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Siemens-Personalchefin: Für Frauen als Chefs gelten andere Maßstäbe


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Siemens-Personalchefin
Für Frauen als Chefs gelten andere Maßstäbe

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 30.07.2019Lesedauer: 3 Min.
Valerie Holsboer, Janina Kugel und Sylvie Matherat (v. l.): Nur jeder zehnte Vorstandssessel in den größten deutschen Aktiengesellschaften gehört einer Frau.Vergrößern des Bildes
Valerie Holsboer, Janina Kugel und Sylvie Matherat (v. l.): Nur jeder zehnte Vorstandssessel in den größten deutschen Aktiengesellschaften gehört einer Frau. (Quelle: Max Stein, Rainer Unkel, Frank Hoermann/Sven Simon/t-online)

Der Abgang von Siemens-Personalchefin Kugel gilt als wahrscheinlich. Das zeigt: Für Frauen ist es leichter geworden, Spitzenpositionen zu bekommen – doch sie zu behalten, ist weiterhin kompliziert.

"Du darfst dein ganzes Selbst mit in die Arbeit bringen" – so feierte Janina Kugel noch am vergangenen Wochenende die eigene Firma. Auf der Christopher-Street-Day-Parade in Berlin hatte die Personalchefin von Siemens einen Truck mitfahren lassen. Schon an diesem Mittwoch aber könnte das Fest für Kugel selbst zu Ende sein. Ihr Arbeitsvertrag wird wohl nicht verlängert. Für den weiblichen Führungsnachwuchs in Deutschlands Unternehmen ist das eine schlechte Neuigkeit. Wieder hat es eine Frau im Vorstand nicht geschafft.

Kugel – jung, weiblich, farbig und Mutter von Zwillingen – ist zwar nach oben gekommen. Doch in der Chefetage halten konnte sie sich nicht. Wie ihre Vorgängerin. Wie die meisten Frauen in Dax-Konzernen. Die Personalie zeigt: Für Frauen ist es zwar leichter geworden, Spitzenpositionen zu bekommen. Aber sie zu behalten, ist kompliziert geblieben.

Für Frauen als Chefs gelten andere Maßstäbe

Die üblichen Urteile sind schnell gefällt, wenn Frauen in Führungspositionen scheitern: Opfer der Männerkultur. Einzelkämpferin mit schwierigem Führungsverhalten. Hat das Vertrauen des Aufsichtsrats verloren – oder nie gehabt. Inkompetente Quotenfrau.

Als vor wenigen Tagen Valerie Holsboer ihren Chefsessel bei der Bundesagentur für Arbeit räumen musste, war es so. Wenn Ende dieser Woche Sylvie Matherat ihren Schreibtisch als Regulierungsvorstand bei der Deutschen Bank verlässt, wird es wieder so sein. Das ist ungerecht. Denn für Frauen als Chefs gelten andere Maßstäbe. Immer noch.

Männer halten es länger auf Vorstandsposten aus

Es fängt damit an, dass es zu wenig Frauen in den Vorständen gibt. Nur jeder zehnte Vorstandssessel in den größten deutschen Aktiengesellschaften gehört einer Frau. Schon deshalb stehen Top-Managerinnen immer unter besonderer Beobachtung. Geht die Sache schief, wird öffentlich und laut diskutiert. Mustert ein männlicher Personalvorstand ab, bemerkt das allenfalls die Fachpresse.

Wer von außen kommt, scheitert eher. Das gilt für Frauen wie Männer. Doch bei Frauen ist die Von-außen-Quote besonders hoch. Durchschnittlich drei Jahre halten es Frauen auf Vorstandsposten aus – während Männer im Schnitt acht Jahre aus dem obersten Stockwerk der Firma winken dürfen. Wer aber zu wenig eigenen Nachwuchs hat, muss bei anderen wildern.

Siemens beispielsweise will im Jahr 2022 ein Fünftel aller Posten der Führungsebenen unterhalb des Vorstands von Frauen besetzt haben. Viele dieser Frauen werden von der Konkurrenz kommen müssen. In der neuen Firma haben sie kaum Kontakte und Vertraute, ecken deshalb häufiger an und fliegen öfter aus der Kurve.

Darum wird der weibliche Nachwuchs entmutigt

Das führt zu einem weiteren Problem: Belastbare firmeninterne Netzwerke von Frauen können kaum entstehen. Das ist nicht nur für Chef-Frauen frustrierend. Auch der weibliche Nachwuchs wird entmutigt. Wenn in einer Firma fast ausschließlich verheiratete, mittelalte und weiße Männer mit drei bis fünf Kindern erfolgreich sind, sinkt die Chance für Diversität auch in den unteren Etagen. Frauen, Männer und Frauen aus anderen Ländern, mit anderer Hautfarbe oder einer anderen sexuellen Orientierung werden sich eher für andere Arbeitgeber entscheiden. Menschen sind nicht gern in der Minderheit – das gilt auch auf der Arbeit.

Siemens-Frau Janina Kugel hat das zu ihrem Thema gemacht. Sie verpasste der Ingenieursfirma das Image eines frischen und fröhlichen Arbeitgebers: "Every riot starts with your voice", (Jede Aufruhr beginnt mit Deiner Stimme), hieß es auf dem Banner des CSD-Trucks in Berlin, auf dem die Siemens-Mitarbeiter tanzten.

Kugels Kind will lieber Konditorin werden

Doch schon in den vergangenen Monaten war deutlich geworden, dass die Distanz zwischen Siemens-Chef Joe Kaeser und Janina Kugel wuchs. Kugel, informell als Nummer zwei im Konzern gehandelt, posiere zwar auf Frauen- und LGBT-Konferenzen, war aus der Zentrale am Wittelsbacher Platz zu hören. Das tägliche Schwarzbrot aber, den Personalabbau bei altgedienten Siemensianern in der Zentrale und den Konzernsparten, vernachlässige sie zum Ärger des Vorstandschefs.

Auch wenn Kugel selbst mit ziemlicher Sicherheit schon bald wieder in der Chefetage eines anderen Unternehmens auftauchen wird, ist das Thema Diversität bei Siemens mit ihrem Abgang wohl erst einmal abgehakt. Auch die Zukunft der zweiten Frau im Vorstand ist offen. Ob Lisa Davis, Chefin der Energiesparte, die Abspaltung und den Börsengang dieses Unternehmensteils verantworten wird, ist mehr als unsicher.

Da ist es kein Wunder, wenn beim Führungsnachwuchs die Fragezeichen wachsen. Nicht einmal für die eigene Tochter ist Kugel ein Rollenmodell. Das Kind, so gesteht Kugel auf Instagram, bewundere sie zwar. Aber sie nachahmen? Eher nicht. Es wolle lieber Konditorin werden.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Ihr neuestes Buch heißt: "Regierung ohne Volk. Warum unser politisches System nicht mehr funktioniert."

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