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Teure Vorhaben der Ampel-Koalition: Wo sie ihr Geld herbekommen könnte


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Exklusive Studie
Wo die Ampel ihr Geld herbekommen könnte


Aktualisiert am 20.11.2021Lesedauer: 4 Min.
Die grünen Parteichefs Robert Habeck und Annalena Baerbock und der FDP-Vorsitzende Christian Lindner (Archivbild): Ihren Parteien wurde jeweils großes Interesse am Finanzministerium einer Ampelregierung nachgesagt.Vergrößern des Bildes
Die grünen Parteichefs Robert Habeck und Annalena Baerbock und der FDP-Vorsitzende Christian Lindner (Archivbild): Ihren Parteien wurde jeweils großes Interesse am Finanzministerium einer Ampelregierung nachgesagt. (Quelle: Jens Schicke/imago-images-bilder)

Die künftige Ampelregierung will bereits kommende Woche ihren Koalitionsvertrag vorlegen. Was jetzt schon feststeht: Es wird teuer. Wie soll das bezahlt werden? Exklusive Berechnungen geben Aufschluss darüber.

50 Milliarden Euro: Das sind siebenmal die Kosten des Berliner Pannenflughafens BER. So viel Geld will die neue Ampel-Koalition investieren – pro Jahr. Fließen soll es in den Klimaschutz, digitalisierte Behörden oder neue ICEs.

Allein: Die Frage, woher es kommt, ist nicht geklärt. Denn die Leitplanken der Ampel-Koalition stehen fest: Es sollen keine Steuern erhöht werden; die Schuldenbremse, die die Neuverschuldung qua Gesetz eindämmt, soll ab 2023 wieder greifen, nachdem sie wegen der Corona-Pandemie mehrfach ausgesetzt wurde.

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Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat nun errechnet, wie groß der finanzielle Spielraum der Ampel wirklich ist – und wie sie leicht an Geld kommen könnte. Die Studie liegt t-online exklusiv vor.

Demnach könnte die Ampel in den Jahren 2023 bis 2025 in Summe mit Mehreinnahmen von 95 Milliarden Euro rechnen – gegenüber der langfristigen Finanzplanung kurz vor der Bundestagswahl. Diese Mehreinnahmen setzen sich aus drei verschiedenen Faktoren zusammen:

  • 1. Steuermehreinnahmen
  • 2. Geringere Tilgungsrate
  • 3. Erlöse aus dem Verkauf von Beteiligungen

Steuermehreinnahmen

Nach der aktuellen Steuerschätzung liegen die Steuereinnahmen erst nächstes Jahr wieder auf Vor-Corona-Niveau. Dennoch könnte die Ampel mit 13 Milliarden jährlichen Mehreinnahmen aus Abgaben rechnen. Dazu kommt laut IW die geplante globale Mindeststeuer für Unternehmen, die auch hiesige Firmen treffen würde.

Und: Sollte die Ampel tatsächlich Cannabis legalisieren, ließen sich daraus ebenfalls Einnahmen erwirtschaften – immerhin 2,5 Milliarden Euro pro Jahr.

►In Summe: rund 52 Milliarden Euro

Geringere Tilgungsrate

Aktuell sieht der Bund vor, die Schulden wegen der Corona-Krise in einem Zeitraum von 20 Jahren zu tilgen. Allerdings könnte der Bund diesen Zeitraum auch verdoppeln, das wäre im Einklang mit der Schuldenbremse und könnte zusätzliche Haushaltsspielräume bringen.

Von 2023 bis 2025 geht es hier immerhin um eine Milliarde pro Jahr. Ab dem Jahr 2026 würde es sogar jährlich ein Plus von zehn Milliarden bringen.

►In Summe: rund 3 Milliarden Euro

Erlöse aus dem Verkauf von Beteiligungen

Neben höheren Steuereinnahmen und einer geringeren Schuldentilgung könnte der Bund laut IW auch seine Staatsbeteiligungen abstoßen. Konkret schlägt IW-Ökonom und Studienautor Tobias Hentze vor, dass die Regierung ihre Anteile an der Deutschen Telekom und der Deutschen Post versilbert.

Für den Bund würden das einmalige Einnahmen von rund 25 Milliarden Euro bedeuten. Für die staatliche Förderbank KfW, über die der Bund ebenfalls noch Anteile an den ehemaligen Staatskonzernen hält, geht es um 15 Milliarden Euro.

Dass der Bund sich von den Anteilen auf lange Sicht trennt, wurde bereits vor Jahren beschlossen. "Nun ist der Zeitpunkt gekommen, einen Schlussstrich unter die ehemaligen Staatskonzerne zu ziehen", sagt Hentze t-online. "Das sind leicht erzielbare Einnahmen, die der Ampel helfen können. Die Notwendigkeit an einer Beteiligung ist schon länger nicht mehr gegeben."

Bereits Ende Januar hatte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) vorgeschlagen, Staatsbeteiligungen zu veräußern, um die Corona-Schulden zu bezahlen. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hielt die Idee damals noch für "etwas skurril", fraglich also, ob sich seine Meinung bis jetzt geändert hat.

►In Summe: rund 40 Milliarden Euro

Wie realistisch sind die Einnahmen?

IW-Ökonom Hentze hält die berechneten Einnahmen für sehr realistisch. "Alle angeführten Punkte sind leicht umsetzbar, wenn der politische Wille da ist."

Doch über die konkreten Einnahmenpunkte hinaus könnte der Bund noch weitere Einnahmen generieren – etwa indem er Subventionen abbaut. Auch Sozialpakete, welche die große Koalition eingeführt hat, könnte die Ampel kürzen. "Fraglich ist aber, inwieweit das wirklich geschieht. Der Abbau von steuerlichen Erleichterungen wird etwa schnell als Steuererhöhung gesehen", so Hentze.

Doch auch abgesehen davon gibt es noch einen kleinen Milliardenspielraum für die künftige Regierung. Bei den Zinsausgaben geht die noch geschäftsführende Bundesregierung von einem Anstieg von 6,5 Milliarden Euro im Jahr 2020 auf 10 Milliarden Euro im Jahr 2021 und auf 15 Milliarden Euro im Jahr 2025 aus.

Dieser Anstieg geht aber nicht auf höhere Schulden zurück – sondern nur auf höher unterstellte Zinssätze. Das heißt im Umkehrschluss: Sollte der Zinssatz weniger stark als erwartet steigen – wie in den vergangenen Jahren –, könnten auch die Zinsausgaben deutlich geringer ausfallen.

Reichen die 95 Milliarden Euro aus?

Nein, wie IW-Ökonom Hentze einräumt. "Selbst rund 100 Milliarden Euro werden der Ampel für ihre Projekte nicht reichen. Das gilt auch, wenn die Zinsausgaben reduziert werden oder zusätzlich Subventionen abgebaut werden", sagt er t-online. Das heißt: Es muss andere Wege geben, um die Investitionen zu finanzieren.

Allerdings sind die Wege begrenzt, weil die Schuldenbremse wieder greifen soll. Die Regelung, die nur eine Verschuldung von maximal 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zulässt, steht dabei seit Längerem bei Experten in der Kritik, da sie als sehr strikt gilt. Auch Hentze gehört dazu. "Ich halte eine Reform der Schuldenbremse aktuell für nötig", so der Ökonom. "Das wäre die sauberste Möglichkeit, die notwendigen Zukunftsinvestitionen zu bezahlen."

Ob die FDP da mitmacht, bleibt zu bezweifeln. Sie gilt als Verfechter einer strengen Haushaltspolitik. Da sie sich ebenfalls gegen Steuererhöhungen, wie von Grünen und SPD gewünscht, stemmt, bleibt nur eine Variante übrig.

Investitionsgesellschaften solle man in Kauf nehmen

"Die Alternative sind staatliche Investitionsgesellschaften", so Hentze. So könnte etwa die Deutsche Bahn Schulden aufnehmen oder eine rechtlich selbstständige Investitionsgesellschaft Projekte für Klimaschutz und Digitalisierung finanzieren.

Diese Schulden würden dann nicht in das strenge Korsett der Schuldenbremse fallen. Das Problem dabei: "Diese Schulden und Ausgaben tauchen dann nicht im regulären Haushalt auf. Entscheidend ist es daher, alles transparent darzustellen."

Doch: "Bevor nichts getan wird und wichtige Investitionen liegen bleiben, sollte man das in Kauf nehmen und am besten die notwendigen Zukunftsausgaben in einer Investitionsgesellschaft bündeln", so Hentze.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Tobias Hentze
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