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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Preise wie zu Zeiten der Ölkrise Das bedeuten die Preisanstiege für Industrie und Verbraucher
Die Importpreise sind im Juni so stark gestiegen wie seit fast 40 Jahren nicht mehr. Das liegt auch an besonders hohen Energiekosten. Die deutsche Industrie ist besorgt – und auch Verbraucher dürften die Folgen bald spüren.
Die deutschen Importpreise sind im Juni um 12,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat gestiegen. Das teilte das Statistische Bundesamt mit. Die Steigerung ist damit die stärkste seit Oktober 1981 in der zweiten Ölkrise. Die Industrie ist in Sorge und Experten gehen bereits davon aus, dass auch die Verbraucherpreise steigen werden.
„Die aktuellen Lieferschwierigkeiten und zum Teil deutlichen Preissteigerungen von Rohstoffen und Vorprodukten stellen die deutsche Wirtschaft noch für eine geraume Zeit vor erhebliche Probleme", sagt Volker Treier, Außenhandelschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) t-online.
Das Statistische Bundesamt führt die gestiegenen Einfuhrpreise auf hohe Energiekosten zurück. Im Vergleich zum Juni 2020 verteuerten diese sich um 88,5 Prozent (was das für Verbraucher bedeutet, lesen Sie hier). Das liegt am sogenannten Basiseffekt. Das heißt, dass die Preise im Vergleichsmonat verhältnismäßig niedrig waren. Den größten Einfluss auf die Jahresveränderungsrate für Energie hatten im Juni 2021 Erdgas mit einem Anstieg von 150 Prozent und Erdöl mit einem Plus von 81,8 Prozent.
Industrie sieht hohe Energiekosten als größtes Geschäftsrisiko
Das sorgt für Kopfzerbrechen in der Industrie: In der aktuellen DIHK-Konjunkturumfrage sehen zwei Drittel der Industrieunternehmen in hohen Energie- und Rohstoffpreisen ein Geschäftsrisiko – kein anderes Risiko wird zurzeit häufiger genannt.
Unternehmen in der Gummi- und Kunststoffindustrie, im Holzgewerbe, in der Glas-, Keramik- und Steineverarbeitung sowie im Papiergewerbe gaben zu über 80 Prozent an, dass die Preise zum Geschäftsrisiko werden könnten. Zum Vergleich: Zu Jahresbeginn waren es in allen diesen Branchen unter 65 Prozent der Unternehmen gewesen.
Dass sich vor allem die verarbeitende Industrie Sorgen macht, ist dabei nicht überraschend. Die Preise für Vorleistungsgüter stiegen mit 17,1 Prozent besonders stark. Dabei kosteten vor allem Eisenerze (plus 97,4 Prozent), Rohkupfer (plus 49,9 Prozent) sowie gesägtes und gehobeltes Holz (plus 43,9 Prozent) deutlich mehr. "Hauptgrund für den starken Anstieg der Preise für Eisenerz und infolgedessen der Preise für Roheisen, Stahl und Ferrolegierungen dürfte die weiterhin starke weltweite Nachfrage sein", führten die Statistiker aus.
Unternehmen geben Preisanstieg an Kunden weiter
Der Rohstoffmangel und die Lieferprobleme stehen somit auch der Erholung nach der Coronakrise im Wege. "Viele Unternehmen warten deutlich länger auf bestellte Rohstoffe und Vorprodukte, sodass Auftragsbücher oftmals nicht abgearbeitet werden können. Teilweise sehen sich die Unternehmen sogar gezwungen, ihre Produktion zu drosseln oder gar zu stoppen – die aktuellen Hochwasserschäden bei Betrieben und Transportrouten in Deutschland verstärken dies zusätzlich", sagt Treier.
Die Unternehmen versuchten, sich der unsicheren Situation anzupassen – durch neue Lieferanten oder Lagerungen. Doch das sind nur Übergangslösungen. "Wegen der nun über Monate andauernden Lieferengpässe sehen sich viele Unternehmen mittlerweile auch gezwungen, Preiserhöhungen an ihre Kunden weiterzugeben", sagt Treier.
BDI: "Immer größeres Problem für die deutsche Industrie"
Auch beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) geht man davon aus, dass hohe Energiekosten, Lieferengpässe und knappe Rohstoffe ein immer größeres Problem für die deutsche Industrie werden.
"Die Corona-Pandemie sowie die derzeitigen geringen Transportkapazitäten führen zu hohen Mehrkosten für Transporte über den Seeweg, steigenden Rohstoffpreisen und erheblichen Lieferverzögerungen. Das verursacht Störungen in den Produktionsabläufen", heißt von Seiten des Verbandes.
Eine große Sorge gelte dabei auch den Handelspartnern: "Selbst wenn Deutschland gut durch eine vierte Welle käme, muss das bei wichtigen europäischen und internationalen Handelspartnern nicht der Fall sein", heißt es vom BDI. So habe jüngst die Krise am chinesischen Hafen von Yantian gezeigt, wie anfällig die weltweiten Lieferketten sind. Durch Corona-bedingte Quarantäneregeln war es dort zu Engpässen gekommen (t-online berichtete).
- Eigene Recherche
- Material der Nachrichtenagentur Reuters
- Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes
- Gespräche mit dem BDI und DIHK
- DIHK-Konjunkturumfrage