überzeugt, dass smarte und weise Investmententscheidungen ausschließlich auf den zwei Säulen fußen sollten: Rationalität und Wissenschaftsorientierung. Emotionen oder politische Meinungen – also Weltanschauung – sollten dagegen so wenig wie möglich eine Rolle spielen.
Der "ETF-Papst"
Dr. Gerd Kommer ist seit mehr als 20 Jahren Bestsellerautor für Investmentratgeberbücher. Zugleich ist er Geschäftsführer der Gerd Kommer Capital GmbH, einer digitalen Vermögensverwaltung, bei der Kunden bereits mit kleinen Beträgen starten können, sowie der Gerd Kommer Invest GmbH, einem Honorarberatungsunternehmen. In seiner t-online-Kolumne schreibt er gemeinsam mit seinen Kollegen Felix Großmann und Daniel Kanzler alle zwei Wochen über sein Spezialgebiet: den langfristigen Vermögensaufbau mit ETFs.
Was Rationalität bedeutet, sollte klar sein. Bei der Wissenschaftsorientierung jedoch will ich etwas ausholen. Hier geht es vor allem darum, sich bei den eigenen Anlageentscheidungen auf Erkenntnisse und Empfehlungen zu stützen, die sich über Jahre mehrmals bestätigt haben. Diese Erkenntnisse wiederum sollten von Akademikern stammen und von Fachleuten, die nicht Interessen von anderen verfolgen, etwa einer bestimmten Industrie.
Die Ideen oder Empfehlungen für Geldanlagen sollten sich anhand sehr langfristiger Datenreihen belegen lassen – was beim Investieren ja in der Regel sehr gut möglich ist. Umgekehrt heißt das: Ratschläge von Angehörigen aus der Finanzbranche, etwa von Bankberatern, sollten Sie eher ignorieren, weil es hier besonders häufig zu Interessenkonflikten kommen kann, Ihre Bank Ihnen schlicht die eigenen Fonds verkaufen will.
Aktienmarktrenditen sind unabhängig von den Regierenden
Ein gutes Beispiel für den "Weltanschauungsirrtum beim Investieren" stammt selbst aus dem politischen Kontext: Für die USA haben Wirtschaftsforscher gezeigt, dass Legislaturperioden, in denen die eher marktliberalen Republikaner an der Macht waren, mit durchschnittlich niedrigeren Aktienmarktrenditen einhergehen als die Legislaturperioden, in denen die – eher regulierenden – Demokraten den Präsidenten stellten. Auch bei der Erhöhung der Staatsverschuldung und der Zahl der konjunkturellen Rezessionen sah es in den Zeiten, als die republikanische Partei regierte, leicht schlechter aus.
Sicher, womöglich sind diese spezifischen Ergebnisse Zufall. In jedem Fall aber zeigen die vorhandenen statistischen Untersuchungen: In den USA besteht keine belastbare Beziehung zwischen der Höhe der Aktienmarktrenditen und der Frage, wer gerade regiert.
Nichts Genaues weiß man nicht
Das gilt übrigens auch für Deutschland. Vor wenigen Tagen veröffentlichte die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" einen lesenswerten Artikel mit dem Titel "Wie Bundestagswahlen die Börse beeinflussen". Gesamtfazit nach einem Blick zurück bis ins Jahr 1949: Nichts Genaues weiß man nicht. Auch hierzulande ist kein systematischer Zusammenhang zwischen der Identität der regierenden Parteien, Börsenrenditen und dem Wirtschaftswachstum erkennbar – jedenfalls keiner, den Anleger kurz- und mittelfristig für sich ausnutzen könnten.
Ein anderes Beispiel dafür, dass allgemeine Weltanschauungen oder vermeintlich naheliegende Ansichten nicht immer funktionieren müssen, kennen Sie bereits aus einer vergangenen Kolumne von mir: Wie ich kürzlich in einem Kolumnenbeitrag an dieser Stelle gezeigt habe, existiert auch kein für Anleger ausnutzbarer Zusammenhang zwischen dem Wirtschaftswachstum eines Landes und seinen Aktienrenditen. Das Motto "Investiere da, wo das Wachstum ist", stimmt so leider nicht.
"Politische Börsen haben kurze Beine"
In einem anderen Börsenkalenderspruch, das ist Ihnen inzwischen hoffentlich klar, steckt dagegen durchaus etwas Wahres: "Politische Börsen haben kurze Beine." Das mag damit zu tun haben, dass Parteien und Politiker ihre wirklich wichtigen Wahlkampfversprechen routinemäßig brechen. Zum anderen hilft natürlich auch das politische System selbst: Die Demokratie ruft, wo immer es geht, Kompromisse hervor, sodass sich radikale Ideen – die tatsächlich schlecht sein könnten für die Finanzmärkte – nur selten durchsetzen.
Wenn Sie sich also beim Investieren zwischen Ihrer Weltanschauung und Ihrer Vernunft entscheiden müssen, rate ich Ihnen, der Vernunft und der Wirtschaftswissenschaft zu folgen. Dieser betont nüchterne, nicht weltanschauliche Ansatz lässt sich mit globalen, sehr breit gestreuten, kostengünstigen ETFs auf Buy-and-Hold-Basis umsetzen. Ihr Geldbeutel und Ihre Altersvorsorge werden es Ihnen danken.