"Es ist eine ökologische Katastrophe" Das Tote Meer verschwindet
Das Tote Meer galt in Israel lange als Touristenmagnet. Doch das Gewässer stirbt. Konflikte und Kriege verschärfen das Problem.
Die Hütte der Wasserwacht ist verlassen, der Steg verrostet und die Sonnenschirme hängen in Fetzen. Am Strand von Ein Gedi am Toten Meer in Israel badet schon lange niemand mehr. Wassermangel, Industrie und Klimakrise haben den Wasserstand dramatisch sinken lassen, gefährliche Senklöcher sind entstanden. Initiativen zur Rettung des Salzsees an der Grenze von Israel, Jordanien und dem Westjordanland liegen wegen des Krieges im Nahen Osten lahm.
Der Strand in der Wüstenoase Ein Gedi war ein Aushängeschild für den internationalen Tourismus. Urlauber ließen sich Zeitung lesend im blauen Salzwasser treiben und rieben sich mit dem mineralhaltigen schwarzen Schlamm ein. Seit fünf Jahren ist der Strand gesperrt: Das Tote Meer hat sich so weit zurückgezogen, dass der Zugang zum heilenden Wasser schwierig geworden ist. Und immer wieder tun sich neue Löcher im Boden auf.
Die Austrocknung des Toten Meeres ist kein neues Phänomen. Seit den 1960er Jahren sinke der Wasserspiegel um mehr als einen Meter pro Jahr, sagt der israelische Hydrologe Nadav Tal, der für die Umweltorganisation EcoPeace arbeitet. "Regionale Zusammenarbeit ist der Schlüssel zur Rettung des Toten Meeres. Aber durch die Konflikte in der Region wird sie behindert."
Bis zu 50 Grad im Sommer
Die durch die Erderhitzung steigenden Temperaturen beschleunigen die Verdunstung über dem Salzsee. Im Sommer ist es hier manchmal mehr als 50 Grad heiß. Seit Jahrzehnten wird zudem Wasser aus dem Jordan, dem einzigen Zufluss des Toten Meeres, umgeleitet. Auch Fabriken vor Ort pumpen Wasser aus dem Salzsee ab, um daraus Mineralien wie Pottasche, Brom und Magnesiumoxid zu gewinnen und in der ganzen Welt zu verkaufen.
"Die Folgen der Wasserumleitung sehen wir um uns herum", sagt Tal und zeigt auf eine Steganlage, die einst im Wasser stand und jetzt auf dem Trockenen steht. "Es ist eine ökologische Katastrophe. Und eine Katastrophe für den israelischen Tourismus", sagt er. "Heute gibt es nicht einen einzigen zugänglichen Strand mehr, den man sicher besuchen kann."
In den vergangenen Jahren gab es mehrere Initiativen, den Rückgang des Toten Meeres zu stoppen, unter anderem Abkommen zwischen Israel und Jordanien. Doch seit dem Krieg im Gazastreifen haben Umweltprobleme für die Regierungen keine Priorität mehr.
Im israelischen Umweltministerium arbeitet Ohad Carny seit Jahren an einer Lösung für das Tote Meer. Die Regierung prüfe mehrere Ansätze, etwa den Bau einer Entsalzungsanlage oder eines Kanals, der die Region und auch das Tote Meer mit Wasser versorgt, sagt er.
Doch von diesen Plänen hält Carny nichts: "Es ist weder wirtschaftlich noch ökologisch sinnvoll, Wasser zu entsalzen und direkt ins Tote Meer zu leiten", kritisiert er. "Das ist eine Verschwendung von Trinkwasser, und die Region braucht dringend mehr Trinkwasser und Wasser für die Landwirtschaft."
Israel und Jordanien müssen zusammenarbeiten
Er kümmere sich zwar in erster Linie um Projekte auf israelischer Seite, sagt Carny. "Aber wir hoffen auf eine Zusammenarbeit mit Jordanien, denn wir können das nicht alleine schaffen." Die wirtschaftlichen und ökologischen Aspekte der verschiedenen Optionen müssten verstanden werden, sagt er. "Und dann müssen wir uns natürlich mit den Jordaniern auf die richtige Lösung einigen."
Zurück am Toten Meer sitzt Benny, ein Busfahrer, in einem der Senklöcher, die sich mit warmem, schwefelhaltigem Wasser gefüllt hat, und genießt die Wintersonne. "Die Situation ist sehr entmutigend", sagt der 40-Jährige. Aber der Rückgang des Toten Meeres habe auch eine gute Seite: "Jetzt haben wir Wasserbecken wie dieses hier."
- Nachrichtenagentur AFP