Kaum Hilfe aus Europa Nur 27 Lkw-Fahrer nehmen britische Visa in der Benzinkrise an
In Großbritannien herrscht ein Mangel an Lastwagenfahrern, der Versorgungsengpässe bis Weihnachten nach sich ziehen wird. Inzwischen helfen Soldaten aus. Ein anderer Lösungsversuch ist eher schiefgelaufen.
Leere Regale in den Supermärkten, geschlossene Tankstellen: Im Kampf gegen Lieferengpässe im Land wollte London kurzfristig auf ausländische Fachkräfte zurückgreifen. So sollten die Fristen für bereits geplante Arbeitsvisa verlängert werden, um den Kraftstoffmangel in den Griff zu bekommen. Visa für 300 Tanklastfahrer sollten umgehend ausgestellt werden und bis März gelten. Das Problem: Kaum jemand scheint daran Interesse zu haben.
Wie das Blatt "Independent" unter Berufung auf die "Times" berichtet, sei den Ministern mitgeteilt worden, dass nur 27 Tankwagenfahrer aus der EU im Rahmen der Notfallvisaregelung einen Antrag gestellt haben, um im Vereinigten Königreich arbeiten zu können. Nun werde demnach befürchtet, dass sich die Krise noch mehr in die Länge ziehen und man weiter auf die Unterstützung der Armee angewiesen sein könnte.
Keine "wirklich attraktive Alternative"
Rod McKenzie, Direktor der Gesellschaft Road Haulage Association Ltd., sagte der "Times": "Die Leute wollen nicht kommen, es sei denn, es ist eine wirklich attraktive Alternative." Man gebe nun einmal "nicht einen gut bezahlten Job für einen besser bezahlten Job auf, wenn es nur für ein paar Monate ist", so McKenzie weiter.
Insgesamt sollten von Ende Oktober an 5.000 ausländische Fernfahrer für eine befristete Dauer ins Land gelockt werden und bis Anfang 2022 bleiben können. Ob das befristete Angebot bei polnischen und anderen osteuropäischen Fahrern auf Interesse stößt, wurde von Verbänden auf dem Kontinent schon kurz nach Verkündung vergangene Woche bezweifelt.
Mehrere Lösungsversuche der Regierung
Seit Montag helfen etwa 200 britische Militärangehörige, darunter 100 Lkw-Fahrer, beim Verteilen von Kraftstoff. Auch Deutsche im Land wurden über eine verzweifelt wirkende Briefkampagne aufgerufen. Autofahrer in Großbritannien kommen derzeit kaum an Benzin, weil etwa 100.000 Lastwagenfahrer fehlen. Vor den Tankstellen bilden sich Schlangen, an vielen ist gar nichts zu bekommen. Besonders in London und im Südosten des Landes ist die Lage angespannt. Wegen des Brexits haben viele Trucker das Land verlassen und sind auf den europäischen Kontinent zurückgekehrt.
Trotz der Engpässe will Premierminister Boris Johnson Forderungen nach einer Lockerung der nach dem Brexit verschärften Einwanderungsregeln nicht nachgeben. "Was wir nicht wollen, ist zurückzukehren zu einer Situation, in der die Logistikbranche sich auf eine Menge Einwanderung günstiger Arbeitskräfte stützt", sagte er am Samstag. Das habe nämlich zur Folge, "dass die Gehälter nicht steigen und die Qualität der Arbeitsplätze nicht zunimmt". Die britische Wirtschaft müsse ihre Abhängigkeit von schlecht bezahlten ausländischen Arbeitskräften beenden, um eine "gut bezahlte, gut ausgebildete, hochproduktive Volkswirtschaft" zu werden.
- Nachrichtenagentur dpa
- The Times: "Supply crisis: just 27 fuel tanker drivers from EU apply for emergency visas" (engl. / kostenpflichtig)