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Ursula Weidenfeld: Die chinesische Wirtschaft geht auch Deutschland an


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Verhängnisvoller Sack Reis
Chinas stotternde Wirtschaft gefährdet die ganze Welt

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

22.01.2019Lesedauer: 4 Min.
Eine Hafenanlage im chinesischen Qingdao: Wenn die Wirtschaft in China stockt, bekommt das auch Europa zu spüren – besonders Deutschland. (Archivbild)Vergrößern des Bildes
Eine Hafenanlage im chinesischen Qingdao: Wenn die Wirtschaft in China stockt, bekommt das auch Europa zu spüren – besonders Deutschland. (Archivbild) (Quelle: Wang Peike/Xinhua/imago-images-bilder)

Die chinesische Wirtschaft wächst langsamer. Das ist eine schlechte Botschaft für die chinesische Mittelschicht, für die deutschen Autohersteller – und für deren Beschäftigte.

Christine Lagarde lächelte freundlich, als sie den Teilnehmern des World Economic Forum in Davos am Montagnachmittag die schlechten Nachrichten überbrachte. Das weltweite Wirtschaftswachstum lässt rapide nach. Die Regierungen sollten schnell und besonnen handeln, wenn ein Abkippen in die Rezession bevorstehe, mahnte die Chefin des Internationalen Währungsfonds IWF.

Sie sprach ähnlich wie Einsatzkräfte des Katastrophenschutzes, die Anlieger vor einem herannahenden Waldbrand warnen. Ruhig, zuversichtlich, aber sehr entschieden. Die Namen der wichtigsten Risikokandidaten: in Asien China, in Europa – neben den Briten – Deutschland.

Chinas Konjunktur zählt zu den größten Risikofaktoren

Lagarde sagte zwar, dass China sich im Rahmen der bereits reduzierten Erwartungen bewege. Doch hat der IWF keinen Zweifel, dass China – neben den Briten – zu den größten Risikofaktoren zählt, wenn es um Prognosen für die kommenden Monate geht. Die Wirtschaft ist im letzten Quartal des Jahres 2018 nur um schlappe 6,4 Prozent gewachsen, so wenig wie seit der Finanzkrise nicht.

Was für entwickelte Industrieländer wie ein Superboom klingt, ist für China zu mager. Die Konsumerwartungen der Bürger werden immer anspruchsvoller, gleichzeitig wollen sich noch Millionen Chinesen aus bitterer Armut befreien. Auf das ganze Jahr gerechnete 6,6 Prozent Wachstum reichen dafür nicht aus – so schlecht war kein Jahr seit 1990.

Wenn dann noch hausgemachte Probleme dazu kommen, wie die enorme Verschuldung von Unternehmen und Privatpersonen, wird die Wirtschaft sehr schnell angreifbar. Für das laufende Jahr erwartet der IWF nur noch 6,2 Prozent Wachstum für das Land.

Der Handelskrieg setzt China mehr zu als den USA

Chinas Wirtschaft ächzt unter dem Handelskrieg mit den USA. Zwar haben beide Länder vereinbart, erst einmal zu reden und bis März keine neuen Zölle zu erheben. Doch inzwischen wird deutlich, dass China von der Auseinandersetzung stärker betroffen ist als Amerika. Während sich die USA auf ihren eigenen starken Binnenmarkt stützen können, ist China auf den Export angewiesen, um die Kapazitäten im eigenen Land auslasten zu können.

Jetzt müssen chinesische Firmen ihre Mitarbeiter in den vorgezogenen Neujahrsurlaub schicken – in China ist erst Ende Januar Silvester –, sie streichen Überstunden und sie stellen eigentlich geplante neue Mitarbeiter gar nicht erst ein. Die aufstrebende Mittelschicht des Landes reagiert auf diese Krisenzeichen und stellt sich ebenfalls um: Der Umzug in ein neues Haus wird verschoben, Auslandsreisen werden vertagt, Smartphones ein Jahr länger genutzt, das neue Auto wird nicht gekauft.

Das bremst das Wirtschaftswachstum – leider nicht nur in China. Deutschland leidet am meisten unter der Schwäche der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. China ist nach den Niederlanden der zweitwichtigste Handelspartner Deutschlands. Der Handel mit China hat für die deutsche Wirtschaft noch im vergangenen Jahr sowohl die ersten Ausläufer des Brexit, als auch die Handelsattacken der USA weitgehend kompensiert. So, wie man es inzwischen gewohnt ist: Auf China war in den vergangenen Jahren immer Verlass, wenn es in der Weltwirtschaft mal rumpeliger lief.

Deutschland hat in den letzten Jahren von Chinas Wachtstum profitiert

Dann kaufte die Staatswirtschaft rund um den Globus ein, machte sich für Freihandel und Investitionen im Ausland stark. Davon hat die deutsche Wirtschaft seit der Finanzkrise mit ihren Autos, ihren Werkzeugmaschinen, ihren Ausrüstungen und ihren chemischen Produkten profitiert.

Doch Hoffnungen, dass es auch dieses Mal wieder so werden könnte, schwinden: Zwar hat die chinesische Regierung in den vergangenen Wochen milliardenschwere Programme zum Bau neuer Bahn- und U-Bahn-Linien genehmigt, sie hat die Verbraucher und Kleinunternehmen mit Konjunkturprogrammen und Steuererleichterungen zum Kauf neuer Autos animiert.

Doch das reicht nicht aus, um die Defizite im Außenhandel wettzumachen. Die chinesischen Autohersteller, Maschinenbauer und Konsumgüter-Produzenten stöhnen unter Überkapazitäten und Verschuldung. Die Staatswirtschaft tritt einerseits das Gaspedal, um die Konjunktur am Laufen zu halten, und bremst gleichzeitig in dem Versuch, die Schuldenlast zu reduzieren. Als Aufputschmittel für die Weltwirtschaft taugt China nicht mehr.

Auf einmal geht viel, was bisher undenkbar war

Im Gegenteil: Jetzt zeigen die Chinesen Nerven. Nun hoffen sie auf Entgegenkommen und räumen in der eigenen Wirtschaft Handelshemmnisse ab, die bisher in Stein gemeißelt waren. Westliche Banken und Versicherungen dürfen auf einmal ihre Dienstleistungen auch in China anbieten, Ausländer können in China investieren, ohne einen einheimischen Partner ins Boot holen zu müssen. Das sind Forderungen, mit denen die Partner bisher vergeblich bei der Parteiführung der kommunistischen Partei vorstellig wurden. Auf einmal geht viel, was bisher undenkbar war.


Wenn in China ein Sack Reis umfällt, nahmen das Unternehmer und Politiker im Westen bisher mit freundlichem Desinteresse zur Kenntnis. Diesmal sollten sie genau hinschauen. Wenn in diesen Monaten noch ein Sack Reis umfällt, wird man das auch in Europa spüren. Vor allem in Deutschland.

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