Praxisgebühr "Bild": Regierung will Praxisgebühr reformieren
Ein Fünfer oder Zehner für jeden Arztbesuch: Die schwarz-gelbe Koalition will nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung die Praxisgebühr im kommenden Jahr grundlegend reformieren. So plane Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP), ab Frühjahr 2012 Alternativen zur derzeitigen Ausgestaltung zu prüfen, heißt es unter Berufung auf Koalitionskreise. Vielleicht kostet dann jeder Termin beim Arzt extra. Das Ministerium reagierte inzwischen.
"Keine konkreten Pläne"
Das Bundesgesundheitsministerium teilte nun mit, es habe derzeit keine konkreten Pläne für einschneidende Änderungen bei der Praxisgebühr schon im kommenden Jahr. Überlegungen, eine Praxisgebühr pro Arztbesuch zu erheben, kämen nicht aus dem Ministerium, sagte ein Sprecher von Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) zu dem Bericht der "Bild"-Zeitung. Bahrs Sprecher betonte, in der Koalition sei über die Reform der Gebühr noch nicht gesprochen worden.
Hintergrund der Überlegungen: Die Praxisgebühr von bislang zehn Euro pro Quartal sollte die Zahl der unnötigen Arztbesuche senken und die Krankenkassen entlasten. Das hat offenbar nicht geklappt.
Reformwunsch der Koalition bestätigt
Derweil bestätigte der gesundheitspolitische Sprechers der FDP-Fraktion, Heinz Lanfermann, dass die Koalition im kommenden Jahr eine Reform der Praxisgebühr plant. Ungeachtet der Gebühr gingen die Deutschen im Durchschnitt 18 mal im Jahr zum Arzt - das seien weit mehr Arztbesuche als in vergleichbaren Ländern.
Es gehe bei einer Reform darum, mehr auf Eigenverantwortung der Versicherten zu setzen. Gegen eine kleine, sozial abgefederte Selbstbeteiligung sei nichts einzuwenden, sagte Lanfermann. "Aber eine Gebühr pro Arztbesuch "lehne ich ab".
Trotz Praxisgebühr laufen die Leute zum Arzt
Der FDP-Bundestagsabgeordnete und Gesundheitsexperte Lars Lindemann sagte der "Bild"-Zeitung: "Die jetzige Praxisgebühr hat keinerlei steuernde Funktion. Wir werden 2012 Alternativen prüfen."
Der CSU-Bundestagsabgeordnete Johannes Singhammer erklärte: "Der Effekt, die Zahl der Arztbesuche zu dämpfen, ist mit der jetzigen Gebühr nicht erreicht worden. Deshalb werden wir prüfen, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, ob wir eine unbürokratischere, bessere Lösung finden."
Vielleicht werden es fünf Euro pro Termin
Laut dem Pressebericht gilt dafür auch die Einführung einer Praxisgebühr bei jedem Arztbesuch als Möglichkeit.
Der Duisburger Gesundheitsökonom Jürgen Wasem beispielsweise regte eine Gebühr von fünf Euro an. "Fünf Euro pro Besuch macht mehr Sinn als die jetzige Gebühr", sagte Wasem der Zeitung.
Möglicherweise sogar zehn Euro Gebühr
Der Kieler Sozialexperte Thomas Drabinski brachte im Gespräch mit der "Bild" sogar eine Selbstbeteiligung an der Behandlungskosten von bis zu zehn Prozent ins Gespräch. Das seien in der Regel fünf bis zehn Euro pro Arzttermin.
Auch der Chef der Techniker Krankenkasse, Norbert Klusen, unterstützt das Reformvorhaben der Koalition. "Als Steuerungsinstrument für weniger Arztbesuche ist die Praxisgebühr gescheitert", sagte Klusen der Zeitung. Sie spüle jährlich aber rund 2,8 Milliarden Euro ins Gesundheitssystem.
Zurzeit zehn Euro pro Quartal
Union und FDP hatten bei ihrem Regierungsantritt vor zwei Jahren im Koalitionsvertrag vereinbart, über eine Reform der Praxisgebühr zu sprechen.
Derzeit müssen alle gesetzlich versicherten Patienten ab 18 Jahren eine Praxisgebühr von zehn Euro bezahlen, wenn sie das erste Mal in einem Quartal zu einem Arzt, Zahnarzt oder Psychotherapeuten gehen. Die Gebühr soll die Patienten auch von überflüssigen Arztbesuchen abhalten.