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Weltwirtschaft: Ukraine-Krieg, Inflation, Corona – da braut sich was zusammen


Meinung
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Weltwirtschaft
Da braut sich was zusammen

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 17.05.2022Lesedauer: 3 Min.
Nervöse Händler an der New Yorker Börse: Die Finanzmärkte würden von einer Weltwirtschaftskrise empfindlich getroffen.Vergrößern des Bildes
Nervöse Händler an der New Yorker Börse: Die Finanzmärkte würden von einer Weltwirtschaftskrise empfindlich getroffen. (Quelle: reuters)
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Ukraine-Krieg, Inflation, Corona – und dann legt die Globalisierung auch noch den Rückwärtsgang ein. Weltweit wachsen die Risiken für eine Rezession. Die könnte uns alle treffen.

Als die britische Königin im Jahr 2008 – etwas ungnädig – die besten Ökonomen ihres Landes fragte, warum in Gottes Namen niemand von ihnen die Finanzkrise vorhergesehen hatte, zuckten die Wirtschaftswissenschaftler einigermaßen ratlos mit den Achseln. Erst ein halbes Jahr später rückten sie mit einer Antwort heraus: Man habe vorher alle einzelnen Risiken für die Wirtschaft erkannt. Aber niemand habe das ganze System im Blick gehabt. Das werde nicht wieder vorkommen.

In den nächsten Wochen und Monaten wird sich herausstellen, ob Wissenschaftler und Politiker es diesmal besser machen. Wie zu Zeiten der Weltfinanzkrise sind die einzelnen Gefahrenstellen offensichtlich – aber ob und vor allem wo sich das Ganze zu einem neuen Lehman-Brothers-Moment, einer neuen Großkrise verdichtet, ist nicht ausgemacht. Folgende sechs Risiken sind besonders bedrohlich für die Weltwirtschaft.

Erstens: Der Ukraine-Krieg hat die Energie- und Rohstoffpreise in ungeahnte Höhen getrieben. Die Wirtschaftssanktionen gegen Russland schaden auch den Urhebern schwer. Sich wirtschaftlich von Russland (und China) unabhängig zu machen und neue Lieferanten zu finden, ist zwar notwendig. Doch die Neuorganisation wird Zeit brauchen, vor allem aber wird sie wahrscheinlich sehr teuer.

Deutlich schlechtere Wachstumsprognosen

Zweitens: China ächzt unter Lockdowns und den Folgen von Corona. Ganze Landesteile, ihre Häfen und Industrieunternehmen arbeiten oder liefern gerade nicht. Industrieproduktion und Einzelhandelsumsatz sind im ganzen Land im April deutlich zurückgegangen, stärker als befürchtet. Ob das für chinesische Verhältnisse ohnehin bescheidene Wachstumsziel von 5,5 Prozent für das Jahr 2022 erreicht werden kann, ist mehr als offen.

Drittens: In den USA und Europa lässt das Wirtschaftswachstum besorgniserregend nach, gleichzeitig steigen die Preise. Goldman-Sachs-Chef Lloyd Blankfein unkte am Wochenende, er sehe ein "sehr, sehr hohes Risiko" für eine Rezession in den USA, und erst gestern korrigierte die EU-Kommission die Wachstumsaussichten Europas wieder einmal nach unten, dafür aber die Inflationserwartungen nach oben.

Absehbare Zinserhöhungen bremsen die Konjunktur zusätzlich, und setzen vor allem die Länder der Eurozone unter Druck, die ohnehin schon unter einer hohen Schuldenlast leiden. Eine neue Eurokrise ist akut nicht in Sicht, aber ausschließen kann man sie auch nicht.

Krieg und Ernteausfälle sorgen absehbar für Hunger

Viertens: Ärmere Länder sind viel schlimmer betroffen. Sie können ihre Einfuhren nicht mehr bezahlen, einigen droht nicht nur die Wirtschafts-, sondern eine Hungerkrise. Die Regierungskrise in Sri Lanka, die Demonstrationen gegen Preiserhöhungen im Iran, Unruhen in Pakistan sind Signale dafür.

Fünftens: Extreme Hitze und Trockenheit in weiten Teilen Europas und Asien führen zu Ernteausfällen und weiterer Not. Der Klimawandel steht im Augenblick zwar nicht an erster Stelle in der Weltgefahrenanalyse. Doch er wirkt zusätzlich und langfristig destabilisierend.

Sechstens: Vor dem Hintergrund sieht es wie ein Luxusproblem aus, dass die Aktienmärkte nachgeben. Doch dass Finanzmärkte das Potenzial haben, selbst zum Krisenherd zu werden, ist seit der Weltwirtschaftskrise der Jahre 2008 und 2009 wieder im allgemeinen Bewusstsein angekommen.

Bei steigenden Zinsen und schwachem Geschäft werden viele Unternehmen Probleme bekommen, ihre Verbindlichkeiten zu bezahlen. Ob und wie lange Russland seine Auslandsschulden bezahlt, ist ebenfalls offen.

Die großen Probleme lassen sich nur zusammen lösen

Alles zusammen kann zum Stoff für eine neue Weltwirtschaftskrise werden. Sie muss nicht eintreten. Doch die Gefahr, dass aus den einzelnen beherrschbar erscheinenden Brandherden ein Großfeuer wird, ist real.

Stimmt es also, dass Ökonomen und Politiker komplexe Situationen heute besser kontrollieren können als vor 15 Jahren – so wie es die britischen Wirtschaftswissenschaftler ihrer Königin versprochen haben? Ist es richtig, dass Zentralbanken und Regierungen gelernt haben, das Feuer zu zähmen? Oder haben sie ihr Pulver in der Corona-Krise der vergangenen beiden Jahre verschossen?

Bemühungen um mehr Kooperation und neue Regeln im Welthandel gibt es reichlich. Die ganz großen Probleme – Krieg, Hunger, Massenmigration – lassen sich nur lösen, wenn die "Tauben" die Oberhand gewinnen, wenn die Welt zu einer Ordnung findet, in der die globalen Probleme gemeinschaftlich angegangen werden.

Teilt sich die Welt wieder in zwei Blöcke auf?

Auf der anderen Seite aber wächst die Gefahr, dass die Welt wieder in zwei Blöcke zerfällt: In denen würden auf der einen Seite die USA und ihre Verbündeten stehen, auf der anderen China, Russland und deren Freunde. Tritt dieses Szenario ein, ist es mit der Kooperation vorbei. Dann werden sich die Anstrengungen eher darauf richten, der anderen Seite zu schaden.

In ein paar Wochen werden wir die Richtung kennen – und erfahren, wie viel Politiker und Wirtschaftswissenschaftler aus der Finanzkrise wirklich gelernt haben.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Ihr neues Buch heißt: Die Kanzlerin. Porträt einer Epoche.

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