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Fitness First erzürnt tausende Kunden mit Preiserhöhung


Kundenzorn
Fitness First gegen Billig-Verträge: Bauch, Beine, Schmu

Von spiegel-online
09.08.2013Lesedauer: 5 Min.
Fitness First zieht durch eine Preiserhöhung die Wut vieler Mitglieder auf sichVergrößern des Bildes
Fitness First zieht durch eine Preiserhöhung die Wut vieler Mitglieder auf sich (Quelle: imago/ manfred segerer)

Fitness First erzürnt seine Kunden. Tausenden Mitgliedern wurden plötzlich die Beiträge erhöht. Wer protestierte, dem schickte die Sportstudiokette auch mal die Kündigung. Hintergrund ist nach "Spiegel-Online"-Informationen ein rechtlich fragwürdiges Modell zur Profitmaximierung.

Kunden sprechen von Diebstahl

In einigen Filialen von Fitness First spielen sich derzeit unschöne Szenen ab. Frustrierte Kunden stürmen zum Empfangstresen, werfen dem Unternehmen "Diebstahl" vor. "Sie haben sich an meinem Konto vergangen", soll einer gebrüllt haben. Das Empfangspersonal, das normalerweise die meiste Zeit damit verbringt, Karten eintreffender Besucher zu scannen und Protein-Shakes zu mixen, wirke teils sichtlich überfordert, heißt es.

Grund für die Aufruhr ist ein Schreiben, das Fitness First, eine der größten Sportstudioketten der Welt, Mitte Juni an 2842 Kunden verschickt hat. In dem Brief, Betreff: "Wichtige Änderung zu Ihrer Mitgliedschaft", werden sehr kurzfristig Beitragserhöhungen angekündigt.

Erhöhung "im Sinne der Fairness"

Rund 55 Euro kostete die Fitness-First-Mitgliedschaft bislang im Durchschnitt. Nun sind es bei Tausenden Kunden im Schnitt zehn Euro mehr, bei manchen sind es gar 15 Euro mehr. Internen Unterlagen zufolge sind die Preise für manche Kunden mal eben um rund 20 Prozent gestiegen. Und das in vielen Fällen schon zum 1. Juli.

Die Erhöhung erfolge "im Sinne der Fairness", schreibt Fitness First den betroffenen Mitgliedern. Andere Kunden zahlten für denselben Service, den die Testkunden erhielten, teils weitaus mehr. In einem internen Briefing für Fitness-First-Mitarbeiter ist von "Gleichberechtigung" die Rede. Ziel der selektiven Preiserhöhung: "Die typischen Sauna-Gespräche - 'Ich zahle € 20 weniger als Du!' kommen deutlich weniger vor."

Kündigung und "Erpressung" nach Protest

Kunden, die gegen die Erhöhung protestierten, kündigte Fitness First bald darauf die Mitgliedschaft - hielt sich jedoch alle Optionen offen. "Das heißt nicht, dass wir Sie als Mitglied verlieren möchten!", versichert das Unternehmen im Kündigungsschreiben. "Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie Ihre Entscheidung noch einmal überdenken und uns zu den angebotenen neuen Preiskonditionen treu bleiben." Manche Kunden fühlten sich durch diese Wortwahl erpresst

Pilotversuch in sieben Studios

Fitness First räumt die Aktion auf Anfrage ein, betont aber, dass sie "nur ein Prozent" der insgesamt gut 270.000 Mitglieder betraf. Der Streit könnte sich allerdings bald verschärfen. Intern ist von einem Pilotversuch die Rede - die Beitragsanpassung, kurz BANP, solle auf weitere deutsche Clubs ausgeweitet werden. Offiziell teilt Fitness First mit, man habe darüber "noch nicht entschieden".

Fitness First war im März 2012 von den US-Finanzinvestoren Oaktree und Marathon Capital übernommen worden - seinerzeit drückten die britische Sportclub-Kette, die in Deutschland 88 Studios betreibt, rund 600 Millionen Euro Schulden. Oaktree und Marathon sind darauf spezialisiert, sanierungsbedürftige Firmen günstig zu erwerben, ihren Profit zu steigern und sie später mit Gewinn weiterzuverkaufen. Für solche Investoren hat sich der Begriff "Heuschrecke" eingebürgert

Mehr Geld, aber nicht mehr Mitglieder

In den deutschen Studios von Fitness First bremsen offenbar Sonderverträge den Profit. Abgeschlossen wurden diese meist im Rahmen von Aktionen wie dem Programm "Family and Friends", mit denen möglichst schnell möglichst viele neue Mitglieder gewonnen werden sollten.

Nun will Fitness First solchen Kunden die Beiträge erhöhen. Das Ziel: "mit gleich vielen (oder weniger) Mitgliedern mehr Umsatz zu generieren". Betroffen sei jeder Kunde, der "mindestens drei Euro" weniger zahle als den Referenzbetrag, den andere Mitglieder für dieselbe Leistung zahlten, heißt es in internen Unterlagen.

Mitte Juni startete die Aktion BANP in sieben Studios - betroffen waren je eine Filiale in Frankfurt, Stuttgart, München, Mainz und Pforzheim sowie zwei in Berlin. Zunächst reihte sich Fehler an Fehler.

Chaotisches Management

Das Projekt wurde kurzfristig anberaumt. Der für die Aktion zuständige Manager habe die betroffenen Studios erst gut eine Woche vor Start informiert, was genau auf sie zukomme, sagen Insider. Die Anschreiben, in denen Kunden über die geplanten Preiserhöhungen informiert werden, verschickte die Zentrale, wie aus einer internen E-Mail hervorgeht, selbst. Erst in diesem Moment verschickte die Zentrale zudem Listen an die sieben Studios, in denen stand, welche Kunden betroffen sind.

Schon kurz nach dem Versand zeigte sich, dass man irrtümlich auch bei Kunden die Beiträge erhöht hatte, bei denen man das gar nicht durfte. Also schickte man Entschuldigungsschreiben hinterher, in denen man versicherte, den Beitrag doch nicht zu erhöhen.

Schon am 1. Juli gab es neue Probleme. Wie aus einer E-Mail der Fitness-First-Zentrale hervorgeht, wurden den 2842 Testkunden zunächst die regulären Beiträge abgebucht. Das Unternehmen musste die zuständige Bank bitten, die Beitragserhöhung nachträglich abzubuchen. Dummerweise sei dies nun aber auch bei jenen Kunden geschehen, denen man gerade erst per Entschuldigungsschreiben versichert hatte, man werde ihren Beitrag nicht erhöhen, heißt es aus der Zentrale.

"Freundlichkeit ist eine Einstellungsfrage"

Die betroffenen Studios müssten sich auf ein "erhöhtes Nachfragevolumen" einstellen, heißt es in einer E-Mail. Für ihre Mitarbeiter wurden Anleitungen zum Krisenmanagement erstellt. "Das Mitglied möchte emotional ernst genommen werden", heißt es darin. "Freundlichkeit ist eine Einstellungsfrage. Kommt ein Mitglied mit einer Beschwerde zu Ihnen, begegnen Sie ihm mit einer ihm zugewandten und aufmerksamen Haltung." Andere Anleitungen lesen sich wie Rollenspiele - mit vorgefertigten Dialogen zwischen Mitarbeiter und Kunden.

Preiserhöhung unzulässig

Fitness First gibt auf Nachfrage an, es sei bei den Beitragserhöhungen "vereinzelt zu kleinen Prozessungereimtheiten gekommen". Die kurzfristige Umsetzung sei "in einer schnellen Branche wie unserer normal". Mitglieder, von deren Konten höhere Abbuchungen erfolgten, hätten diese "umgehend wieder gutgeschrieben" bekommen. Man werde "in Zukunft transparenter kommunizieren".

Verbraucherschützer indes halten das Vorgehen für das Gegenteil von transparent. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Fitness First sehen lediglich alle zwölf Monate eine Beitragserhöhung von 1,99 Euro vor. "Der bestehende Vertrag ist bindend", sagt Julia Rehberg, Rechtsexpertin von der Verbraucherzentrale Hamburg. Er müsse "aufgelöst und ein neuer mit dem Kunden abgeschlossen werden, damit die Beitragserhöhung durchgesetzt werden kann".

Doch die Firma Fitness First ging anders vor. Sie buchte den erhöhten Beitrag zunächst einfach von den Konten ihrer Kunden ab. Erst bei Widerspruch wurden bestehende Verträge teils gekündigt. Mancher Kunde fühlte sich durch dieses Vorgehen offenbar so unter Druck gesetzt, dass er die neuen Konditionen am Ende akzeptierte.

"Mehr als 75 Prozent haben sich trotz Anpassung entschieden zu bleiben", teilt Fitness First auf Anfrage mit. Man habe aber niemanden unter Druck gesetzt. "Viele der betroffenen Mitglieder haben unsere Beweggründe verstanden."

Widerspruch ist nötig

Für Gegenwehr ist es indes nicht zu spät. Die betroffenen Kunden sollten die Abbuchung einfach "durch die Bank rückgängig machen lassen und dann den berechtigen Beitrag überweisen", rät Verbraucherschützerin Rehberg. "Bis zum Ablauf der Kündigungsfrist müssen sie weiterhin nur den vertraglich vereinbarten Beitrag zahlen."

Fitness First räumt das auf Nachfrage ein. "Natürlich können wir kein Mitglied zu höheren Beiträgen zwingen", teilt das Unternehmen mit. "Das Mitglied hat gesetzlich das Recht, einer solchen Anpassung zu widersprechen."

Rehberg sieht auch das etwas anders. Aus ihrer Sicht ist nicht einmal ein schriftlicher Widerspruch gegen die Beitragserhöhung nötig.

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