Krisen-Sondersteuer IWF dementiert Pläne für Abgabe - Unruhe hält an
Sag niemals nie: Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat Pläne für eine Schuldensteuer dementiert. Die Diskussion über die Vermögensabgabe sieht jedoch sehr nach einem Testballon für einen neuerlichen Griff in die Taschen der Bürger aus. Unter Experten jedenfalls hat der Vorstoß Unruhe ausgelöst - und einige Politiker sind sogar dafür.
"Theoretisches Gedankenspiel" über Sondersteuer
In der Debatte über eine Zwangsabgabe für Sparer zum Abbau von Staatsschulden sieht sich der IWF missverstanden und rudert zurück. Die Idee einer solchen Abgabe auf Finanzvermögen, die in einem Finanzbericht vom Oktober auftaucht - und damit zufällig genau nach der Bundestagswahl - sei ein rein theoretisches Gedankenspiel, sagte eine IWF-Sprecherin der Nachrichtenagentur dpa: "Es gibt keine solche Forderung vom IWF."
Aus dem IWF hieß es, der kleine Kasten auf Seite 49 des Berichts "Fiscal Monitor" sei ausdrücklich keine Empfehlung. Der kurze Text greife lediglich die Diskussion über eine Vermögenssteuer auf und weise auf deren erhebliche Nachteile hin. In ihrer IWF-Publikation "Taxing Times" verwiesen die Autoren auf die extrem gestiegene Verschuldung der Staaten. Durch eine Vermögensabgabe von etwa zehn Prozent könnten die Schuldenstände von Euro-Ländern auf den Stand vor der Finanzkrise 2007 gedrückt werden.
Zehn Prozent auf Vermögen ab 250.000 Euro
Die "FAZ" legte in ihrer Online-Ausgabe nach: Als historische Beispiele habe der IWF auf Vermögensabgaben nach dem Ersten Weltkrieg und dem Zweiten Weltkrieg verwiesen.
Zudem erwähnte der IWF demnach einen Aufsatz des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), der im vergangenen Jahr eine zehnprozentige Abgabe auf Vermögen in Europa angeregt hatte. In Deutschland würde den Berechnungen zufolge eine einmalige Besteuerung aller privaten Vermögen oberhalb von 250.000 Euro etwa 230 Milliarden Euro einbringen. Das DIW hat inzwischen jedoch eine Kehrtwende eingelegt.
Dementi aus Berlin
Das Bundesfinanzministerium wollte zu den aktuellen IWF-Aussagen über eine Vermögensabgabe oder höhere Spitzensteuersätze nicht direkt Stellung nehmen.
Auf Anfrage der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) verwies das Ministerium nur auf jüngste Äußerungen von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), er wolle "ohne Steuererhöhungen und ohne neue Schulden auskommen".
Experten reagieren irritiert
Der österreichische Notenbankchef und EZB-Rat Ewald Nowotny warnte davor, die Menschen mit solchen Ideen zu irritieren. In einer Mitteilung der österreichischen Notenbank erklärte er: "Ich warne eindringlich davor, die Sparer zu verunsichern."
"Es handelt sich dabei um wirtschaftspolitische Verfahren, die in Kriegs- oder Nachkriegszeiten von Bedeutung waren. Für die derzeitige Lage in den entwickelten Industriestaaten ist eine solche Perspektive aber überhaupt nicht relevant und ist entschieden abzulehnen."
Der Vorschlag gehe in Richtung einer "verdeckten Vermögensbesteuerung, die wir aus guten Gründen ablehnen", sagte Union-Fraktionsvize Michael Meister auf Anfrage von "Handelsblatt Online".
Und weiter: "Auch eine Wiederholung solcher Vorschläge durch den IWF löst nicht das Problem, dass eine erneute private Gläubigerbeteiligung das Vertrauen der Kapitalmarktteilnehmer und Investoren zerstört."
Zustimmung bei SPD und Linken
Unterdessen gibt es auch Zustimmung: Der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) zeigte Sympathie für die Idee einer Vermögensabgabe zur Schuldentilgung. "Über die Frage einer einmaligen oder dauerhaften und entsprechend niedrigeren Abgabe müsste man reden. Es muss aber sichergestellt werden, dass nicht schon die ganz normale Alterssicherung betroffen wird", sagte Walter-Borjans "Handelsblatt Online".
Die Linkspartei will die Gedankenspiele des IWF sogar im bevorstehenden Europawahlkampf aufgreifen: "Eine Abgabe für Reiche ist der Königsweg aus der Krise. Die europäische Vermögensabgabe wird im Europawahlprogramm der Linken einen prominenten Platz bekommen", sagte der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, "Handelsblatt Online".
Abgabe nur für Krisenländer sinnvoll?
Manche Wirtschaftsexperten halten dagegen eine Zwangsabgabe für Sparer für ein geeignetes Instrument zum Schuldenabbau in den Euro-Krisenländern. "Sinnvoll könnte eine Vermögensabgabe für sehr hoch verschuldete Länder sein, deren Bürger über beträchtliche Finanzvermögen verfügen", sagte der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, im Gespräch mit "Handelsblatt Online".
Sie sollte jedoch selbst genutzte Immobilien aussparen, weil Hauseigentümer sonst gezwungen sein könnten, sich zu verschulden, um die Abgabe zu entrichten. "Außerdem sollten kleine Finanzvermögen nicht einer Vermögensabgabe unterworfen werden."
Der Steuerexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Stefan Bach, sieht dies ähnlich. In Staaten wie Griechenland oder Italien könne man Vermögensabgaben als "sinnvolle Instrumente" einsetzen, "um die explodierende Staatsverschuldung zu reduzieren oder die maroden Banken zu entschulden".
Beide Ökonomen sind der Ansicht, dass so etwas für Deutschland nicht infrage kommt. "Denn hierzulande zahlen die Bürger gemessen an ihren Einkommen viel Steuern, und die Staatsverschuldung liegt deutlich unter der Schwelle von 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts", erklärte Krämer.
Enteignung hat Tradition in Deutschland
Übrigens gibt es weitere Beispiele für eine Zwangsabgabe in Deutschland, die der IWF nicht erwähnte. Das "Handelsblatt" ergänzte, in der Weimarer Republik mussten alle Bürger, die am 1. Januar 1923 über ein Vermögen von mindestens 100.000 Reichsmark verfügten, Staatsanleihen kaufen.
Von den ersten 100.000 Mark Vermögen musste ein Prozent in Anleihen gesteckt werden, für größere Vermögen stieg der Satz bis auf zehn Prozent. Die Anleihen sollten von November 1925 an sukzessive zurückgezahlt werden, wurden aber wegen der Hyperinflation wertlos. Die Zwangsanleihe wurde somit zu einer Vermögensabgabe.
Und das ist noch nicht alles: Von August 1970 bis Juni 1971 forderte die sozialliberale Koalition einen "Konjunkturzuschlag" von zehn Prozent auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer. Dieser wurde zinslos bei der Bundesbank geparkt und von Juni 1972 an zurückgezahlt – ohne Ausgleich für die hohe Inflation, die 1971 beispielsweise 5,4 Prozent betrug.
Und der Finanzwissenschaftler Bernhard Scherer habe schon vor drei Jahren gewarnt, dass der Staat "dem Bürger in Zukunft Geld wegnehmen wird – etwa über eine Erbschaft- oder Vermögensteuer, Zwangsanleihen oder Inflation". Der Professor an der EDHEC Business School in London riet Anlegern daher, sich vor Enteignung zu schützen, indem sie ihre Depots auf verschiedene Länder verteilen.
Anleger werden unruhig
Entsprechend wächst bei Anlegern die Unruhe: "Die Empörung über die Gedankenspiele des IWF, mit einer Sonderabgabe auf Spareinlagen die Staatsschulden zu reduzieren, ist groß", sagte Bernd Hartmann, Chefstratege der Liechtensteiner VP Bank-Gruppe, im Gespräch mit der "FAZ".
Seiner Ansicht nach droht eine Enteignung aber nicht nur, sie finde vielmehr bereits statt, und zwar "über Maßnahmen der finanziellen Repression" durch real negative Zinsen, die zudem besteuert werden. "Der Effekt ist der gleiche: die Entschuldung des Staates zu Lasten des Anlegers." Der Griff des Staates in die Taschen der Anleger sei längst Realität.