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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Euro-Dollar-Parität Das bedeutet der Euro-Einbruch für die Energiepreise
Wer in die USA fliegt, bekommt aktuell für einen Euro genau einen Dollar. Denn zwischen dem Euro und der US-Währung herrscht Parität. Für Verbraucher ist das schlecht.
1,60 US-Dollar im Jahr 2008, 1,34 Dollar ums Jahr 2014, 1,20 Dollar für zuletzt mehrere Jahre: Seit seiner Einführung war der Euro stets stärker als der Dollar. Bis jetzt.
Erstmals seit etwa zwei Jahrzehnten ist der Euro wieder genau einen Dollar wert. Am Dienstagmittag erreichte die Gemeinschaftswährung die Parität zur US-Währung (t-online berichtete). Das letzte Mal war ein Euro im Oktober 2002 genau einen Dollar wert – kurz nach der Einführung des Euro als Bargeld.
Schon seit Monaten geht es mit der gemeinsamen Währung der 19 Euroländer bergab. Was sind die Ursachen? Und welche Folgen hat das für deutsche Verbraucher? t-online beantwortet die wichtigsten Fragen.
Warum ist der Euro so schwach?
Das liegt vor allem an zwei Entwicklungen. Zum einen fürchten viele Investoren gerade einen Einbruch der Wirtschaftsleistung in Europa. "Die Rezessionsängste in Europa verschärfen sich", kommentieren Analysten der Commerzbank. Die Experten der Dekabank pflichten bei: "Konjunkturangst greift um sich."
Dafür gibt es mehrere Gründe. Der wichtigste ist der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine sowie die hohe Abhängigkeit Europas von russischen Gaslieferungen. Russland hat seine Lieferungen bereits stark reduziert. Sollten sie ganz ausbleiben, könnte dies eine tiefe wirtschaftliche Rezession auslösen.
Neben der Rezessionsangst gibt es aber auch noch einen zweiten wichtigen Grund für die ausgeprägte Euro-Schwäche, nämlich die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). "Die Abwertung des Euro liegt auch an der zurückhaltenden Zinspolitik der EZB. Die US-amerikanische Fed hat da deutlich größere Schritte vorgenommen", sagt Jürgen Matthes, Konjunkturexperte am arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW), im Gespräch mit t-online.
Matthes meint damit vor allem die Zinswende, die die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) deutlich eher eingeleitet hat. Bereits seit März hebt die Fed den Leitzins schrittweise an, zuletzt auf eine Spanne von 1,50 bis 1,75 Prozent.
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Die EZB hingegen hat sich bisher nur zu einer Ankündigung, nicht jedoch zu einem ersten Zinsschritt durchgerungen: Im Juli sollen die Leitzinsen im Euroraum erstmals seit elf Jahren steigen – allerdings nur um 0,25 Prozentpunkte.
Das ist im Vergleich zu anderen Zentralbanken und insbesondere zur Fed wenig. Die Folge: Der US-Dollar wurde jüngst im Vergleich zum Euro schneller teurer, sein Wert legte relativ betrachtet zu. Umgekehrt verlor der Euro an Wert, sodass sich die Währungen annähern konnten und nun gleichauf liegen.
Welche Folgen hat ein schwacher Euro?
Grundsätzlich hat der schwache Euro zwei Folgen, die recht leicht verständlich sind: Für Importeure ist der schwache Euro schlecht, weil sie im Ausland weniger für ihr Geld bekommen. Für Exporteure ist der schwache Euro dagegen gut, weil ihre Waren für Käufer mit anderen Währungen günstiger werden.
Als Exportnation profitiert Deutschland eigentlich vom schwachen Euro. "Durch die Euroabwertung werden Exporte aus dem Euroraum tendenziell günstiger. Das könnte die Nachfrage im Nicht-Euro-Ausland ankurbeln", sagt IW-Experte Matthes. "Allerdings sorgen die Lieferkettenprobleme aktuell dafür, dass eine solche höhere Nachfrage nicht immer voll bedient werden kann."
Hinzu kommt: Die wirtschaftliche Lage in vielen anderen Ländern ist ähnlich ungünstig wie in Deutschland. Die Auslandsnachfrage dürfte konjunkturell bedingt also eher fallen als steigen – was den positiven Nachfrageeffekt durch den schwachen Euro zumindest ausbremst.
Besonders deutlich wird der niedrige Wechselkurs bei den Energiepreisen zu spüren sein. "Der große Nachteil ist, dass es auf der Importseite teurer wird. Dementsprechend wird der Preis für in Dollar gehandelte Energieträger wie Öl durch die Euro-Abwertung steigen", erläutert Matthes.
Verbraucher müssen bei sinkendem Eurokurs also noch tiefer in die Tasche greifen, um ihre Lebenshaltungskosten zu stemmen. Direkt betroffen wären dann auch die Benzinpreise, die mit dem Ölpreis steigen dürften.
Und auch sonst dürfte die bereits hohe Inflation durch den schwachen Euro zusätzlich steigen. Ebenso dürfte der Urlaub in vielen Ländern ohne die Gemeinschaftswährung mit fallendem Euro tendenziell teurer werden.
Wie geht es nun weiter?
Das bleibt, wie so häufig, abzuwarten. Klar ist zwar: Besondere wirtschaftliche Auswirkungen hat die Euro-Dollar-Parität zunächst nicht. Allerdings ist die Signalwirkung groß. Sinkt der Kurs unter Parität, dürfte das dem internationalen Ruf des Euro schaden – offen ist, ob der Euro dann sogar dauerhaft weniger wert ist als der Dollar.
Matthes meint: "Ob damit bereits eine Trendumkehr eingeläutet ist, hängt stark von der drohenden Gasversorgungskrise ab. Wenn die reparierte Turbine für die Pipeline Nord Stream 1 zeitnah eingebaut und dort bald wieder Gas fließen würde, könnten die Speicher hierzulande weiter gefüllt werden."
Gemeint ist damit ein besonderes Politikum. Durch die wichtigste Pipeline, Nord Stream 1, flossen seit Wochen nur noch 40 Prozent der vereinbarten Gasmenge. Laut russischen Angaben lag das an einer fehlenden Turbine, die nach Reparaturen in Kanada wegen der Sanktionen nicht zurückgeschickt werden konnte. Mittlerweile hat Kanada entschieden, das Bauteil über Deutschland zurückzuschicken.
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Aktuell sind die Lieferungen dennoch aufgrund von planmäßigen Wartungsarbeiten komplett gedrosselt. Alle Details zur Wartung der Nord Stream 1 lesen Sie hier.
Wie es nach Ablauf der zehntägigen Arbeiten weitergeht, ist ungewiss. Fließt dann wieder Gas, würde das die deutsche Wirtschaft und damit den Euro stärken. "Das würde die Rezessionssorgen hier wieder dämpfen, und der Euro dürfte in Reaktion darauf vermutlich wieder etwas aufwerten", so Matthes. Kappt Russlands Präsident Wladimir Putin die Gaslieferungen dauerhaft, hätte das kaum absehbare Folgen. Experten warnten für den Fall bereits vor einer Rezession in Deutschland.
- Eigene Recherche
- Gespräch mit Jürgen Matthes (IW)
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa