Umwälzungen der Elektro-Revolution Endspiel in der Autobranche
Fiat Chrysler und PSA fusionieren zu einem neuen Auto-Giganten. Experten rechnen damit, dass dieser Zusammenschluss nicht der letzte sein wird. Was das für kleinere Autohersteller bedeutet.
In der Automobilindustrie schrillen die Alarmglocken: Just zu der Zeit, da die Konzerne enorme Summen in die künftige Mobilität stecken und die Konjunktur ohnehin schwächelt, denkt die EU wegen der Klimakrise über eine weitere Verschärfung der CO2-Vorgaben nach.
"Wir werden in den kommenden Jahren eine Autoindustrie erleben, in der es Unternehmen gibt, die einfach nicht mehr mithalten können", sagt Arndt Ellinghorst vom Investmentberater Evercore ISI. Das Kleinwagensegment werde immer schwieriger, da die Kosten der CO2-Regulierung nicht weitergegeben werden könnten. "Klassische Zulieferer werden immer mehr in die Zange genommen, da die Hersteller sparen müssen."
Sparzwang lässt Konzerne enger zusammenrücken
Um die Ertragskraft aufzupäppeln, streichen Audi und Daimler und Zulieferer wie Continental und Bosch in den nächsten Jahren bereits Tausende Jobs. Das geschieht auch deshalb, weil beim Bau von Elektroautos weniger Teile benötigt werden.
Branchenexperten erwarten, dass der Sparzwang die Branche noch enger zusammenrücken lassen wird, um sich die enormen Investitionen für den Wandel zu Anbietern klimaschonenderer Mobilität leisten zu können. Die Fusion von Fiat Chrysler mit der französischen Opel-Mutter PSA dürfte erst der Auftakt für eine neue Konsolidierungswelle sein, glauben Branchenexperten.
100 Milliarden Euro Investitionskosten – im Jahr
Die weltweit erforderlichen Investitionen für alternative Antriebe, vernetzte und selbstfahrende Fahrzeuge schätzt Maxime Lemerle vom Kreditversicherer Euler Hermes auf mehr als 100 Milliarden Euro – pro Jahr. Der auf Branchenprognosen spezialisierte Analyst zeigt sich überzeugt, dass die meisten Autohersteller die CO2-Ziele bis Ende 2020 nicht einhalten werden und daher zur Zusammenarbeit mit Konkurrenten gezwungen sein werden.
"In irgendeiner Form wird in fünf Jahren deshalb praktisch jeder Autobauer mindestens Teil einer Partnerschaft, eines Entwicklungspools oder einer strategischen Kooperation sein – oder aufgekauft und fusioniert sein", sagt Lemerle.
Eric Heymann von der Deutschen Bank rechnet damit, dass es vor allem im Volumensegment mit den niedrigen Margen zu einer weiteren Konsolidierung kommen wird. "Unter dem Strich dürfte es in fünf Jahren etwas weniger eigenständige Hersteller in der Automobilindustrie geben", schätzt der Mobilitätsexperte. "Aber die heute führenden Unternehmen werden auch dann noch das globale Angebot bestimmen."
Einige Hersteller können nicht mehr mithalten
Elmar Kades vom Beratungsunternehmen AlixPartners verweist auf eine Faustregel, wonach Massenhersteller bis 2025 mindestens zehn Millionen Fahrzeuge auf die Waage bringen sollten, um die nötigen Skaleneffekte zu nutzen. "Das würde bedeuten, dass bei einem erwarteten Marktvolumen von weltweit über 100 Millionen Fahrzeugen zehn Spieler übrig bleiben werden. Vielleicht sogar weniger als das."
Derzeit gebe es weltweit 14 bis 15 größere Hersteller. Auch Premiumhersteller brauchten Größenvorteile, insbesondere bei der Elektrifizierung. Mit Fusionen in der automobilen Oberklasse rechnet Kades allerdings nicht. Adam Jonas von Morgan Stanley schätzt, dass von den 42 Automobilherstellern, die die Investmentbank weltweit abdeckt, in zehn Jahren nur fünf bis zehn Spieler übrig bleiben.
Nähe und Distanz
Der Grad, in dem sich Unternehmen verbünden, ist unterschiedlich. Einige Experten gehen davon aus, dass die Hersteller noch stärker kooperieren werden als bisher schon, um sich Entwicklungskosten zu teilen. Dabei gilt es, das eigene Markenimage zu erhalten, um für die Kundschaft unterscheidbar zu bleiben. Differenzierung wird im Zeitalter der Elektromobilität noch wichtiger, da der Verbrennungsmotor als Leistungsmerkmal wegfällt. An dessen Stelle tritt die Reichweite der Batterien.
Alles andere, womit sich ein Autobauer nicht von der Konkurrenz abhebt, was sich unter der Karosserie oder hinter den Bildschirmen im Cockpit verbirgt, wird durch Gleichteile ersetzt. "Bei den Herstellern hält die ökonomische Ratio Einzug. Nicht jeder muss alles selbst entwickeln", sagt Michael Muders, Fondsmanager bei Union Investment. "Es ist nicht ausschlaggebend, ob die Plattformen und Systeme von einem anderen Hersteller kommen."
VW kooperiert mit Ford
Volkswagen hat das Prinzip gleicher Teile mit seinen modularen Baukästen bis zur Perfektion entwickelt und setzt es nun auch bei Elektroautos ein. Dabei senkt der Konzern die Kosten über alle Marken hinweg und kann so die Investitionen in neue Technologien eher stemmen als andere.
Zudem haben sich die Wolfsburger den US-Autobauer Ford an die Seite geholt, dem sie in großem Stil Komponenten aus ihrem Elektrobaukasten MEB liefern. Dadurch fließen dem Konzern in den nächsten Jahren Milliarden zu. Und die Amerikaner profitieren ihrerseits davon, dass sie keine eigene E-Plattform entwickeln müssen.
Fusion von Fiat Chrysler und PSA
Muders hält vor allem kleinere Hersteller für gefährdet. Nach der Fusion von Fiat Chrysler und PSA zum weltweit viertgrößten Autokonzern könnte es für Renault schwierig werden, meint der Fondsmanager.
- Nachrichtenagentur Reuters