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Corona-Krise: Was bleibt von der Fußgängerzone nach der Pandemie noch übrig?


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Insolvenzen im Handel
"Wir werden nicht alle Städte retten können"


Aktualisiert am 06.02.2021Lesedauer: 8 Min.
Die Bremer Innenstadt im Januar 2021: Im Corona-Lockdown müssen fast alle Läden schließen – einige wohl für immer.Vergrößern des Bildes
Die Bremer Innenstadt im Januar 2021: Im Corona-Lockdown müssen fast alle Läden schließen – einige wohl für immer. (Quelle: Chris Emil Janßen/imago-images-bilder)
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Immer mehr Handelsketten geraten durch Corona in Schieflage und kündigen an, Geschäfte zu schließen. Das hat Folgen – nicht zuletzt für Deutschlands Innenstädte.

Adler, Promod, Douglas: Die Liste der großen Einzelhandelsketten, die Corona zur dauerhaften Schließung ihrer Läden treibt, wird immer länger. Längst hat es auch die ganz Großen erwischt: Mit Galeria Karstadt Kaufhof kämpft die bekannteste Warenhausmarke Deutschlands um ihre Existenz, der Modegigant H&M plant, 250 Geschäfte in Deutschland aufzugeben.

Zwar lief das stationäre Geschäft bei einigen der genannten Unternehmen schon vor der Pandemie nicht mehr berauschend, weil immer mehr Menschen lieber online von der Couch als vor Ort im Laden shoppten. Die Corona-Krise aber wirkt wie ein Katalysator: Denn im Lockdown merken selbst jene Verbraucher, die einst gern bummeln gingen, wie praktisch der Einkauf im Netz ist.

Für den Einzelhandel hat das schwerwiegende Folgen. Weitere Insolvenzen drohen, Millionen Angestellte müssen um ihre Jobs bangen. Doch auch für unsere Innenstädte und den Immobilienmarkt können die Konsequenzen fatal sein. Denn dort, wo bis vor einem Jahr noch Läden, Cafés und Kaufhäuser Kunden anzogen und Menschen zusammenbrachten, könnten schon bald Tausende leer stehende Ladenlokale und Kaufhäuser einen tristen Anblick abgeben.

Stirbt mit Corona die Fußgängerzone? Was bedeutet eine mögliche Pleitewelle beim Handel für den Immobilienmarkt? Und wo werden wir in Zukunft unsere Socken kaufen? t-online ist diesen Fragen nachgegangen, hat mit Experten, Verbänden und Vertretern von Kommunen gesprochen. Ein Report mit den wichtigsten Fragen und Antworten.

Welche Läden machen definitiv dicht?

Neben einzelnen Restaurantketten wie Maredo haben aktuell vor allem Modegeschäfte angekündigt, Standorte aufzugeben. Einige Ketten wie Promod wollen sogar sämtliche Filialen in Deutschland schließen. Folgende Liste gibt Auskunft über die einzelnen Marken und den Umfang der Schließungen:

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Welche Ketten könnte es noch treffen?

Das kommt darauf an, bis wann sich der harte Lockdown noch zieht. Je länger die Schließungen der Geschäfte andauern, desto größer die Zahl der Läden, die nie mehr öffnen werden, schätzt der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes HDE, Stefan Genth. "Dauert der Lockdown bis Ostern an, wäre das für den Einzelhandel ein Fiasko", sagte er t-online. "Schon jetzt kämpft jeder zweite vom Lockdown betroffene Händler ums Überleben – und wir reden nicht nur über kleine Läden, sondern auch über weitere große Ketten."

Christian Rusche, Ökonom am arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW), sieht das ähnlich, widerspricht aber in einem Punkt. Er glaubt: "Vor allem kleine, inhabergeführte Innenstadtläden werden dichtmachen." Große Ketten werde es dagegen nicht vermehrt treffen, da sie größere finanzielle Polster haben. "Galeria Karstadt Kaufhof oder Maredo waren vor Corona schon angeschlagen", so Rusche. "Sollte der Lockdown nicht noch Monate dauern, können die übriggebliebenen Ketten vermutlich durchhalten."

Auch Modeketten mit älterer Zielgruppe betroffen

Dennoch gilt als sicher, dass es weitere Insolvenzen geben wird. Über konkrete Namen lässt sich dabei nur spekulieren, aussprechen will sie niemand. Fakt ist: Auch lokale, mittelständische Platzhirsche könnte es treffen, Geschäfte mit einer langen Tradition.

Ein wichtiger Faktor, der dabei eine Rolle spielt, lässt sich am Beispiel der insolventen Modekette Adler beobachten. Adler spricht eine relativ alte Kundschaft an – wer dort einkauft, ist häufig schon älter als 65, also Teil der größten Risikogruppe. In der Corona-Pandemie wagen sich viele dieser Menschen deshalb nicht mehr vor die Tür. Lernen selbst sie nun, wie leicht sich vieles im Netz bestellen lässt, drohen weitere Ketten mit einer ähnlichen Zielgruppe pleitezugehen.

Sterben allerdings gerade Läden für Ältere, kann das laut dem Institut für Handelsforschung (IFH) weitere Folgen haben – vor allem für die Innenstädte. Denn: Als treueste Anhänger der City erwiesen sich einer neuen IFH-Studie zufolge Kundinnen und Kunden der Generation 50+. Aus der Sicht jüngerer Konsumenten bis 25 Jahre lassen die Innenstädte dagegen viele Wünsche offen. Sie kommen deshalb deutlich seltener zum Einkaufen in die Stadtzentren als noch vor vier Jahren.

Welche Läden wird es auch nach Corona noch geben?

Zunächst einmal all jene, die aktuell noch geöffnet haben und deshalb keine Verluste machen. Also Supermärkte und Drogerien wie Rossmann, Müller oder dm. Bei allen anderen Geschäften lautet die Antwort: Die, die es schaffen, ihr Angebot anzupassen, neue Geschäftsfelder zu entdecken – und vor allem: die noch genügend Kapitalreserven haben.

Denn bislang fließen die Abschlagszahlungen der staatlichen Überbrückungshilfen nur spärlich. "Dem Einzelhandel geht die Luft aus", sagt HDE-Chef Genth. "Das Geld muss erstens schneller fließen und zweitens in größeren Abschlägen ausgezahlt werden, sonst geht es vielen Unternehmen an den Kragen."

Das fordert auch Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages. Zwar beobachte er, dass viele Händler mit "klugen Konzepten ihr Geschäft zumindest teilweise aufrecht" erhielten. "Das kann aber nur einen Teil der Verluste ausgleichen", sagt er.

"Davon lässt sich nicht einmal die Ladenmiete bezahlen"

Laut Zahlen des HDE haben inzwischen 80 Prozent der Händler in Deutschland "alternative Vertriebswege" aufgebaut, also Onlineshops oder die Möglichkeit, Warenbestellungen per Telefon entgegenzunehmen. Andere bieten sogenannte "Click and Collect"-Systeme an, bei denen Kunden ihre Schuhe, Parfüms oder Mäntel im Geschäft abholen können.

"Durch diese neuen Wege aber erwirtschaften die meisten Händler gerade einmal fünf bis zehn Prozent des Normalumsatzes", so Genth. "Davon lässt sich oft nicht einmal die Ladenmiete bezahlen. Hinzu kommt: Der Versandhandel birgt neue Kosten, da viele Kunden nicht bereit sind, das Porto zu übernehmen und die Waren meist auch kostenfrei zurückschicken wollen. In diesem Fall machen die Händler oft sogar Verluste."

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Was heißt das für die Arbeitnehmer?

Käme es wirklich zu einem Massensterben der Geschäfte, könnten nach Angaben des HDE eine Viertelmillion Menschen arbeitslos werden. Auch die Gewerkschaft Verdi schlägt Alarm. "Die Menschen haben jetzt durch den Lockdown und das Kurzarbeitergeld Existenzängste“, sagt Orhan Akman, Leiter der Verdi-Bundesfachgruppe Einzel- und Versandhandel.

Die Lage sei dabei aber nicht erst seit der Corona-Pandemie angespannt. Allein im Textileinzelhandel haben laut Verdi seit 2019 rund 28.500 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz verloren. Das entspricht einem Anteil von fast zehn Prozent aller Angestellten in diesem Teilsegment – und es könnten mehr werden: "Durch die Ankündigungen weiterer Schließungen stehen Tausende zusätzliche Stellen zur Disposition", so Akman.

Ökonom: Viele Beschäftigte werden für Amazon Pakete packen

Zuletzt etwa machte die Modekette H&M Schlagzeilen mit ihren Kürzungsplänen. 800 Stellen will die Kette streichen – nach Angaben der Gewerkschaft sollen vor allem junge Mütter, Langzeitkranke und Schwerbehinderte den Konzern verlassen.

Akman fordert daher die Politik auf, regulierend einzugreifen. "Ich will nicht, dass Unternehmen die Corona-Pandemie als Vorwand nehmen, um ihre Pläne des Personalabbaus weiter durchzusetzen“, sagt der Gewerkschafter deutlich.

Was all die potenziellen neuen Arbeitslosen machen werden, wenn sie ihren Job verloren haben, ist offen. Eine Theorie: Die Verschiebung des Handels ins Internet wird auch Folgen auf dem Arbeitsmarkt haben. IW-Ökonom Christian Rusche: "Viele Beschäftigte aus dem Einzelhandel werden künftig Pakete beispielsweise für Amazon packen oder ausliefern."

Wie werden wir künftig shoppen?

Kurze Antwort: noch mehr online und noch weniger im Laden. Das zumindest ist der Trend, der sich bereits seit Jahren abzeichnet und der durch die Corona-Krise noch verstärkt wird. Ein Problem für die Innenstädte, wie Städtetag-Chef Dedy nur zu gut weiß. "Die Innenstadt ist heute nur noch eine von vielen Einkaufsmöglichkeiten", sagt er. Wer Elektrogeräte oder Sportartikel kaufen möchte, könne das alles auch bequem vom Sofa aus im Internet bestellen.

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Diese Entwicklung prognostiziert auch der Handelsverband. "Wegen des veränderten Einkaufsverhaltens müssen sich auch die Händler anpassen", so HDE-Hauptgeschäftsführer Genth.

Mit Blick auf den stationären Handel heiße das: "Wie in den USA werden sie auch in Deutschland mehr Showrooms aufbauen. Die Menschen werden weiter für die Beratung in die Läden kommen, sie schauen sich die Sachen vor Ort an – werden sie dann aber viel öfter als vor der Krise bequem nach Hause bestellen."

HDE-Chef: Vielen Warenhäusern droht Abriss

Die Folge: Es braucht deutlich weniger Gewerbeflächen in der Stadt. Gerade in die Jahre gekommene große Kaufhäuser werden mittelfristig vielerorts überflüssig. Genth sagt: "Die großen Warenhäuser bleiben wichtig, können sich aber nicht an allen Standorten halten. Wenn solche Immobilien aufgegeben werden müssen, lassen sie sich nicht mehr einfach umbauen und sanieren. Da droht an vielen Stellen der Abriss, die Flächen werden überflüssig."

Rosiger könnten die Zeiten hingegen wieder für Einkaufsstraßen abseits der Stadtzentren werden, schätzt Kristina Pors, Handelsexpertin beim EHI Retail Institute. "Wenn es weniger Pendler gibt und Arbeitnehmer dank Homeoffice mehr Zeit und Gelegenheit haben, ihre unmittelbare Umgebung zu nutzen, könnten sich attraktive Viertel entwickeln."

Was bedeutet der Leerstand für den Immobilienmarkt?

Einem Gutachten des Zentralen Immobilienausschusses (ZIA) zufolge sind Leerstände in vielen Innenstädten und Shoppingcentern unvermeidbar. Selbst Einzelhandel-Immobilien in Toplagen seien immer weniger nachgefragt. "Auf lange Sicht kann Leerstand zwar dazu führen, dass Mietpreise sinken. Diese Tendenz sehen wir bereits", sagt EHI-Expertin Pors. "Allerdings kann man nicht ohne Weiteres jede Immobilie umnutzen."

Die bereits erwähnten Filialen von Galeria Kaufhof Karstadt befänden sich beispielsweise in sehr tiefen Gebäuden. "Da kommt gar nicht überall Licht hinein. Man kann also nicht einfach Wände ziehen und Wohnungen oder Büros daraus machen", so Pors. Heißt also: Es müssen andere Ideen her, Konzepte der Kommunen.

Dedy vom Städtetag hat das Problem bereits erkannt. "Um Leerstände zu vermeiden, kann helfen, dass Städte eine Zeit lang selbst Eigentümer von Schlüsselimmobilien werden", sagt er. Zwischennutzungen, etwa von aufgegebenen Kaufhausfilialen, würden dann möglich.

So könnten neue Konzepte erprobt werden. "Die Städte brauchen dafür aber rechtssichere Instrumente und die notwendigen finanziellen Möglichkeiten. Helfen würde etwa, wenn Bund und Länder die Mittel für die Städtebauförderung erhöhen", sagt Dedy.

Wie sieht die Innenstadt der Zukunft aus?

Wahrscheinlich sehr anders – und das kurz- wie langfristig. Sollte der Lockdown tatsächlich bis Ostern anhalten, könnte nach Einschätzung des Handelsverbandes jeder zweite Händler in Deutschland vor dem finanziellen Aus stehen.

Die Folge: Läden, die bis vor Weihnachten noch geöffnet hatten, blieben dann schon im Sommer für immer zu. Vom einstigen Trubel in mancher Fußgängerzone bliebe dann nicht mehr viel übrig. Boris Hedde, Geschäftsführer des IFH, sagt deutlich: "Wir werden nicht alle Städte retten können. Hier braucht es massive Investitionen von Staat und Kommunen.“

Sollte dieses Geld nun in die Hand genommen werden, hätten viele Innenstädte eine Perspektive. Eines steht fest: Langfristig sehen sie deutlich anders aus. "Künftig steht in Innenstädten nicht mehr nur das Einkaufen im Vordergrund – sondern auch der Freizeitaspekt", sagt er. Das heißt: "In Innenstädten muss es deutlich mehr Kulturangebote oder Spielplätze geben."

Innenstädte könnten bunter werden

Auch Schulen und Büros könnten künftig in der Fußgängerzone liegen. Ebenso möglich: Eine Fußgängerzone, in der sich ein Kindergarten an ein Seniorenheim anschließt, das neben dem erwähnten Ausstellungsraum eines Möbelhauses liegt. "Ikea hat bereits eigene Citystores eröffnet", sagt Hedde. "Das wird es künftig öfter geben."

Ähnlich stellt sich auch der Spitzenverband der Immobilienwirtschaft ZIA die Innenstadt der Zukunft vor. In seinem Herbstgutachten 2020 prophezeit er einen bunten Mix aus Einkaufen, Arbeiten, Gastronomie, Dienstleistungen, Kunst, Kultur und Wohnen. "Eine solche Mischung wäre ideal", sagt Kristina Pors vom EHI, das an dem Gutachten mitgearbeitet hat. "Mononutzung ist nie erstrebenswert. So können beispielsweise innerstädtische Straßenzüge ohne Wohnbevölkerung insbesondere nachts unsichere Orte sein."

Grundsätzlich orientiere sich eine gute Stadt am Bedarf der Menschen. Bürgerbeteiligung sei deshalb unumgänglich. "Die Innenstädte müssen zusehen, wie sie Menschen zusammenbringen", sagt Pors. Das könne über Events gelingen, die für viele Gruppen interessant seien. "Außerdem müssen Städte ein Ambiente schaffen, in dem man sich wohlfühlt."

"Innenstädte werden vor allem gleicher aussehen"

Auch Städtetags-Geschäftsführer Dedy weiß, dass City und Stadtteilzentren wieder attraktiver werden müssen. "Derzeit sind die Innenstädte zu sehr vom Einzelhandel abhängig", sagt er. "Wir wollen mehr Raum für Wohnen, Arbeiten, Produktion in der Innenstadt schaffen. Und wir wollen verstärkt Handwerk, Kultur und soziale Einrichtungen in zentrale Lagen holen."

Doch wird das wirklich gelingen? Nicht alle sind so optimistisch. IW-Ökonom Rusche malt ein anderes Bild: "Die Innenstädte werden vor allem gleicher aussehen. In vielen Citylagen wird es künftig nur noch große Ketten geben – oder schlimmstenfalls nur Amazon-Abholläden."

Damit das nicht geschieht, braucht es Geld – und das nicht zu knapp, so HDE-Chef Genth: "Wir brauchen einen großen Fonds, in den jährlich 500 Millionen Euro zur Städtebauförderung fließen, damit wir unsere Innenstädte umbauen können."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth
  • Gespräch mit Städtetags-Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy
  • Gespräch mit EHI-Handelsexpertin Kristina Pors
  • Gespräch mit IW-Ökonom Christian Rusche
  • Gespräch mit IFH-Geschäftsführer Boris Hedde
  • Gespräch mit Verdi-Funktionär Orhan Akman
  • ZIA-Herbstgutachten 2020
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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