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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Gaskrise, Inflation und Corona Dieses Szenario droht uns im Winter
Ukraine-Krieg, Inflation, Corona: Die Zeiten sind so unsicher wie lange nicht mehr. Und der Blick in die Zukunft ist nicht gerade rosig. Die nächsten Monate könnten ungemütlich werden.
Die Befürchtungen und Warnungen der Entscheider Deutschlands sind eindringlich. Wirtschaftsminister Robert Habeck sagte, es sei eine "angespannte, ernste Lage". Im Winter könne es "wirklich eng" werden. Gar von "Schockwellen", die durch das Land gehen könnten, sprach etwa der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller.
Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht eine Telefonschalte zum Thema Gasnotlage stattfindet. Und Habeck mahnt regelmäßig an, Energie zu sparen.
Denn: Der Winter und das kommende Frühjahr könnten hart werden. Nicht zuletzt wegen eines drohenden Lieferstopps von russischem Gas, der angesichts der jüngsten Gasdrosselung wohl so leicht wie nie zuvor Realität werden könnte. Dazu kommt die hohe Inflation, die in einer Gasnotlage noch kräftiger als bisher anziehen dürfte. Dazu belasten Deutschland auch noch alte Sorgen: Die Corona-Zahlen steigen derzeit wieder rasant, der Bund diskutiert über entsprechende Regelungen.
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Bei dieser Gemengelage kann die Zukunft sich sehr dynamisch entwickeln. Allein: Wie es tatsächlich in einem halben Jahr aussieht, kann niemand seriös beantworten. Dennoch versucht t-online, einen Blick in die Zukunft zu wagen. Dafür stellen wir mehrere Szenarien vor, die auf verschiedenen Annahmen beruhen: ein optimistisches, ein pessimistisches und ein neutrales, das zwischen den beiden anderen rangiert.
Was ist der aktuelle Stand?
Im Moment ist die Gasversorgung im Winter nicht gesichert, die Gasspeicher noch nicht ausreichend gefüllt. "Wir sind bei der Befüllung jetzt bei über 57 Prozent", sagte Netzagentur-Chef Klaus Müller am Montag. Damit ist Deutschland deutlich besser aufgestellt als in den vergleichbaren Zeiträumen in den Vorjahren. "Wir haben etwas aufgeholt", sagt auch Müller.
Doch ausruhen könne sich Deutschland darauf nicht: In zwölf Wochen beginne bereits die Heizsaison. Wichtig seien die Gasflüsse. Diese seien aber nicht garantiert. In den vergangenen Tagen hat Russland bereits die Lieferungen deutlich reduziert. "Im Kern führt Russland einen Wirtschaftskrieg gegen Europa, insbesondere gegen Deutschland", so Müller.
Es gebe viele Unbekannte, die eine Rolle spielten. So habe der russische Präsident Wladimir Putin in der vergangenen Woche die Regeln geändert, sagte Müller mit Blick auf die Reduzierung der Liefermengen durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1. Zudem stehe im Juli die Wartung der Pipeline an. Auch könnte der Sommer nicht so warm bleiben wie bislang.
Pipeline-Wartung als "Test"
Wie "Bild" jüngst schrieb, strebt Müller einen Füllstand der Gasspeicher von mindestens 80 Prozent im Oktober und von mehr als 90 Prozent im November an.
Optimistischer als Müller gibt sich Sebastian Bleschke. Er ist Geschäftsführer der Initiative Energie Speichern, dem Zusammenschluss der deutschen Gasspeicher. "Aktuell sehen wir nach einem Einbruch vergangene Woche wieder erhöhte Gaseinspeicherungen. Die Lage ist also recht stabil", sagte er t-online.
"Wenn die Pipeline Nord Stream 1 Mitte Juli gewartet wird, werden wir sehen, inwiefern die Einspeicherungen ohne Lieferungen über Nord Stream 1 aufrechterhalten werden können. Das ist im Grunde ein Test, für den Fall, dass auch nach den Wartungsarbeiten kein Gas mehr über die Pipeline kommt." Das könne im Moment schlicht niemand ausschließen. Es sollte deshalb in die Überlegungen einbezogen werden, sagte er weiter.
Wirtschaft ist widerstandfähig – noch
Die deutsche Wirtschaft gibt sich jedoch im Moment recht widerstandsfähig, wie auch Timo Wollmershäuser, Chef der Konjunkturprognosen am Münchner Ifo-Institut, sagt. Die wirtschaftliche Erholung sei vor allem durch den Konsum der Deutschen nach der Corona-Krise getrieben.
Das Ifo-Institut erwartet für dieses Jahr ein Wirtschaftswachstum von 2,5 Prozent, das IfW Kiel ist mit 2,1 Prozent vorsichtiger. Im vergangenen Jahr hatten beide Institute noch eine schnellere Erholung nach der Corona-Pandemie prophezeit, der Ukraine-Krieg bremst aber die Konjunktur. "Die deutsche Wirtschaft steht vor einer mühsamen Erholungsphase", sagte IfW-Vizepräsident Stefan Kooths.
Die größten Konjunkturrisiken sieht Wollmershäuser in einer sich verfestigenden Inflation, einem Gaslieferstopp oder einer sinkenden Konsumneigung der Deutschen. Alles Situationen, die uns im Winter drohen könnten.
Die Szenarien
In allen Szenarien setzt der Bund verstärkt auf Kohlekraftwerke, wie Habeck bereits angekündigt hat. Der Wirtschaftsminister hatte am Sonntag gesagt, dass weniger Gas zur Stromproduktion genutzt werden solle und stattdessen – befristet bis Ende März 2024 – Kohlekraftwerke als Gasersatz-Reserve stärker zum Einsatz kommen müssten.
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Auch ein Gas-Auktionsmodell ist in den drei Szenarien seit Sommer im Einsatz. Es soll der Industrie Anreize bieten, Gas einzusparen. Ein solches Modell befindet sich derzeit in Planung. Zudem soll der staatliche Gaseinkauf über Kreditlinien gesichert werden.
Wichtiger Hinweis: Die t-online-Szenarien sind stark vereinfacht und können nicht sämtliche politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen umfassen. Sie sollen lediglich zeigen, wie die Entwicklungen der nächsten Monate sein könnten. Die vergangenen Monate haben uns jedoch vor allem eines gezeigt: Es kann auch ganz anders kommen als erwartet.
Optimistisches Szenario
Ausgangslage: Wir schreiben den 21. Dezember 2022, also genau in einem halben Jahr. Kremlchef Putin drosselte die Gaslieferungen im Sommer zunächst noch weiter, schob es auf Wartungsarbeiten an Nord Stream 1. Im August fuhr er sie aber wieder hoch, sodass auch vor dem Winter genügend Gas eingespeichert werden konnte. Wir sind mit einem Füllstand von rund 80 Prozent in den Winter gegangen.
Dabei geholfen hat nicht zuletzt auch, dass der Sommer recht lang war, die Temperaturen bis in den Oktober hinein mild genug waren, sodass viele Deutsche erst später mit dem Heizen begonnen haben. Habeck mahnt zwar immer noch, weniger zu heizen, doch staatlich verordnete Einsparungen sind nicht gekommen.
Energiepreise: Entsprechend sind die Gaspreise zwar im Sommer wegen Putins Ankündigung gestiegen, als aber wieder ausreichend Gas floss, sind diese auch wieder gefallen. Die Gasnachzahlungen für viele Mieter dürften dennoch hoch ausfallen, weshalb die Ampelkoalition über ein weiteres Entlastungspaket debattiert.
Inflation: Die Teuerung hat sich insgesamt aber etwas beruhigt. Im Sommer ist sie nochmals angestiegen, hat damit ihre Rekorde aus dem Mai nochmals gebrochen. Doch seit Herbst gehen die Teuerungsraten zurück, die Inflation lag zuletzt bei nur noch gut vier Prozent. Bei den Verhandlungen zwischen der IG Metall und den großen Industriebetrieben haben sich die Tarifpartner auf einen ordentlichen Abschluss samt Einmalzahlungen geeinigt, der allerdings nicht deutlich oberhalb der Inflation liegt.
Corona: Die Corona-Infektionszahlen sind im Sommer und Herbst gestiegen. Seit Oktober gilt wieder eine Maskenpflicht. Doch die Konsumneigung ging nicht zurück, auch weil die Verbraucherpreise nicht weiter anstiegen.
Konsumstimmung: Der Sommer war gut: Die Deutschen fuhren in den Urlaub und haben auch für den Winter entsprechende Reisen gebucht. Wir haben keine weitere Lockdowns in China gesehen, die Lieferketten normalisieren sich, was ebenfalls an der Preisfront entlastet.
Auch Wollmershäuser sagte: "In einem optimistischen Szenario würde sich der Inflationsanstieg langsam abschwächen. Wir würden zwar kräftige Lohnsteigerungen sehen. Doch die Teuerung würde sich nicht verfestigen, sondern vielmehr langsam auslaufen."
Wirtschaftslage: Die Konjunktur kann sich von der Corona-Krise erholen, eine Rezession ist in diesem Szenario nicht in Sicht. Vielmehr dürfte die Wirtschaft um rund zwei Prozent wachsen, wie Ökonomen erwarten.
Neutrales Szenario
Ausgangslage: Nachdem Putin die Gaslieferungen bereits auf 40 Prozent reduziert hatte, stoppte er sie im Juli ganz, zumindest für zwei Wochen. Danach fuhr er sie zwar wieder hoch, aber lediglich auf einen Stand von rund 20 Prozent. Schuld seien hier erneut technische Teile, die fehlten. Wirtschaftsminister Habeck reagierte und rief Ende Juli die zweite Stufe des Notfallplans Gas aus, die Alarmstufe. Mehr zum Notfallplan Gas lesen Sie hier.
Energiepreise: Sparen ist angesagt. Denn der Bund ist trotz aller Bemühungen mit einer zu geringen Gasspeicher-Kapazität in den Winter gegangen. Die Regierung verabschiedete daher eine Reihe von Energiesparmaßnahmen: So müssen Vermieter die Heizungsanlage während der Heizperiode nicht mehr auf mindestens 20 bis 22 Grad hochstellen, die Vorgaben sind entsprechend gesunken. Auch Hallenbäder und Saunen dürfen zeitweise nicht mehr öffnen, zudem sind Heizpilze verboten. Weihnachtsmärkte sollen möglichst auf Beleuchtung verzichten.
Doch all die Einsparungen könnten nicht reichen: Trotz allem steht Ende Dezember die Befürchtung im Raum, dass bereits in wenigen Wochen eine Gasnotlage droht. Zumal das Frühjahr recht kalt werden dürfte. Noch ist es nicht so weit, dass die dritte Stufe des Gasnotfallplans greifen muss und Industrien kein Gas mehr erhalten. Aber viele Unternehmen haben bereits von sich aus ihre Produktion eingestellt, weil sie die hohen Energiepreise nicht mehr stemmen können.
Denn die Gaspreise sind seit dem Sommer nochmals kräftig angestiegen. Besonders kleine Firmen und Mittelständler treffen die hohen Preise. Der Bund legte im November bereits ein erstes Hilfspaket auf, um eine Insolvenzwelle zu verhindern und die Produktion zu sichern. Wie in der Corona-Pandemie setzen viele Firmen auf Kurzarbeit, um ihre Mitarbeiter halten zu können.
Inflation: Die Inflation beruhigte sich nicht. Die hohen Energiekosten trieben die Preise an, wir stehen Ende des Jahres bei einer Teuerungsrate von mehr als acht Prozent. Nicht zuletzt wegen der Lieferkrise, die sich erst in der zweiten Jahreshälfte beruhigte. Entsprechend hoch waren auch die Lohnabschlüsse. Die Gefahr einer Preis-Lohn-Spirale, bei der sich Löhne und Preise immer weiter hochschaukeln, steht im Raum. Die Europäische Zentralbank (EZB) muss die Zinsen schneller anheben, als sie das eigentlich vorhatte. "Damit würde sie aber die Konjunktur abwürgen, eine Rezession wäre die Folge", so Wollmershäuser.
Konsumstimmung: Die hohen Preise belasten die Verbraucherinnen und Verbraucher. Seitens des Staates soll es Maßnahmen geben. Im Januar will der Bund ein weiteres milliardenschweres Entlastungspaket verabschieden. Unter anderem könnte bald eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel in Kraft treten. Zudem soll es eine erneute Energiepauschale geben. Auch gezielte Zahlungen an Menschen im Homeoffice werden diskutiert, die tendenziell mehr heizen müssen und mehr Strom verbrauchen.
Corona: Denn nicht nur die Gaskrise macht dem Bund zu schaffen: Auch die Corona-Zahlen sind in den vergangenen Monaten gestiegen. Der Bund hat daher eine Maskenpflicht, verschärfte Quarantäne- sowie Homeoffice-Regeln beschlossen.
Wirtschaftslage: "Bei weiter sinkenden Lieferungen würden die Gaspreise noch stärker anziehen. In der Folge würden auch die Verbraucherpreise noch steigen, was die Konjunktur dämpfen würde", sagte Ifo-Ökonom Wollmershäuser. "Bereits heute wirkt die hohe Inflation negativ auf die wirtschaftliche Erholung."
Pessimistisches Szenario
Ausgangslage: Der Super-GAU. Nachdem Putin das Gas im Sommer drosselte, stellte er kurz darauf die Lieferungen vollständig ein. Ende Juli rief Wirtschaftsminister Habeck die Alarmstufe des Notfallplans Gas aus, zwei Monate später die Notfallstufe. Die Bundesnetzagentur hat seitdem die Kompetenz, Gas zu rationieren und Industrien die Versorgung abzustellen. Noch macht sie das nicht, sondern behält sich diesen Schritt als Ultima Ratio vor. Dazu könnte es jedoch im Januar oder Februar kommen, weil die Gasspeicher Ende Dezember so gut wie leer sind. Privathaushalte sind besonders geschützt, doch auch für sie könnte es unangenehm werden.
Energiepreise: Der Bund hat scharfe Energiesparmaßnahmen verhängt, die noch über die im neutralen Szenario hinausgehen. So machen Hallenbäder und Saunen ganz dicht, auch die Beleuchtung in Gemeinden wird radikal heruntergefahren.
Freizeitparks und Einkaufszentren müssen schließen, Großveranstaltungen werden abgesagt. Strom muss gespart werden, wo es möglich ist. Vermieter müssen die Heizungen deutlich drosseln, viele Verbraucher lassen wegen der Energiekosten die Heizung lange aus. Auch autofreie Sonntage werden verhängt, um Öl einzusparen, das für die Stromerzeugung gebraucht wird. Die Ampelkoalition droht auseinanderzubrechen, nicht zuletzt wegen des Streits um den Einsatz von Fracking und Atomkraftwerken.
Konsumstimmung: In Supermarktregalen klaffen einige Lücken, auch weil Produkte aus dem Ausland fehlen, die wegen des Gasstopps nicht mehr produziert werden können. Vielen Verbrauchern fehlt allerdings ohnehin die Kaufkraft, da die Energiepreise sich enorm gesteigert haben.
Inflation: Die Inflation ufert aus, Ende des Jahres sehen wir eine Teuerungsrate von mehr als zehn Prozent. Und sie könnte noch steigen, sollte der Bund Industrien von der Versorgung abschneiden müssen. Auch in anderen Ländern der EU sind die Folgen des Gasembargos drastisch. Auf EU-Ebene hat sich ein Krisenteam gebildet, das die Maßnahmen der EU-Staaten koordinieren soll.
Corona: Die wirtschaftliche Erholung nach Corona ist passé. Zur Gaskrise kommt die Pandemie, wir stecken erneut in einer Corona-Welle. Der Bund hat wieder 3G-Regeln eingeführt sowie eine Maskenpflicht und Beschränkungen. Oftmals ist das jedoch egal. Denn wegen der hohen Preise haben viele Restaurants und Dienstleister ohnehin zeitweise dichtgemacht. Corona rückt wegen der Gaskrise in den Hintergrund.
Wirtschaftslage: Viele Firmen mit hohem Energiebedarf haben bereits aufgegeben, weil sie wegen der stark gestiegenen Gaspreise nicht mehr produzieren können. Der Bund verabschiedet mehrere milliardenschwere Hilfspakete für gebeutelte Firmen, um eine Pleitewelle zu verhindern. Auch wird der vereinfachte Zugang zur Kurzarbeit ausgeweitet, um ein Ansteigen der Arbeitslosigkeit zu verhindern. Für Verbraucher soll es ein weiteres milliardenschweres Entlastungspaket geben, das unter anderem aus hohen Einmalzahlungen besteht.
Deutschland steuert auf eine tiefe Rezession zu. Wollmershäuser fürchtet in einem Szenario mit einem Gasstopp ebenfalls einen wirtschaftlichen Einbruch. "Ein vollständiges Gasembargo stürzt Deutschland und die EU spätestens in der ersten Jahreshälfte 2023 in eine Rezession", sagte er.
"Wie schlimm diese ausfallen würde, hängt davon ab, wie lange Putin noch Gas liefert, wie voll die Gasspeicher werden und wie kalt der Winter wird." Klar sei jedoch: "Bei einem Gasstopp müsste die EZB ihre Zinsschritte, die sie bis dahin gemacht hat, wieder zurücknehmen. Sonst würde sie die Rezession in der Eurozone noch verschärfen."
Was sagen Entscheider und Experten?
Es ist im Moment vollkommen offen, ob Putin tatsächlich den Gashahn abdreht und wir auch die negativen Folgen, wie oben beschrieben, sehen werden. Die Szenarien sollen jedoch Hinweise darauf geben, welche Folgen verschiedene Situationen haben könnten.
Fakt ist jedoch: Netzagentur-Chef Klaus Müller erwartet weiter steigende Gaspreise und kräftige Nachzahlungen. "Schon jetzt haben sich die Gaspreise für private Haushalte gegenüber der Vorkriegszeit vervielfacht", sagte Müller jüngst. Für Mieter könne es eine böse Überraschung geben, wenn hohe Nachzahlungen fällig werden.
"Das können schnell mehr als tausend Euro sein, da werden Schockwellen durch das Land gehen. Banken werden ihre Geschäfte mit Ratenkrediten hochfahren, angeschlagenen Firmen droht die Insolvenz", so Müller weiter. Seine Einschätzungen würden sich entsprechend im "neutralen Szenario" von t-online bewegen.
Städtetag: Dann wird es "ernst"
Auch der Städtetag fürchtet die Folgen einer Gaskrise. "Sollte vor dem Winter zu wenig Gas in den Speichern sein, wird es ernst", sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy t-online. "Kaum jemand hat Erfahrung mit einem Mangel an Gas, und wenn es langfristig ausfällt, am Ende vielleicht sogar an Strom."
Deshalb schalteten die Städte schon jetzt alle wichtigen Akteure zusammen: die kommunalen Versorgungsunternehmen, die Feuerwehren, die Krankenhäuser, die Polizei, die sozialen Einrichtungen. Sie erabeiteten und aktualisierten Krisen- und Katastrophenpläne. "Die Städte tun alles, um im Notfall vorbereitet zu sein", so Dedy.
"Wichtig ist, dass die Menschen weiter mit Strom, Wasser und Lebensmitteln versorgt werden und die kritische Infrastruktur, wie etwa Krankenhäuser, abgesichert ist. Bund, Länder und Kommunen müssen sich dafür eng abstimmen."
Corona wird kein "Gamechanger" sein
Angesichts steigender Corona-Zahlen erwartet Ifo-Experte Wollmershäuser indes keinen weiteren Lockdown. "Die Corona-Krise hierzulande wird kein 'konjunktureller Gamechanger' sein", sagte er. "Die Erholung könnte sich zwar etwas verzögern, wenn die Infektionszahlen steigen und die Menschen wieder öfter im Homeoffice sitzen. Doch dass es staatliche Lockdown-Maßnahmen geben wird, halte ich für unwahrscheinlich."
Vielmehr hänge die Wirtschaftsentwicklung davon ab, wie hoch die Deutschen ihr Risiko einschätzen, sich anzustecken. "Also ob sie wegen Corona weniger einkaufen, seltener in Restaurants oder ins Kino gehen", so Wollmershäuser.
"Problematisch könnten weitere Corona-Lockdowns in China werden. Aktuell rechne ich zwar nicht damit. Sollte es jedoch dazu kommen, werden die Lieferketten sich nicht allzu schnell normalisieren, die Preise werden noch steigen – sowohl für Verbraucher als auch die Industrie."
- Eigene Recherche
- Gespräch mit Timo Wollmershäuser
- Gespräch mit Sebastian Bleschke
- Schriftliches Statement von Helmut Dedy
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, Reuters und AFP