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Schulden-weg-Konto: Kaum jemand überweist der Bundesregierung freiwillig Geld


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Schulden-weg-Konto
Kaum jemand überweist der Bundesregierung freiwillig Geld


Aktualisiert am 24.04.2022Lesedauer: 5 Min.
Kaum Extra-Geld fürs Schulden tilgen: Finanzminister Christian Lindner und Kanzler Olaf Scholz.Vergrößern des Bildes
Kaum Extra-Geld fürs Schulden tilgen: Finanzminister Christian Lindner und Kanzler Olaf Scholz. (Quelle: Future Image/imago-images-bilder)
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Sektsteuer, Lohnsteuer, Spritsteuer: Die Bürger finanzieren den Staat auf vielen Wegen. Wem das nicht genug ist, kann Lindner, Scholz und Co. freiwillig mehr überweisen. Nur macht das kaum jemand.

Im Mittelalter hatte die Kirche das Sagen. Und wer sich mit ihr gutstellen wollte, musste nicht viel tun. Einfach ein paar Münzen rausrücken, schon waren die Sünden vergessen, die Zeit im Fegefeuer kürzer.

Heutzutage geht alle Gewalt vom Volke aus, konkreter: vom Staat. Ablassbriefe braucht er nicht, schließlich bittet der Fiskus seine Bürger über Steuern täglich zur Kasse. Und doch gibt es eine Möglichkeit, dem Staat zusätzlich und freiwillig Geld zu überweisen.

Das Instrument dafür existiert seit 2006 und nennt sich "Schuldentilgungskonto". Der Name ist dabei Programm: Alle Eingänge auf diesem Spezialkonto der Bundesregierung fließen eins zu eins in den Schuldenabbau des Staates.

Nur sehr geringer Geldeingang

Das Problem dabei: Das Konto kennt kaum einer – und beliebt ist es auch nicht. Das zumindest geht aus einer Antwort des Finanzministeriums auf eine Kleine Anfrage der Unionsfraktion hervor, die t-online vorliegt.

Demnach haben vergangenes Jahr 236 Wohltäter insgesamt 63.988 Euro und ganze 54 Cent aufs Schuldentilgungskonto überwiesen. Die höchste Einzel-Einzahlung lag bei 25.000 Euro im September.

Bis Ende März dieses Jahres gingen bereits 21.226,91 Euro auf dem Konto ein. Der Großteil davon im Januar, insgesamt knapp 19.000 Euro – dagegen gerade einmal knapp 542 Euro im Februar.

Angesichts der rund 2.300 Milliarden Euro, die Bund, Länder und Kommunen allein bis Ende 2021, also vor den Zusatzausgaben infolge des Ukraine-Kriegs, angehäuft haben, wirken diese Beträge geradezu lächerlich. Zum Vergleich: An Hilfsorganisationen, den Tierschutz oder Sportvereine spendeten die Deutschen zuletzt rund 5,5 Milliarden Euro im Jahr.

"Konto wurde stiefmütterlich behandelt"

Matthias Hauer will das ändern. Hauer ist Finanzpolitiker, sitzt für die CDU im Bundestag und glaubt, den Grund für das geringe Interesse an dem Konto ausfindig gemacht zu haben.

"Die Bundesregierung unterhält das Schuldentilgungskonto mit keinem großen Interesse", sagt er t-online. "Im Gegenteil: Das Konto wurde seit Jahren stiefmütterlich behandelt. Das ist sehr schade."

Tatsächlich: Anders als beim Ablasshandel, bei dem die Kirche ihren Gläubigen regelrecht hinterherlief, sieht es beim Tilgungskonto gänzlich anders aus.

Wer nach dem Konto sucht, wird nicht fündig

Wer auf der Webseite des Finanzministeriums nach "Schuldentilgungskonto" sucht, wird enttäuscht. "Es wurden keine Ergebnisse gefunden", heißt es. Man solle überprüfen, ob alle Wörter richtig geschrieben seien oder eben einen allgemeineren Begriff ausprobieren. Etwa "Schuldentilgung", wie der Roboter des Finanzministeriums vorschlägt. Verweise auf das Konto finden sich lediglich in diversen Medienberichten.

CDU-Mann Hauer hält das für hanebüchen. "Menschen, die dem Bund freiwillig Geld überweisen, sollte das Finanzministerium nicht unnötig Steine in den Weg legen", sagt er. "Das Finanzministerium sollte mehr auf das Konto aufmerksam machen."

Einen simplen Vorschlag liefert er gleich mit. "Eine Werbekampagne ist nicht nötig. Es reicht, wenn es auf der Seite des Ministeriums überhaupt aufzufinden ist und dort erklärt wird, zum Beispiel mit einem Hinweis auf der Startseite", so Hauer. "Das ist flott und ohne große Kosten gemacht."

Die Verbindung des Tilgungskonto des Staates:
Bundeskasse Halle/Saale bei der Deutschen Bundesbank, Filiale Leipzig
IBAN: DE17 8600 0000 0086 0010 30
BIC: MARKDEF1860
Verwendungszweck: "Schuldentilgung"

Zusätzlich hält der CDU-Mann ein Dankesschreiben des Ministeriums an die Wohltäter für "geboten": "Christian Lindner muss ja nicht persönlich unterschreiben, aber es ist ein Zeichen der Anerkennung, sich für das Geld zu bedanken. Das hat auch etwas mit Höflichkeit zu tun."

Ministerium will nicht mit gemeinnützigen Vereinen konkurrieren

Das Finanzministerium wiegelt ab. Das Konto sei "auf vielfachen Wunsch von engagierten Bürgerinnen und Bürgern" eingerichtet worden. Die Bundesregierung jedoch erwarte die Beiträge nicht "und strebt auch nicht an, die Bevölkerung zu solchen Zahlungen zu ermutigen oder dies in anderer Form zu befördern", heißt es in der Antwort des Ministeriums.

Und weiter: Der Staat solle nicht durch aktives Werben um Spenden anderen Organisationen Konkurrenz machen, zum Beispiel solchen für gemeinnützige Zwecke.

Zudem würde bei Kosten für Werbung, Dankesschreiben und dem resultierenden Verwaltungsaufwand "die bezweckte Schuldentilgung nur zum Teil erreicht werden", so das Ministerium. "Dies dürfte nicht im Sinne der Bürgerinnen und Bürger sein, die sich für eine freiwillige Geldleistung an den Bund ausschließlich zur Schuldentilgung entschieden haben."

Kein Spendenbeleg für Überweisungen

Hauer kann die Argumentation nicht nachvollziehen, sieht in der Antwort nur einen Beleg für das mangelnde Interesse des Bundes an dem Konto. Die Kosten für einen Brief dürften nicht ins Gewicht fallen, meint er. Der Versand eines Standardbriefs koste immerhin nur 85 Cent. "Dadurch wird noch lange nicht der Zweck des Kontos entfremdet, wie das Finanzministerium behauptet."

Ein Unterschied zu einem herkömmlichen Spendenkonto gibt es jedoch: Denn Überweisungen aufs Tilgungskonto lassen sich nicht von der Steuer absetzen, einen Spendenbeleg von Lindner gibt es folglich nicht.

Hauer findet das richtig. Das würde sonst dem Sinn der Schuldentilgung "zuwiderlaufen", sagt er. "Die Einzahler möchten ja gerade keine Steuern sparen, sondern dem Staat einen zusätzlichen Betrag zuwenden."

Scharfe Kritik an Lindner

Ob sich beim Tilgungskonto und den Kleckerbeträgen, die auf ihm einlaufen, wirklich etwas ändert? Unwahrscheinlich. Das Ministerium teilt in der Antwort mit, es solle in seiner jetzigen Form fortgeführt werden. Auch Hauer weiß das – und nutzt das Konto deshalb gleich für eine Generalkritik an Finanzminister Lindner.

"Das Schuldentilgungskonto bringt zwar nur geringe Beträge für den Staat ein. Doch auch wie das Ministerium damit umgeht, ist symptomatisch für seine Haushaltspolitik", sagt er.

Der gescholtene Lindner steht schon länger wegen seiner Haushaltspolitik in der Kritik. Konkret geht es dabei um nicht genutzte Kreditermächtigungen von 60 Milliarden Euro, die ursprünglich zur Bekämpfung der Corona-Krise gedacht waren.

Diese schichtet der Bund im Haushalt so um, dass sie in den kommenden Jahren für Investitionen in den Klimaschutz genutzt werden können. Hauer und seine Fraktion kritisieren, Lindner wolle so die Schuldenbremse umgehen. Die Union hat daher Anfang April Verfassungsklage gegen den Nachtragshaushalt eingelegt.

"Das hat mit solider Haushaltsführung nichts mehr zu tun"

"Die Schuldentrickserei ist eine 180-Grad-Wende von Christian Lindner", so Hauer. "Als Oppositionspolitiker wäre er der Erste, der gegen seinen Nachtragshaushalt klagen würde."

Das übernehme nun die Union. "Was Lindner jedoch aktuell als Finanzminister veranstaltet, hat mit solider Haushaltsführung nichts mehr zu tun." Es sei "empörend", wie Lindner die Generationengerechtigkeit aufs Spiel setze.

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Im Haushaltsentwurf sieht Lindner zunächst Ausgaben von 457,6 Milliarden Euro und neue Schulden von 99,7 Milliarden Euro vor. Dazu kommt aber wohl ein weiterer zweistelliger Milliardenbetrag an Schulden aus Lindners Ergänzungshaushalt. Dieser soll am 27. April ins Kabinett kommen.

Menschen fordern die Überweisungen zurück

Bei der Finanzierung helfen kann das Tilgungskonto nur in sehr geringem Maße. Denn: Damit der Bund schuldenfrei ist, müsste jeder Deutsche eine Einmalzahlung von 17.507 Euro leisten, wie das Ministerium grob vorrechnet.

Erschwerend kommt hinzu, dass manche der Wohltäter ihre Spenden überdenken. So jedenfalls lassen sich die Rückforderungen ans Ministerium deuten, immerhin fünf in den vergangenen zehn Jahren:

2019 und 2020 wollten jeweils zwei Spender ihr Geld zurückhaben, insgesamt ging es um mehr als 50.000 Euro. Der Grund: "Irrtümliche Einzahlung", einmal hatte auch der Verwendungszweck gefehlt. 2015 wurden dem Bund nur 171 Euro irrtümlicherweise übereignet.

Hauer fordert Klimakonto des Staates

Trotz Rückforderungen, geringer Spendensummen und schwieriger Auffindbarkeit glaubt Hauer an das Konto. Er geht sogar noch weiter – und fordert analog ein Konto für den Kampf gegen die Klimakrise.

Die Bekämpfung des menschengemachten Klimawandels sei eine der größten Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte. "Ein zusätzliches staatliches Spendenkonto, das zweckgebunden Investitionen gegen den Klimawandel tätigt, wäre eine interessante Ergänzung zum staatlichen Schuldentilgungskonto", sagt er.

Menschen, die ihre Spenden lieber dem Staat als privaten Organisationen anvertrauen wollten, könnten so zielgerichtet für Klimaschutz spenden, meint Hauer. "Ich fände es gut, wenn es diese Möglichkeit gäbe", so der CDU-Mann. "Das Bundesfinanzministerium sollte sich ernsthaft mit dem Vorschlag eines zusätzlichen Kontos für den Kampf gegen die Klimakrise beschäftigen."

Dann kämen auch Klimasünder auf ihre Kosten – und nicht ins Fegefeuer. So zumindest die Hoffnung.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Antwort auf Kleine Anfrage der Unionsfraktion
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