Medienbericht Flüchtiger Wirecard-Manager: Führt die Spur nach Minsk?
Wo versteckt sich der frühere Wirecard-Manager Jan Marsalek? Laut einem Medienbericht führt seine Spur nach Weißrussland. Angeblich unterhielt der Österreicher Kontakte zu Geheimdiensten in der Region.
Nach seiner fristlosen Entlassung ist Jan Marsalek untergetaucht. Zunächst vermutete man ihn in Übersee. Doch nun gibt es neue Hinweise: Der flüchtige Ex-Vorstand des Münchner Finanzdienstleisters Wirecard könnte sich in Weißrussland versteckt halten. Halfen dabei Kontakte zu russischen Diensten?
Wie der "Spiegel" nach eigenen Angaben in Recherchen mit den Investigativplattformen "Bellingcat" und "The Insider" sowie mit dem US-amerikanischen "McClatchy Report" herausfand, taucht Marsaleks Name im russischen Ein- und Ausreiseregister auf. Das Register schließt auch Weißrussland mit ein, da es zwischen beiden Staaten keine Grenzkontrollen gibt.
Marsalek landete den Angaben zufolge in der Nacht vom 18. auf den 19. Juni, also bereits Stunden nach seiner Freistellung, auf dem Flughafen der weißrussischen Hauptstadt Minsk. Einen Eintrag für eine Ausreise des flüchtigen Managers gibt es demnach nicht, weshalb davon auszugehen sei, dass er sich weiter in Weißrussland oder in Russland aufhalte.
Wie genau Marsalek nach Weißrussland gekommen sein könnte, ist dem "Spiegel"-Bericht zufolge unklar. Zu seiner Einreise sei in den russischen Datenbanken keine Flugnummer vermerkt. Es finde sich lediglich ein Hinweis auf einen "Einmalflug".
Philippinische Beamte legten falsche Spur
Marsalek ist eine Schlüsselfigur in dem milliardenschweren Bilanzskandal um Wirecard. Er war bei dem Finanzdienstleister für das Tagesgeschäft zuständig. Ursprünglich hieß es, der Österreicher habe sich nach Auffliegen des Skandals auf die Philippinen abgesetzt und sei von dort weiter nach China gereist. Allerdings stellte sich heraus, dass die Daten auf den Philippinen von Einwanderungsbeamten gefälscht wurden, um eine falsche Spur zu legen.
Nach Angaben des "Spiegel" nährten die neuen Erkenntnisse den Verdacht, dass Marsalek engere Kontakte zu russischen Geheimdiensten unterhalte. Mehrfach habe der Manager laut dem Magazin mit seinen Verbindungen nach Russland geprahlt. Auch habe er unter Händlern und Investoren Papiere herumgereicht, die die russische Version vom Gift-Anschlag auf den russischen Ex-Agenten Sergej Skripal belegen sollten. Nach Erkenntnissen westlicher Dienste kam der Auftrag für den Anschlag klar aus Russland.
Erdichtete Gewinne
Wirecard hatte im Juni eingeräumt, dass in der Jahresbilanz 1,9 Milliarden Euro fehlen und das Geld bei zwei philippinischen Banken vermutlich gar nicht existiert. Anschließend hatte der Dax-Konzern Insolvenz angemeldet. Die Staatsanwaltschaft München I ermittelt gegen Marsalek, Ex-Vorstandschef Markus Braun und andere wegen Verdachts unrichtiger Angaben und Marktmanipulation.
Einer der wichtigsten Beschuldigten in dem Fall, der Ex-Chef der Wirecard-Tochter Cardsystems Middle East, bot den Ermittlern jüngst eine Kooperation an. Sein Anwalt erklärte dazu am Freitag: "Mein Mandant hat sich freiwillig dem Verfahren gestellt und steht – im Gegensatz zu anderen – zu seiner individuellen Verantwortung." Der Strafverteidiger betonte, dass er nicht von einem Geständnis gesprochen habe.
Die Cardsystems Middle East spielte eine zentrale Rolle bei den mutmaßlichen Scheingeschäften, mit denen bei Wirecard die Bilanzen aufgebläht wurden. Wie aus der Bilanz der Konzernmuttergesellschaft Wirecard AG für das Jahr 2018 hervorgeht, meldete dieses Unternehmen einen erheblichen Teil der verbuchten Gewinne, während die große Mehrheit der übrigen Wirecard-Gesellschaften Verluste schrieb. Doch diese vermeintlichen Gewinne der Cardsystems in Dubai waren mutmaßlich in Gänze oder zumindest zum allergrößten Teil erdichtet.
- Bericht des "Spiegel"
- Nachrichtenagenturen AFP, dpa