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9-Euro-Ticket und Tankrabatt: Scheitert das verrückte Sommerexperiment?


Meinung
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Entlastungspaket
Scheitert jetzt der 9-Euro-Ticket-Versuch?

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 24.05.2022Lesedauer: 3 Min.
Andrang am Bahnsteig (Symbolbild): Die Bahn rechnet mit vollen Nahverkehrszügen wegen des 9-Euro-Tickets.Vergrößern des Bildes
Andrang am Bahnsteig (Symbolbild): Die Bahn rechnet mit vollen Nahverkehrszügen wegen des 9-Euro-Tickets. (Quelle: ZUMA Wire/imago-images-bilder)

9-Euro-Ticket, Tankrabatt, Energiepauschale: Der Bund nimmt in der Preiskrise Milliarden in die Hand. Damit mag sich die Regierung beliebt machen. Vernünftig sind die Pläne dennoch nicht.

Es ist erst seit ein paar Stunden zu haben, aber immerzu ausverkauft: Das 9-Euro-Monatsticket für den Regionalverkehr geht so gut, dass die Internetseiten der Anbieter in die Knie gehen (t-online berichtete). Die Bahn muss ab Juni zusätzliche Züge einsetzen, sonst könnte es zu eng werden in den Abteilen. Eine gute Idee ist das Super-Sonderangebot dennoch nicht. Es ist ein Experiment.

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Bundestag und Bundesrat haben das Energiepaket der Bundesregierung in der vergangenen Woche beschlossen. Neben dem Monatsfahrschein zum Minipreis sollen die Bürger einen Energiezuschuss von bis zu 300 Euro bekommen.

Der Benzinpreis an der Tankstelle soll ebenfalls für drei Monate um bis zu 35 Cent für den Liter Benzin, um rund 17 Cent für den Liter Diesel sinken. Die Kritik an diesen Maßnahmen ist laut. Zu Recht.

Diese Probleme gibt es bei dem Paket

1. Dass fossile Treibstoffe teuer werden, kommt der Ampel-Regierung eigentlich gelegen, es ist sogar Regierungsprogramm. Deutschland wird seine Klimaziele nur erreichen, wenn der Verbrauch an Öl und Gas deutlich zurückgeht. Nur wenn die Abrechnungen der Hausverwaltung und an der Tankstelle weh tun, nimmt der Umstieg vom Verbrenner- auf den Elektromotor Fahrt auf, werden Öl- und Gasheizungen tatsächlich ausgemustert. Ein Tankrabatt dagegen gibt das gegenteilige Signal.

2. Ärmere Menschen haben in der Regel keine Autos, Reiche dagegen fahren besonders große Wagen. Mit dem Tankrabatt findet so etwas wie eine Umverteilung von unten nach oben statt, die weniger Begüterten zahlen mit ihren Steuern für die üppigen Tankrechnungen der Wohlhabenden mit. Das Argument, der Staat helfe mit dem Benzinkostenzuschuss den besonders betroffenen Pendlern, ist zwar auch richtig. Doch er unterscheidet nicht zwischen denen, die sich ausgezeichnet selbst helfen können, und denen, die dazu nicht in der Lage sind.

3. Beim Energiezuschuss, der ebenfalls Teil des Pakets ist, wird das zwar berücksichtigt. Weil er Teil des steuerpflichtigen Einkommens ist, werden Reiche nicht so stark bezuschusst wie Ärmere. Doch hier wird eine ganze Gruppe ausgeschlossen, die die Hilfe bei den Heizkosten möglicherweise besonders dringend braucht: Ausgerechnet Rentner sollen nicht profitieren. Das ist nicht nur ungerecht. Es verletzt auch das Gebot, dass vor dem Gesetz alle Bürger gleich sind. Richtig wäre, denen zu helfen, die die Heizkosten alleine nicht mehr bezahlen können.

4. Nur auf den ersten Blick sieht das beim 9-Euro-Ticket besser aus. Doch hier werden die Bewohner von Städten und dicht besiedelten Regionen bevorzugt, während die Bevölkerung auf dem Land außen vor bleibt. Busse fahren hier selten, die Bahn meist gar nicht: Um das Billigticket voll auszunutzen, muss man schon in der Großstadt wohnen und ausführliche Wochenendtrips planen können.

5. Ein Vierteljahr lang sollen die Wohltaten ausgeschüttet werden. Ende August könnte alles wieder beim Alten sein – egal, wie teuer Öl und Gas dann sind. Es ist zu erwarten, dass die Preise zum Winter hin noch einmal deutlich steigen – zumal dann, wenn es ein Energieembargo gegen Russland geben wird, oder wenn Russland seine Lieferungen einstellt. Politisch gibt es für diese Zeit noch keine Antworten, nur ein paar Ideen: Ein Einkaufskartell will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck schmieden – ob das zustande kommt, nur der Verteilung oder auch dem Preismanagement dienen soll, ist noch nicht bekannt.

Ein gesellschaftlicher Großversuch

Das Paket ist nicht nachhaltig. Dauerhaft kann und soll die Bundesregierung den Verbrauch fossiler Energien nicht bezuschussen. Künftige Preisausschläge werden wohl direkt weitergereicht werden müssen – auch, weil Finanzminister Christian Lindner (FDP) sein politisches Schicksal an das Einhalten der Schuldenbremse vom Jahr 2023 geknüpft hat.

Diese Schwächen sind der Regierung natürlich bekannt. Deshalb hat sie das Paket als Experiment ausgeflaggt, an dem sie lernen wolle. Über drei Monate hinweg will sie herausfinden, ob und wie viele Bundesbürger vom Auto in Bus und Bahn umsteigen könnten. Sie zählt mit, wie sich staatliche Preisgestaltung auf Verbrauch und Sparsamkeit auswirken.

Doch die Aktion ist auch ein gesellschaftlicher Großversuch: Wie reagieren Bürger und Wähler, wenn sie im September mit neuen Preissprüngen konfrontiert werden? Wird ein Energieembargo zu einer Zerreißprobe führen? An den Ergebnissen wird sich die Ampel nicht nur orientieren, wenn sie sich für eine mögliche Wiederwahl bewirbt.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Ihr neues Buch heißt: Die Kanzlerin. Porträt einer Epoche.

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