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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Sinnvoll, aber kompliziert Die neue Grundsteuer kommt und das Wohnen wird teurer
Ein kompliziertes System soll die bisherige Grundsteuer ersetzen. Für Mieter und Eigentümer sind das keine guten Nachrichten.
Freiwillig hat sich Olaf Scholz dem Thema nicht genähert. Das Bundesverfassungsgericht hat den Finanzminister verdonnert, bis zum kommenden Jahr ein neues Modell zur Berechnung der Grundsteuer vorzulegen. Nur deshalb wird Scholz an diesem Mittwoch den Länderfinanzministern wohl zwei Vorschläge machen. Einen einfachen, der für die künftige Besteuerung nur die Grundstücks- und Wohnfläche zugrundelegt. Und einen komplizierten, der Größe, Alter der Immobilie, Wert und Mieteinnahmen als neue Basis berechnet. Es sieht so aus, als gäbe es in den Bundesländern für das zweite Modell eine Mehrheit. Damit aber wird in den ohnehin schon teuren Metropolen das Wohnen noch teurer. Das klingt nicht nur ein bisschen verrückt – das ist es auch.
Individuelle Neuberechnung von mehr als 36 Millionen Immobilien
Es geht um ein Steueraufkommen von 14 Milliarden Euro, das heute wie in Zukunft erzielt werden soll. Eigentlich wäre das eine Sache für ein möglichst einfaches Modell. Warum soll man einen großen Aufwand betreiben, wenn am Ende doch nicht mehr in der Kasse sein soll wie vorher? Doch in der aufgeheizten Debatte um den deutschen Wohnungsmarkt wird es wohl genau andersherum kommen. Mehr als 36 Millionen Häuser und Wohnungen müssen dann in den kommenden Jahren einzeln neu ausgemessen, bewertet und zur Steuer veranlagt werden.
Denn das alte Grundsteuermodell, das auf Einheitswerten der Jahre 1935 (in Ostdeutschland) und 1964 (im Westen) beruht, ist grundgesetzwidrig. Zu krass wich die niedrige Besteuerung für Immobilien von der höheren Belastung anderer Vermögen ab. Zu unrealistisch waren heute zu hohe Bewertungen für Krisenstädte wie beispielsweise Essen, Bremen oder Duisburg, die in den sechziger Jahren noch blühende Gemeinwesen mit Bevölkerungswachstum und entsprechend hohen Immobilienpreisen waren. Auf der anderen Seite profitierten die Bürger Münchens von einer im Vergleich zu heute skandalös niedrigen Einschätzung. In Ostdeutschland hatte die steuerliche Bewertung der Immobilien gar nichts mehr mit der Wirklichkeit zu tun.
Neues Grundsteuermodell ist sinnvoll
Im Grunde ist also gegen eine neue und gerechtere Grundsteuer überhaupt nichts einzuwenden. Wer von der Wertsteigerung einer Immobilie profitiert, soll mehr Steuern bezahlen als der, dessen Haus an Wert verliert. Dumm nur, dass man nie so ganz genau wissen kann, wie hoch der Wertzuwachs tatsächlich ist. Denn für den Eigentümer wird der ja erst bei einem Verkauf oder bei einer Neuvermietung sichtbar. Deshalb ist die Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer Treibsand, wenn man auf Einheitswerte verzichtet – sie verändert sich ständig. Für Mieter ist das nach dem neuen Vorschlag doppelt ärgerlich. Sie profitieren von einem Wertzuwachs der Immobilie überhaupt nicht, müssen die höheren Steuern aber über ihre Nebenkostenabrechnung bezahlen.
Dazu kommt: Der Gesetzgeber hatte in der Vergangenheit ja nicht einfach vergessen, die Einheitswerte für die Immobilien neu festzulegen. Die Arbeit war einfach zu aufwendig geworden. Bis zu zehn Jahre dauerte es, bis die neue Bemessungsgrundlage bestimmt war. Deshalb hat man es irgendwann gelassen. Das Verfassungsgericht verlangt nun jedoch: Im Jahr 2020 sollen die Immobilieneigentümer die Steuererklärung schon nach den neuen Kriterien machen. Wie das gehen kann, ist völlig ungewiss. Man brauche mehrere Jahre für die Steueridee von Olaf Scholz, meinen Immobilienexperten. Genau so wenig wisse man, wie die Hebesätze künftig wirken. Die Gemeinden bestimmen über diesen Faktor, mit dem die fällige Steuer multipliziert wird, und damit über die endgültige Höhe der Belastung. Der Finanzminister meint, durch eine kluge Kombination des Steuer- und des Hebesatzes könnten übermäßige Härten vermieden werden. Ein mittlerer zweistelliger Betrag werde für Mieter maximal fällig.
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Doch die Grundsteuer ist neben der Gewerbesteuer die einzige direkte Einnahmequelle der Städte und Gemeinden. Ob hier am Ende die Klugheit siegt, oder die Geldnot das Handeln diktiert? Ein Blick auf die andere Gemeindesteuer – die Gewerbesteuer – lehrt, dass meist Letzteres der Fall ist.
Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Ihr neues Buch heißt: "Regierung ohne Volk. Warum unser politisches System nicht mehr funktioniert."