Kindheitstraum auf Schienen Modellbahn-Firma Fleischmann insolvent
In vielen Kinderzimmern war es lange eine Glaubensfrage: Die einen schworen auf Märklin, für andere kamen nur Eisenbahnmodelle von Fleischmann infrage. Aber trotz der gespaltenen Modelleisenbahn-Szene - beide Hersteller haben lange Zeit von der Faszination der Babyboomer-Generation für die Miniatur-Welten gut gelebt. Dabei stellte sich oft die Frage, wem Väter die oft aufwendig gestalteten Modellbahn-Landschaften eigentlich unter den Tannenbaum legten: ihren Kindern - oder nicht eher sich selbst. Oft hatten allein schon die Hochglanz-Kataloge der beiden Hersteller mit den neuesten Loks und D-Zugwagen Kultstatus.
15 Millionen Euro Umsatz
Die Zeiten sind längst vorbei. Märklin hat in den vergangenen 20 Jahren immer neue Krisen durchlebt, bevor das Unternehmen vor eineinhalb Jahren bei der Fürther Simba-Dickie-Gruppe unterkam. Und auch Fleischmann ist in den vergangenen elf Jahren unter dem Druck hoher Personalkosten immer stärker geschrumpft - von einst 600 Mitarbeitern auf zuletzt 33. Am Standort im bayerischen Landkreis Ansbach sind nur noch Entwickler, Konstrukteure und Marketingfachleute beschäftigt. Produzieren lässt das Unternehmen längst im Ausland. Zuletzt lag der Umsatz bei 15 Millionen Euro.
Jetzt, nachdem viele Fleischmann über den Berg glaubten, blieb dem Unternehmen nun doch ein Insolvenzverfahren nicht erspart. Unter dem Druck hoher Pensionslasten war die im fränkischen Heilsbronn sitzende Gebrüder Fleischmann GmbH Co KG zum Gang zum Konkursrichter gezwungen, wie der Sprecher des Fleischmann-Mutterunternehmens, der Salzburger Modelleisenbahn Gruppe, Michael Prock, sagte.
Produktion läuft weiter
Die bisherige Unternehmensführung versucht nun zusammen mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter Maximilian Breitling, das 128 Jahre alte Traditionsunternehmen zukunftssicher zu machen. Entlastet von Pensionszahlungen, die in solchen Fällen gewöhnlich vom Pensions-Sicherungs-Verein PSVaG übernommen werden, soll das Unternehmen in die Lage versetzt werden, "seinen Betrieb wirtschaftlich stabil fortzusetzen". Die Produktion von Loks, Wagen, Gleisen und Zubehör laufe unvermindert weiter, versicherte Prock.
Längst sind aber nicht nur die Modelleisenbahnbauer in Schwierigkeiten geraten. So hat auch das Boomspielzeug der 1960er und 1970er Jahre, die Carrera-Autobahn, turbulente Zeiten durchgemacht. Und erst im Juni musste der Kettcar-Hersteller Kettler Insolvenz anmelden. Firmengründer Heinz Kettler hatte das Unternehmen aus dem sauerländischen Ense nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem der führenden Hersteller von Sportgeräten, Fahrrädern und Gartenmöbeln ausgebaut. Das bekannteste Produkt ist bis heute das Tretauto Kettcar, bis das Unternehmen im Frühsommer wegen wirtschaftlicher Probleme die Notbremse ziehen musste.
Bei den Modellbahn-Herstellern beobachten Branchenkenner wie Steffen Kahnt vom Bundesverband des Spielwaren-Einzelhandelsverbandes (BVS) inzwischen eine "Stabilisierungsphase". Thomas Kohnen vom Händlerverband idee+spiel sieht das zwar ähnlich, glaubt aber auch: "Großes Wachstum ist da aber nicht drin."
500 Euro für eine digitale Lok
Nach seiner Ansicht hat das drei Gründe: Das Image der Modelleisenbahn sei angestaubt. Zudem sei das Angebot an Modellbahnprodukten zu groß und zu teuer. Eine digitale Lok koste leicht 500 Euro. "Wenn sich ein Kind als Modellliebhaber bekennt, kommt das einem Outing gleich", berichtet Kohnen. Modellbahnhersteller versuchen daher immer häufiger, das bei Kids beliebte Smartphone ins Spiel zu bringen.