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Zum journalistischen Leitbild von t-online.BER-Chef Zum Start des Pannenflughafens: "Wir machen einfach auf"
In einer Woche geht – endlich – der neue Hauptstadtflughafen BER ans Netz. Sein Chef Engelbert Lütke Daldrup erklärt, warum der Bau so lange gedauert hat – und was sich im Luftverkehr wegen Corona ändern muss.
Pannen-Airport, Fluchhafen, Chaos-Baustelle: Über die Jahre hat der nicht mehr ganz so neue Hauptstadtflughafen BER viele Spitznamen bekommen – und Deutschland und Berlin auf der ganzen Welt viel Hohn und Spott eingebracht. Insgesamt fünf Mal musste seine Eröffnung seit dem ersten geplatzten Start im Mai 2012 verschoben werden.
Das alles soll ab kommendem Samstag Geschichte sein: Am 31. Oktober soll der BER endlich ans Netz gehen. Und dieses Mal wirklich. Zu verdanken ist das nicht zuletzt dem aktuellen Geschäftsführer der Flughafengesellschaft, Engelbert Lütke Daldrup.
Nachdem vor ihm drei Manager, darunter Ex-Bahn-Chef Hartmut Mehdorn, an den Kabelsträngen, Entrauchungsanlagen und Dübeln auf Deutschlands bekanntester Baustelle gescheitert waren, ist er es nun, der möglich macht, was viele für unmöglich hielten. t-online sprach mit Lütke Daldrup über den Weg zur endgültigen Eröffnung, über die Zukunft des Luftverkehrs, die Bedeutung von Champagner – und seinen ersten Flug vom BER.
t-online: Herr Lütke Daldrup, am nächsten Samstag geschieht ein Wunder: Der Berliner Großflughafen BER eröffnet – mehr als acht Jahre nach dem ursprünglich geplanten Termin. Wie groß sollte das Denkmal sein, das die Stadt Ihnen errichten muss?
Engelbert Lütke Daldrup: Mir geht es um den Flughafen Berlin Brandenburg "Willy Brandt", nicht um Denkmäler.
Haben Sie denn wenigstens Champagner kaltgestellt?
Nein.
Puh. Sie können sich doch freuen! Feiern Sie diesen historischen Tag denn gar nicht?
Natürlich ist die Eröffnung ein wichtiges Ereignis...
...da sind wir jetzt fast schon beruhigt, dass Sie das genauso sehen...
...aber es gibt keine Party. Denn noch viel wichtiger ist, dass sich der BER kurz- und mittelfristig bewährt. Das heißt: Wir müssen in den nächsten Wochen und Monaten zeigen, dass der Flugbetrieb wirklich funktioniert. Und langfristig müssen wir die Corona-Krise überwinden. Immerhin erleben wir die größte Krise des Luftverkehrs seit dem Zweiten Weltkrieg.
Den Champagner gibt es also erst in ein paar Wochen?
Um Sie endgültig zu beruhigen: Ich werde auch später keinen Champagner aufmachen. Nachdem wir so lange gebraucht haben, dieses Projekt endlich fertigzustellen, ist wirklich keine Zeit für Partys. Wir machen einfach auf.
Trotzdem: Sie haben immerhin geschafft, woran sogar Sanierer wie Hartmut Mehdorn gescheitert sind. Sind Sie wenigstens ein bisschen stolz auf sich?
Ich bin stolz auf mein Team. Es hat harte Jahre hinter sich. Es gab viele Absagen der BER-Eröffnung. Ein Teil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat trotzdem mit viel Einsatz die beiden Berliner Flughäfen Tegel und Schönefeld am Netz gehalten. Ein anderer Teil hat gleichzeitig darum gekämpft, die Baukatastrophe am BER in Ordnung zu bringen und das Gebäude endlich fertigzustellen. Darauf können wir durchaus stolz sein.
Wie ist es eigentlich, die schlimmste Baustelle Deutschlands zu verantworten?
Als ich diesen Job vor rund dreieinhalb Jahren übernehmen sollte, haben mir fast alle abgeraten. Ich habe es trotzdem gemacht, und ich wusste, dass es ein schweres Stück Arbeit wird. Mir war auch klar, dass die politische Gemengelage mit den drei Gesellschaftern Bund, Berlin und Brandenburg kompliziert ist. Und ich wusste, dass das Projekt von einer breiten Öffentlichkeit kritisch beobachtet wird.
Der BER-Vollender
Engelbert Lütke Daldrup, geboren 1956, ist seit 2017 Geschäftsführer der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg (FBB). Zuvor hat der promovierte Ingenieur, Spitzname "Drängelbert", in verschiedenen Funktionen als Stadtentwickler und Raumplaner gearbeitet – unter anderem für die öffentlichen Verwaltungen von Leipzig und Berlin. Lütke Daldrup ist langjähriges SPD-Mitglied. Nach einer Station als Staatssekretär im Bundesministerium für Bau und Verkehr war er zuletzt als Flughafen-Staatssekretär des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Michael Müller, tätig.
Was haben Sie nach Ihrem ersten Arbeitstag im März 2017 gedacht?
Die ersten drei Monate habe ich nur damit verbracht, mir einen Überblick zu verschaffen, die Risiken zu analysieren und einen Zeitplan zu erstellen. Im Herbst 2017 haben wir dem Aufsichtsrat schließlich gesagt, dass wir noch drei Jahre brauchen – und dass das noch mal viel Geld kosten wird. So kam es dann auch.
Ein Problem war das Dickicht an Firmen, die an immer neuen Plananpassungen viel Geld verdienten, also gar kein Interesse an einer schnellen Fertigstellung hatten. Wie schwierig war das Aufräumen?
Da will ich fair bleiben: Auch vor mir haben bereits einige Menschen dieses Problem angepackt, ich habe nicht bei Null angefangen. Aber vieles haben wir erneut geprüft, uns von einigen Dienstleistern getrennt und Verträge mit Partnern angepasst. Alles mit dem Ziel, dass wir einen verlässlichen Zeitplan aufstellen und vor allem einhalten können.
Sie sind Experte für Großbauten. Haben Sie in dieser Zeit trotzdem noch etwas gelernt?
Ich wusste vorher nicht so viel über Dübeltragsysteme. Im Ernst: Natürlich lernt man jeden Tag dazu.
Was sind denn Dübeltragsysteme?
Da geht es um die in unterschiedlichen Wänden verbauten bisher zugelassenen Dübel und die damit befestigten Kabeltrassen, die am BER in Teilen plötzlich nicht mehr der neuen Norm entsprachen. Ich habe mich aber jenseits technischer Fragen auch oft gewundert, welche Blüten das deutsche Regulierungswesen treibt.
Zum Beispiel?
Etwa, dass sich die deutschen Baunormen in den vergangenen 20 Jahren vervierfacht haben. Wenn man – wie wir – sehr streng geprüft wird, ist das schon ein extrem kleinteiliger Prozess. Wir haben mehr als 20.000 Mängel allein bei der Brandmeldeanlage und der Sicherheitsbeleuchtung abarbeiten müssen. Das hat mehr als drei Jahre gedauert. Hunderte Menschen waren damit beschäftigt. Man kann am BER sehen, was es bedeutet, wenn man eins zu eins das deutsche Normenwerk umsetzt. Das dauert lange und kostet sehr viel Geld.
Heißt das umgekehrt, dass beim Bau anderer Gebäude nicht so sehr auf die Details geachtet wird?
Nein, aber in Brandenburg gilt die strengste Bauordnung der Republik. Für den BER würde ich sagen: Dieses Flughafenterminal ist das bestgeprüfte Gebäude Deutschlands.
Haben Sie auf dem Weg zum bestgeprüften Gebäude Deutschlands manchmal gedacht, es wäre besser, den BER abzureißen und neu zu bauen?
Nein. Auch wenn dieser Unsinn immer wieder erzählt wird, bleibt er Unsinn. Das Grundgerüst stand und war intakt. Wir mussten nur hinter den Doppeldecken und in den Technikgeschossen fast alles erneuern. Deshalb ist die Technik des BER state of the art.
Man könnte allerdings auch sagen, dass Berlin 2020 einen Airport eröffnet, dessen Architektur und Innengestaltung 20 Jahre alt ist.
Die Architektur ist wie bei allen Gebäuden Jahre vor Fertigstellung entworfen worden. Wir haben sie aber auch deshalb respektiert, weil wir das Terminal für sehr schön, elegant und transparent halten. Die Tausenden Menschen, die den Betrieb bereits als Tester simuliert haben, bestätigten das übrigens.
Bis auf die Mülleimer, die als zu klein kritisiert wurden.
Deshalb sind sie jetzt zwar nicht mehr ganz so schön designt, dafür aber größer und funktional.
Ein letzter Blick zurück: Wer trägt die Verantwortung für eines der größten Baudesaster in der Geschichte des Landes?
Grundsätzlich gilt: Die Verantwortung für den Bau des BER trug und trägt zu jedem Zeitpunkt die Geschäftsführung.
Die Corona-Pandemie trifft den Luftverkehr hart. Trotzdem rechnen Sie damit, dass die Passagierzahlen in wenigen Jahren wieder das Vorkrisenniveau erreicht haben werden. Ist das angesichts der Diskussionen um den Klimaschutz überhaupt wünschenswert?
Komplizierte Frage.
Wenn Sie den BER eröffnet bekommen, werden Sie die auch beantworten können.
Zunächst einmal haben wir eine Aufgabe: Wir müssen sicherstellen, dass die Hauptstadtregion und ganz Ostdeutschland mit Europa und der Welt verbunden sind. Dienstreisen lassen sich durch digitale Angebote wie Videotelefonie teilweise vermeiden. Das wird auch passieren. Ein digitaler Urlaub aber ist sinnlos. Die Menschen wollen verreisen, Freunde und Verwandte besuchen. Das ist ein Recht, das wir niemandem absprechen sollten. Dafür braucht es den Flugverkehr.
Gilt das auch für innerdeutsche Flugverbindungen?
Inwieweit wir innerdeutschen Flugverkehr benötigen, hängt davon ab, ob die Bahn in der Lage ist, attraktive Alternativen zu schaffen. Nicht jede Flugreise innerhalb von Deutschland ist sinnvoll. Aber es gibt eben auch viele Distanzen, auf denen die Bahn für die meisten Menschen nicht konkurrenzfähig ist. Und da wird das Fliegen weiter eine große Rolle spielen.
Rechnen Sie mit weiteren Initiativen, um das Fliegen unattraktiv zu machen – zum Beispiel Mindestpreisen für Tickets?
Die Politik hat erst einmal eine ganz andere Aufgabe: Wenn wir so gut wie keinen internationalen Flugverkehr haben, kommt unsere global vernetzte Ökonomie nicht wieder auf die Beine. Die derzeitige Situation, in der es kaum Interkontinentalflüge und innereuropäische Verbindungen gibt, halten wir wirtschaftlich nicht lange durch.
Das klingt jetzt nach: bloß keine weiteren Belastungen. Da sagen Ihre Parteifreunde aus der SPD aber etwas anderes.
Das mag ja sein. Doch aus heutiger Sicht ist die Luftverkehrssteuer ein geradezu absurdes Instrument, weil es durch Corona einen so starken Rückgang an Flügen gegeben hat, wie sich das die größten Klimaschützer nie hätten vorstellen können. Deshalb muss es jetzt doch darum gehen, die Krise des Luftverkehrs zu überwinden.
Wann wissen wir, ob es gelungen ist?
Wenn klar ist, dass die großen Airlines und die wichtigen Flughäfen überleben.
Machen Sie sich Sorgen um die Lufthansa?
Ich mache mir Sorgen um die gesamte Branche. Diese Krise ist tiefgreifend, und es ist offen, ob noch alle Airlines und Flughäfen nach Ende dieser Krise bestehen. Unser Problem sind nicht nur die weggebrochenen Einnahmen, sondern auch unsere hohen Fixkosten. Als Flughafen müssen wir von der Feuerwehr bis zur Sicherheitskontrolle fast alles dauerhaft vorhalten, damit überhaupt geflogen werden kann. Dass sich das derzeit nicht trägt, ist offensichtlich.
Die entscheidende Frage ist, ob die guten alten Zeiten jemals zurückkommen. Haben Sie mal durchgerechnet, um wie viel Prozent die Dienstreisen dauerhaft zurückgehen könnten?
Wir erwarten in Berlin erst bis 2024 wieder das Vorkrisenniveau, also rund 36 Millionen Passagiere pro Jahr. Wahrscheinlich wird der Anteil der Privatreisen bis dahin größer geworden sein – und der Anteil der Dienstreisen geringer. Denn im Segment der Geschäftsreisen gibt es erhebliche Veränderungen, die übrigens schon vor Corona eingesetzt haben.
Berlin träumt seit Langem davon, ein internationales Drehkreuz zu werden. Weil es hier traditionell weniger Dienstreisen als etwa in Frankfurt oder München gibt: Entwickeln Sie sich also zum Drehkreuz für Privatreisen?
Zumindest haben wir ab November die Infrastruktur dafür. Das war bisher nicht so. In Tegel mussten wir viel improvisieren. Und so richtig gut hat das Umsteigen dort nicht funktioniert.
Will denn überhaupt irgendeine Fluggesellschaft Berlin zu ihrem Drehkreuz ausbauen?
Was die großen europäischen Anbieter angeht, bin ich skeptisch. Die haben alle schon ihre Hubs. Und die Lowcost-Airlines haben ein anderes Modell der direkten Punkt-zu-Punkt-Verbindungen.
Was bleibt dann als Hoffnung?
Wir haben sehr gute Verbindungen innerhalb Deutschlands und Europas. Das wollen wir nutzen, um mehr Interkontinentalflüge zu etablieren. Dass Reisende dann im Zweifel die Airline wechseln müssen, ist angesichts der Fortschritte bei der Digitalisierung kein Hindernis. Mit unserem neuen Produkt „ViaBER“ unterstützen wir den Transfer, auch beim Gepäck.
Hoffentlich zu beiden Destinationen. Das Problem bei China ist nicht der fehlende Markt, sondern das sind die begrenzten Verkehrsrechte. Wir würden gern mehr Flüge anbieten, die sind aber auf fünf pro Woche begrenzt. Dabei gibt es eine große Nachfrage, etwa nach einer Verbindung nach Shanghai. Das Gleiche gilt für den Mittleren Osten. Emirates würde gern nach Berlin fliegen, sogar in Corona-Zeiten, darf es aber nicht. Angesichts dieser Restriktionen fühlen wir uns zu Recht benachteiligt. Eine so schlechte interkontinentale Anbindung ist der deutschen Hauptstadt nicht würdig.
Das haben allerdings schon Ihre Vorgänger vor Jahren beklagt. Gibt es irgendeine Bewegung?
Nein. Das Bundesverkehrsministerium bevorzugt eher den süddeutschen Raum.
Das würden Andreas Scheuer und seine Vorgänger aber zurückweisen.
Mag sein, es ist aber so. Zum Glück gibt es zunehmend Druck aus der Wirtschaft, dass es nicht akzeptabel ist, den gesamten ostdeutschen Raum weiter vom Interkontinentalverkehr abzuhängen. Letztlich braucht Deutschland drei internationale Flughäfen: Frankfurt, München – und Berlin.
Haben Sie das Andreas Scheuer auch schon so deutlich gesagt?
Natürlich. Ich sage ihm regelmäßig, dass wir als Flughafen unsere Hausaufgaben gemacht haben und die Infrastruktur steht. Und ich erinnere den Minister auch an die Worte der Bundeskanzlerin, die bei einem Besuch in den Vereinigten Arabischen Emiraten gesagt hat: Wenn der Berliner Flughafen fertig ist, wird es auch entsprechende Flugrechte geben. Ich erwarte vom Bundesverkehrsminister, dass er dieses Versprechen einlöst.
Nicht weit vom BER eröffnet Tesla im nächsten Jahr eine Gigafactory, die wahrscheinlich noch schneller gebaut wird als die entsprechende Anlage in Shanghai. Was läuft bei der Gigafactory besser als bei Ihrem Flughafen?
Darf ich dazu zwei Beispiele nennen?
Bitte.
Als ich zwischen 1995 und 2005 Stadtbaurat in Leipzig war, haben wir dort ein großes BMW-Werk angesiedelt. Das wurde sogar noch etwas schneller eröffnet als die Gigafactory in Grünheide. Wobei ich mit diesem Hinweis die Leistung von Tesla und Brandenburg nicht schmälern will.
Und das zweite Beispiel?
Der Flughafen München ging 1992 ans Netz. Wissen Sie, wann es erste Planungen dafür gab?
Wahrscheinlich schon in den Siebzigerjahren.
Fast. Das Projekt startete Anfang der 60er. Was ich damit sagen will: Jedes Projekt hat seine eigene Geschichte. Und Flughäfen sind besonders komplex und oft in der Nachbarschaft umstritten. Deshalb sollte man die Bauzeit der Gigafactory von Tesla auch nicht mit dem BER vergleichen. Selbst dann nicht, wenn wir wie geplant 2012 eröffnet hätten.
Das ist gar nicht unser Punkt. Wir würden nur gern wissen, was wir bei größeren Bauprojekten grundsätzlich von Tesla in Grünheide und BMW in Leipzig lernen können.
Unser Problem in Europa ist, dass wir inzwischen so komplexe Planungsverfahren haben, dass unser Bautempo nicht einmal mehr ansatzweise international wettbewerbsfähig ist. Niemand wünscht sich Verhältnisse, wo der Staat baut, ohne sich um die betroffenen Bürger oder die Umwelt zu scheren. Aber wir könnten deutlich effizienter sein.
Nur wie?
Schnellere Planungsverfahren wird es nur geben, wenn wir bei Normen und Regeln nicht immer weiter aufrüsten, sondern echte Abrüstungsverhandlungen führen.
Da sind Sie nicht der Erste, der das fordert. Passiert ist bislang allerdings wenig.
Deshalb fordere ich ja, dass wir grundsätzlicher an das Problem gehen. Das heißt: Wir müssen die ganze technische Detailplanung eines Großprojekts von der Grundsatzentscheidung, ob es realisiert werden soll, trennen.
Das müssen Sie genauer erklären.
Nehmen Sie die Schweiz. Dort entscheidet das Volk darüber, ob der Gotthard-Tunnel gebaut werden soll. Das ist die Grundsatzentscheidung. Wird sie bejaht, machen sich die Experten an die technische Detailplanung. Bei uns dagegen wird alles miteinander verbunden. Und die Grundsatzentscheidung, ob etwa eine neue ICE-Trasse gebaut wird, fällt erst, wenn auch das letzte Detail des letzten Quadratzentimeters Lärmschutzwand geklärt ist. Und im Zweifel klagt sich jemand durch alle Instanzen und man muss wieder von vorne anfangen.
Wir machen es uns also selbst unnötig schwer?
Ja. Und wir haben ein System, bei dem jeder sein sektorales Interesse maximieren kann, obwohl es bei Großprojekten häufig um Fragen des Gemeinwohls geht.
Fordern Sie, dass die Deutschen auch über Großprojekte abstimmen?
Bei Stuttgart 21 war der Volksentscheid sehr hilfreich, auch wenn er viele Jahre zu spät kam. Aber er ist natürlich nur eine Möglichkeit, zu einem frühen Zeitpunkt eine Grundentscheidung zu treffen. Wir können auch den gesetzgeberischen Weg einschlagen. Hauptsache, wir beschleunigen endlich die Prozesse.
Können wir dann auch vermeiden, dass öffentliche Bauten eigentlich fast immer teurer werden als geplant?
So pauschal stimmt das nicht. Das Erweiterungsterminal des BER zum Beispiel und das Regierungsterminal haben nicht mehr gekostet als veranschlagt. Das Terminal 2 haben wir zudem in einer Rekordbauzeit von zwei Jahren fertiggestellt.
Die sind aber auch deutlich kleiner als das Hauptgebäude.
Je größer ein Vorhaben, desto komplexer ist es. Und desto größer sind die Risiken. Aber es gibt sowohl im öffentlichen als auch privaten Sektor havarierte Bauprojekte. Denken Sie an die Elbphilharmonie, die privat gebaut wurde. Oder an manche Firma, die sich mit Großprojekten wie etwa einem Stahlwerk verhoben hat. Die Frage ist weniger, wer der Bauherr ist, sondern wie gut ein Projekt geplant und umgesetzt wurde.
Wo geht denn eigentlich Ihr erster Flug vom BER hin?
Das weiß ich nicht, weil ich noch keinen gebucht habe.
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Haben Sie denn schon ein Ziel im Blick?
Ein bisschen Urlaub könnte ich tatsächlich mal wieder gebrauchen.
Wir danken Ihnen für das Gespräch, Herr Lütke Daldrup.
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