Schuldenkrise Rating-Riese droht Deutschland mit Herabstufung
Standard & Poor's stellt den Großteil der Eurozone unter verschärfte Beobachtung. Die Ratingagentur kündigte am späten Montagabend eine Überprüfung der Kreditwürdigkeit von Deutschland und Frankreich sowie weiterer 13 Staaten der Währungsunion an. Der Ausblick wurde auf "negativ" gesenkt. Als Grund nannte die Agentur die Verschärfung der Krise der europäischen Gemeinschaftswährung. Im Falle einer Neubewertung könnte den betroffenen Ländern damit eine Herabstufung drohen. Am Dienstag nahm S&P den Euro-Rettungsschirm EFSF ins Visier.
In Gefahr ist das Langzeit-Rating der Euroländer. Das ist entscheidend für die Höhe der Zinsen, die ein Land für frisches Geld zahlen muss. Je schlechter die Bonität eines Schuldners ausfällt, desto höher fallen Zinsen für die Aufnahme neuer Schulden aus. Es wird so immer schwieriger und teurer, sich an den Kapital-Märkten mit frischem Geld zu versorgen - Geld, das etwa zur Finanzierung des Sozialstaats benötigt wird. S&P erklärte, bereits jetzt müsste eine steigende Zahl von Mitgliedern der Eurozone trotz guter Kreditwürdigkeit tiefer in die Tasche greifen.
S&P senkte auch den Ausblick des EFSF auf negativ und warnte mit einer Herabsetzung des AAA-Ratings um ein oder zwei Stufen. Das wäre ein weiterer Rückschlag für die Stabilisierung der Währungsunion.
Abstufung träfe auch Verbraucher
Werden die Euro-Staaten tatsächlich von der US-Ratingagentur herabgestuft, dürften Investoren auf längere Sicht für den Kauf von Staatsanleihen höhere Zinsen wegen höherer Risiken einfordern. Das dürfte in einem allgemeinen Zinsanstieg münden und damit dann auch zu Lasten von Unternehmen und Verbrauchern gehen, die am Markt Kredite aufnehmen. Wenn diese aber höhere Zinsen bezahlen müssen, bleibt ihnen weniger für Investitionen und den Konsum - das Wirtschaftswachstum kühlt sich ab.
Merkel und Sarkozy wollen Währungsunion reformieren
Berlin und Paris reagierten derweil relativ gelassen auf die Rating-Senkung des Ausblicks. Man nehme die Ankündigung zur Kenntnis, erklärten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy. Die von beiden Regierungen gemachten Vorschläge zur Reform der Währungsunion würden die haushalts- und wirtschaftspolitische Koordinierung der Eurozone stärken und so Stabilität, Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum fördern.
Deutschland und Frankreich seien entschlossen, gemeinsam mit ihren europäischen Partnern und den europäischen Institutionen alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, um die Stabilität der Eurozone zu gewährleisten, hieß es in einer gemeinsamen Stellungnahme. Zuvor hatten Merkel und Sarkozy ihre Pläne für eine Stärkung der Währungsunion vorgestellt. Sie umfassen automatische Strafen für Defizitsünder, die Schonung von Banken und das vorgezogene Aufspannen des dauerhaften Rettungsschirms ESM. Für ihren Pakt, der Vertragsänderungen erfordert, wollen beide auf dem EU-Gipfel am Ende der Woche das grüne Licht zumindest aller 17 Euro-Staaten erhalten. Bis März 2012 sollen die Verhandlungen abgeschlossen sein.
Die Analysten von S&P scheinen aber nicht überzeugt, dass die Versprechen auch fruchten. Die Probleme in der Eurozone hätten in den vergangenen Wochen ein Maß erreicht, das die Zone als Ganzes unter Druck setze, schrieben sie und beklagten, dass sich die europäischen Politiker weiterhin uneins seien, wie sie mit der Krise umgehen sollten.
Maximal 90 Tage Zeit
S&P beschränkte sich bei dem Warnschuss nicht darauf, den Ausblick für das Rating auf "negativ" zu senken, wie es üblich ist. Die Agentur wählte die schärfere Form des "CreditWatch with negative implications", was eine höhere Dringlichkeit der Überprüfung bedeutet. Frankreich droht sogar die Absenkung um bis zu zwei Stufen. S&P hat nun maximal 90 Tage Zeit, eine Entscheidung zu treffen. Die Agentur will auf jeden Fall noch den EU-Gipfel Ende der Woche abwarten.
Auch Staaten mit Bestnote müssen Herabstufung fürchten
Neben Deutschland und Frankreich besitzen auch die Niederlande, Österreich, Finnland und Luxemburg eine Topbonität von "AAA". Die meisten anderen Länder der Eurozone verfügen immerhin noch über eine gute oder sehr gute Bonität. Ein "befriedigend" haben Irland, Portugal und Zypern, wobei S&P das Rating von Zypern schon zuvor unter besondere Beobachtung gestellt hatte. Griechenland ist bereits auf Ramsch-Status abgerutscht; S&P hält die Wahrscheinlichkeit eines Bankrotts in naher Zukunft für "relativ hoch".
Der Chef der Eurogruppe, Jean-Claude Juncker, hat die drohende Herabstufung von 15 Ländern der Eurozone durch die US-Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) scharf kritisiert. Nahezu alle Eurostaaten mit einem negativen Ausblick zu versehen sei eine "unfaire" und "komplett exzessive" Entscheidung, sagte der Luxemburgische Regierungschef am Dienstag in einem Interview mit dem Deutschlandfunk.
Börsenkurse und Euro geben nach
Die asiatischen Börsen reagierten am Dienstag nervös auf die Zweifel von Standard & Poor's an der Kreditwürdigkeit der Eurozone. Der japanische Leitindex Nikkei verlor 1,4 Prozent auf 8575 Punkte. Der südkoreanische Kospi ging um 1,2 Prozent auf 1902 Zähler zurück, der Hang-Seng-Index in Hongkong gab nach. Der australische Leitindex sank um 1,3 Prozent auf 4321 Zähler. Auch der DAX zeigte eine schwächere Tendenz. Der Kurs des Euro sank unter die 1,34-Dollar-Marke.
Analysten sind nicht zufrieden
Analysten bemängelten zudem, dass noch immer keine Pläne vorlägen, wie weiteres Wirtschaftswachstum in der Eurozone generiert werden könne und auf welche Art und Weise die öffentlichen Ausgaben auf lange Sicht reduziert werden sollen. "Wenn das alles ist, sind das wirklich schlechte Nachrichten für die Zukunft des Euro", sagte der Chefökonom des Londoner Forschungsinstituts Centre for European Reform, Simon Tilford, zu den Plänen von Merkel und Sarkozy.
Experten stellten auch die Fähigkeit der Eurozone infrage, eine laxe Ausgabenpolitik ihre Mitglieder künftig zu unterbinden. "Wenn du es nur entschieden und häufig genug sagt, glauben es die Leute vielleicht", sagte Guy LeBas vom Finanzdienstleiter Janney Montgomery Scott. "Im Moment aber glauben die Märkte 'Merkozy' nach meiner Einschätzung noch nicht."