Personenverkehr weitgehend lahmgelegt Bahn: "Erste Auswirkungen des Streiks sind spürbar"
Für Bahnreisende und Pendler haben zwei harte Tage begonnen. Die Lokführergewerkschaft GDL rief zum Streik. Die Bahn bittet Fahrgäste, nicht zwingend notwendige Reisen zu verschieben.
Ein Streik der Lokführergewerkschaft GDL hat offenkundig begonnen und legt den Personenverkehr der Deutschen Bahn weitgehend lahm. Der Ersatzplan sei angelaufen, teilte ein Bahnsprecher am frühen Mittwochmorgen mit. "Erste Auswirkungen des Streiks sind spürbar", sagte er. Tausende Fahrgäste müssen improvisieren.
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Obwohl die GDL in der Nacht für Auskünfte nicht erreichbar war, standen am Mittwochmorgen die Personenzüge in vielen Bahnhöfen still, Bahnsteige waren leer, wie Fotos zeigten. "Zug fällt aus", war vielfach an den Anzeigetafeln zu verschiedenen Reisezielen zu sehen. Der Ausstand soll bereits um 2 Uhr begonnen haben. Schon seit Dienstagabend bestreikt die Gewerkschaft zudem den Güterverkehr. Der Streik soll in der Nacht zu Freitag enden.
"Nach unserer Beobachtung ist der Streik bundesweit wirksam", sagte Bahnsprecher Achim Stauß am Mittwochmorgen. Die Bahn versuche im Fernverkehr ein Viertel der IC und ICE auf die Schiene zu bringen und zwischen den großen Metropolen zumindest einen Zwei-Stunden-Takt sicherzustellen. Im Regional- und Nahverkehr wolle die Bahn ein verlässliches Grundangebot anbieten, das aber je nach Streikintensität regional unterschiedlich sein werde.
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Besonders der Osten Deutschlands ist betroffen
Im Regional- und S-Bahnverkehr sei besonders der Osten Deutschlands betroffen: Menschen in Sachsen müssen sich auf zahlreiche Einschränkungen im Bahnverkehr einstellen: Unter anderem auf den S-Bahn-Linien 2, 3, 4 und 5 in und um Leipzig und auf den S-Bahn-Linien 1 und 3 in und um Dresden werde es zu Beeinträchtigungen kommen.
In Sachsen-Anhalt sind unter anderem die Strecken der Regionalzüge RE 20 und RE 30 zwischen Magdeburg und Uelzen beziehungsweise Magedeburg und Halle betroffen.
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Zugausfälle auch in Nordrhein-Westfalen
Der in der Nacht zum Mittwoch gestartete bundesweite Streik hat auch in Nordrhein-Westfalen am Mittwochmorgen zu Zugausfällen geführt. Obwohl der Schwerpunkt des Streiks eher im Osten Deutschlands liege, sei die Lage am Mittwochmorgen auch in Köln angespannt. Reisende müssen sich den Angaben der Bahn zufolge auf kurzfristige Ausfälle und teils längere Verspätungen einstellen, so ein Sprecher der Bahn am Mittwochmorgen.
Am Düsseldorfer Hauptbahnhof ist das große Chaos am Mittwochmorgen ausgeblieben: Viele Pendler waren gut auf die Situation vorbereitet. "Ich bin extra zwei Stunden früher gefahren, mit einem anderen Anbieter", sagte eine Pendlerin.
Andere wiederum hatten die Ankündigung der Gewerkschaft am Dienstag wohl nicht mitbekommen und wurden am Morgen von den vielen Zugausfällen überrascht. "Aber ich muss doch zur Arbeit", beschwerte sich ein Mann vor der blauen Anzeigetafel, an der in Dauerschleife "Zug fällt aus!" durchlief. "Ich muss sechs Stunden statt drei Stunden ins Büro fahren", sagte eine Frau neben ihm. "Um nach Offenburg zu kommen, muss ich jetzt erst nach Frankreich fahren. Die deutschen Züge sind das reinste Chaos."
Südwesten: Gewerkschaft zufrieden mit Streikbeginn
Nach dem Start des Streiks zeigt sich die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) zufrieden mit der Zahl der Beteiligten. "Der Streik ist sauber angelaufen", sagte Jens-Peter Lück, der stellvertretende Vorsitzende des GDL-Bezirks Süd-West, am Mittwochmorgen der dpa. "Es gibt kaum GDL-Mitglieder, die trotz des Streiks unterwegs sind."
In 11 der 16 Bundesländer sind Schulferien
Die Bahn bat Fahrgäste, nicht zwingend notwendige Reisen zu verschieben. Wegen des Coronavirus rief sie auch zu Rücksichtnahme in den Zügen auf. Der Ausstand trifft die Fahrgäste mitten in der reisestarken Urlaubszeit: In 11 der 16 Bundesländer sind Schulferien. Betroffen sind auch grenzüberschreitende Verbindungen und der Nachtreiseverkehr.
Bahn-Personalvorstand Martin Seiler bezeichnete den Streik als "völlig unangemessen und überzogen". GDL-Chef Claus Weselsky verwies auf den ungelösten Tarifkonflikt. "Mit diesem ersten Signal muss dem Management klar werden, dass mit uns nicht gut Kirschen essen ist."
Erster Streik bei der Bahn seit Dezember 2018
Der Fahrgastverband Pro Bahn mahnte eine verlässliche Information der Bahnkunden an. "Nichts ist ärgerlicher, als bei einem Streik auf einen Zug zu warten, der dann nicht verkehrt." Der Verein rief die Bahn und die GDL dazu auf, in einer Schlichtung eine Lösung für ihren Konflikt zu finden.
Die Lokführergewerkschaft kämpft um mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen für ihre Mitglieder bei der Deutschen Bahn. Anders als die größere Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) will sie in diesem Jahr keine Nullrunde bei den Gehältern akzeptieren. So will die GDL auch bei den Mitarbeitern im Machtkampf mit der EVG punkten.
Nicht bestreikt werden Konkurrenten der Deutschen Bahn. Sie haben im Regional- und Güterverkehr beträchtliche Marktanteile. Allerdings sind auch bei ihnen Einschränkungen möglich, wenn sich die Fahrdienstleiter dem GDL-Streik anschließen. Es ist der erste Streik bei der Bahn seit Dezember 2018, als die EVG ihre Mitglieder zum Arbeitskampf aufrief. Die GDL legte zuletzt vor sechs Jahren die Arbeit nieder.
Die Bahn kämpft mit Milliardenverlusten in der Pandemie
Sie fordert unter anderem Lohnerhöhungen wie im öffentlichen Dienst von rund 3,2 Prozent sowie eine deutliche Corona-Prämie im laufenden Jahr. Die Laufzeit des Tarifvertrags soll 28 Monate betragen. Auch um Betriebsrenten wird gerungen.
Wegen Milliardenverlusten in der Pandemie will die Bahn die Erhöhung auf spätere Stufenzeitpunkte verteilen, bei einer Vertragslaufzeit von 40 Monaten. Hinzu kämen Leistungen zur Altersvorsorge und der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen.
- Nachrichtenagentur dpa