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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Umfrage zeigt Deutsche investieren ihr Geld kaum nachhaltig
Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, muss sich die Wirtschaft dramatisch wandeln – auch und gerade der Finanzsektor. Doch nur ein kleiner Teil der Bevölkerug legt sein Geld bisher nachhaltig an.
CO2 hat jetzt einen Preis, wer ein E-Auto kauft, bekommt Geld dazu, und immer mehr Menschen steigen von Fleisch auf Gemüse um: Der Kampf gegen die Klimakrise wird an vielen Fronten geführt. Auch die Finanzwirtschaft muss ihren Teil dazu beitragen.
Allerdings sind nachhaltige Geldanlagen noch weitgehend unbekannt. Das zeigt eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Kantar im Auftrag des Bundesverbands deutscher Banken, die t-online exklusiv vorliegt. Demnach haben zwar 42 Prozent der Menschen in Deutschland schon von nachhaltigen Geldanlagen gehört, rund ein Drittel von ihnen weiß aber nicht, was sich dahinter verbirgt. Hier ist es auch an den Banken, ihre Kunden besser zu informieren.
40 Prozent glauben, Nachhaltigkeit kostet Rendite
Weil das Wissen oft noch fehlt, legen auch nur wenige Deutsche ihr Geld nachhaltig an. Gerade einmal acht Prozent gaben an, ökologisch zu investieren. Allerdings ist die Bereitschaft, dies in Zukunft zu tun, deutlich größer: Knapp ein Viertel kann sich vorstellen, sein Geld künftig nachhaltig anzulegen.
Das deckt sich mit Ergebnissen einer weiteren Studie zum Thema, die t-online exklusiv vorliegt. Wie das Umfrageinstitut Yougov im Auftrag der Dekabank ermittelt hat, des Wertpapierhauses der Sparkassen, besitzen 23 Prozent der Deutschen noch keine nachhaltigen Geldanlagen, wollen aber innerhalb der nächsten drei Jahre darin investieren.
Spannend dabei: Das Interesse an nachhaltigen Geldanlagen besteht, obwohl knapp 40 Prozent davon ausgehen, dass es sie Rendite kosten werde. Dabei zeigen wissenschaftliche Untersuchungen, dass sich Rendite und Nachhaltigkeit nicht automatisch ausschließen. Oft war es in der Vergangenheit sogar umgekehrt.
Bankenverband: "Mehr Klimaschutz geht nur mit den Banken"
Die erwartete höhere Nachfrage nach grünen, sozialen und ethischen Geldanlagen macht das Thema auch für Banken attraktiver. Neben den kleineren Instituten, deren Geschäftsmodell schon seit jeher auf Nachhaltigkeit fußt, springen inzwischen auch die Großen der Branche auf den Zug auf. So sieht der Bankenverband ein großes Potenzial bei nachhaltiger Geldanlage.
"Mehr Klimaschutz geht nur mit den Banken, denn er wird sehr viel Geld kosten", sagte Torsten Jäger, Leiter Nachhaltigkeit beim Bankenverband, gegenüber t-online. "Unsere Kundinnen und Kunden, aber auch die Banken haben hier einen riesengroßen Hebel in der Hand."
Jüngere verlangen nachhaltige Produkte
Ein klarer Trend zeichnet sich vor allem bei den Jüngeren ab. 48 Prozent der 18-29-Jährigen gaben an, in den kommenden drei Jahren erstmals oder weiterhin Geld nachhaltig investieren zu wollen. Bei den 45-59-Jährigen sind es hingegen nur 31 Prozent, bei den 60-75-Jährigen sogar nur 24 Prozent.
"Wir haben es mit einer Generation nachwachsender Kleinanleger zu tun, die anspruchsvoll und informiert sind", so Jäger. "Für Banken ist es Herausforderung und Ansporn zugleich, für diese jungen Kundinnen und Kunden überzeugende nachhaltige Angebote anzubieten."
GLS stellt Ernsthaftigkeit mancher Anbieter infrage
Eine Bank, die dieses Ziel schon länger verfolgt, ist die Umweltbank GLS, die als Vorreiterin für nachhaltige Geldanlage gilt. Dass die Gesellschaft langsam umdenke, spiegelt sich auch in ihren Geschäftszahlen wider. "In unseren aufgelegten GLS Fonds verwalten wir mittlerweile über eine Milliarde Euro. Das Interesse ist groß, sowohl bei Kleinanlegern als auch bei institutionellen Investoren", sagte GLS-Vorständin Christina Opitz t-online.
Die Entwicklung hin zu mehr Nachhaltigkeit am Finanzmarkt begrüßt sie grundsätzlich, weil die Klimaziele andernfalls nicht eingehalten werden könnten. "Allerdings sollte die Ernsthaftigkeit der Anbieter aus Kundenperspektive hinterfragt werden", so Opitz.
Nachhaltige Fonds können Öl-Produzenten enthalten
Ein Problem bei nachhaltigen Geldanlagen ist bisher ihre Vielfalt. So arbeiten manche Anbieter mit Ausschlusskriterien, verzichten also etwa auf Waffen- oder Tabakunternehmen, andere nutzen den "Best in Class"-Ansatz, bei dem zum Beispiel auch ein Öl-Produzent als nachhaltig gelten kann – wenn er denn nur besser ist als seine Konkurrenten.
Wer als Kunde sicher wissen will, was sich hinter einer als nachhaltig verkauften Geldanlage verbirgt, sollte sich daher vorab gut informieren. Allerdings könnte selbst das nicht immer ausreichen, so Niels Nauhauser, Abteilungsleiter Altersvorsorge, Banken und Kredite bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. So werben Geldinstitute mitunter mit vorgeblich grünen Anlagen, die bei näherer Betrachtung so grün gar nicht seien.
Gesetzliche Definition für Nachhaltigkeit fehlt
"Verbraucher können nicht ausschließen, Greenwashing auf den Leim zu gehen", sagt Nauhauser. "Das liegt an der fehlenden gesetzlichen Definition von 'grünen' oder 'nachhaltigen' Geldanlagen und an der fehlenden behördlichen Überwachung der Angaben der Anbieter, auf deren Grundlage die Nachhaltigkeitsbewertung beruhen."
Die EU-Kommission will Abhilfe schaffen und hat Ende April ein Maßnahmenpaket vorgelegt, mit dem klarer werden soll, was als nachhaltig gilt. Kritisiert wird daran jedoch, dass sich die Regeln zu sehr auf den ökologischen Aspekt konzentrierten, während soziale und ethische Fragen weniger berücksichtigt würden. Nauhauser ist skeptisch, ob diese sogenannte EU-Taxonomie, wie es offiziell heißt, tatsächlich dazu beitragen kann, Geldanlage nachhaltiger zu machen.
"Es wirken auch Interessen der Finanzlobby auf die EU ein, die kein Interesse daran haben, Greenwashing zu verhindern, sondern ein Interesse an Absatzförderung", sagt er. "Schließlich können sie mit grünen Produkten bei den Verbrauchern höhere Entgelte durchsetzen."
- Eigene Recherche
- Studie des Bankenverbands
- Studie der Dekabank
- Gespräch mit Torsten Jäger
- Gespräch mit Christina Opitz
- Gespräch mit Niels Nauhauser