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Negativzinsen aufs Sparbuch – ziehen bald alle Banken nach?


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"Nicht mehr unantastbar"
So vermiesen Banken ihren Kunden das Sparbuch


Aktualisiert am 30.04.2021Lesedauer: 6 Min.
Sparkassen-Filiale (Symbolbild): Manche Sparkassen deckeln den Betrag, den Kunden auf Sparbüchern lagern können.Vergrößern des Bildes
Sparkassen-Filiale (Symbolbild): Manche Sparkassen deckeln den Betrag, den Kunden auf Sparbüchern lagern können. (Quelle: Julian Stratenschulte/dpa)

Die Nullzinsphase macht erfinderisch. Nachdem mit Commerzbank und Targobank bereits zwei Großbanken Negativzinsen auf Spareinlagen erhoben haben, gibt es jetzt noch ein weiteres Phänomen: den Deckel fürs Sparbuch.

Dass sie ihr Geld eigentlich anders anlegen sollten als auf dem Sparbuch, wissen Bankkunden schon lange. Schließlich sind Zinsen dort quasi nicht vorhanden. Doch wirklich dazu aufraffen können sich nur die wenigsten. Im Kreis Unna ändert sich das für einige Kunden nun notgedrungen – weil ihre Bank ihnen keine Wahl lässt.

Bei der Sparkasse an der Lippe gibt es seit Kurzem eine Höchstgrenze für Spareinlagen. 25.000 Euro dürfen Neukunden auf ihrem Sparbuch liegen haben, dann ist Schluss. Bestandskunden werden gebeten, dem Deckel zuzustimmen.

Was von den Großbanken Commerzbank und Targobank bereits bekannt war, hat nun offenbar auch die Sparkassen erreicht: Nach Giro- und Tagesgeldkonten trauen sich Banken jetzt immer öfter auch an die Sparbücher – die einen mit Negativzinsen, die anderen mit Höchstgrenzen.

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Der Grund liegt auf der Hand: Noch immer lassen viele Deutsche ihr Geld auf Sparbüchern schlummern – Tendenz steigend. Laut einer Umfrage im Auftrag des Verbands der Privaten Bausparkassen nutzen aktuell 43 Prozent ein Sparbuch. 2020 waren es noch 37 Prozent. Allein die Sparkassen zählten damals mehr als 33 Millionen Sparkonten.

Auch die Guthaben sind stark gewachsen: Vor zehn Jahren lagen laut der Bundesbank etwas mehr als 102 Milliarden Euro auf Sparbüchern, heute sind es, Stand Februar, stolze 258 Milliarden Euro.

Für die Banken wird das zum Problem, weil sie selbst Negativzinsen an die Europäische Zentralbank zahlen müssen. Trotzdem: Verwahrentgelte auf Sparbücher sind rechtlich umstritten, bei den Verbraucherzentralen häufen sich die Beschwerden. t-online erklärt, was Sie als Bankkunde jetzt wissen sollten.

Wo gibt es Strafzinsen auf Sparbücher?

Bekannt ist das bisher nur von Commerzbank und Targobank. Bei der Commerzbank gilt aktuell ein Negativzins von 0,5 Prozent auf Sparkonten von Neukunden, allerdings erst bei einem Guthaben von mehr als 100.000 Euro. Ab 1. August soll der Freibetrag auf 50.000 Euro gesenkt werden.

Bestandskunden seien zwar nicht betroffen, wie ein Sprecher der Bank der "Süddeutschen Zeitung" (SZ) sagte. Mit ihnen solle aber in "individuellen Kundengesprächen" Vereinbarungen über Verwahrentgelte gesprochen werden.

Die Targobank wiederum erhebt seit dem 1. April gestaffelte "Verwahrentgelte". Für Guthaben von Neukunden zwischen 50.000 und 100.000 Euro kassiert die Bank 10 Euro pro Monat, ab 500.000 Euro sogar 50 Euro pro Monat.

Was hat es mit den Höchstgrenzen auf sich?

Höchstgrenzen für Sparbuchguthaben sind neben Strafzinsen und Gebühren ein weiterer Trick, mit dem die Banken ihren Kunden das Sparen vergrätzen wollen. Weit verbreitet ist diese Idee noch nicht, nach t-online-Recherchen aber gehen immer mehr Banken und auch erste Sparkassen diesen Weg. Neukunden dürften dort nur noch eine bestimmte Summe ansparen, dann greift eine Art Deckel. Bei der Sparkasse an der Lippe etwa liegt der seit Mitte April bei 25.000 Euro.

"Eine solche Höchstgrenze für Spareinlagen kennen wir schon von einigen Banken, sie ist aber noch ein neueres Phänomen", sagt Nils Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg im Gespräch mit t-online.

Manche Banken gehen dabei gleich noch einen Schritt weiter: Sie bieten Sparbücher gar nicht mehr an. "Das dürfen sie auch", sagt Nauhauser, "es gibt keinen Rechtsanspruch auf ein Sparbuch."

Leseraufruf: Wie sieht es bei Ihnen aus? Haben Sie auch schon Post von Ihrer Bank oder Sparkasse bekommen, weil Ihr Sparbuch gedeckelt wird? Oder sollen Sie gar Verwahrentgelt für Ihr Sparguthaben zahlen? Schreiben Sie uns eine E-Mail an wirtschaft-finanzen@stroeer.de.

Sind Strafzinsen auf Sparbücher rechtens?

Da gehen die Meinungen auseinander. Für Verbraucherschützer Nauhauser ist die Sache klar: "Negativzinsen für Sparbücher sind nach unserer Auffassung rechtswidrig, weil sie den Charakter einer Geldanlage haben. Das gilt auch bei Neukunden."

Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) stimmt dem nur teilweise zu. So sagt DSGV-Sprecher Stefan Marotzke t-online: "Gegen Negativzinsen auf Sparbücher spricht nach derzeit herrschender Meinung in der Rechtslehre, dass ihr Vertragszweck auf die Vermögensbildung gerichtet ist." Trotzdem sei es bei neuen Kunden aufgrund der Vertragsfreiheit immer möglich, Minuszinsen zu vereinbaren.

So sieht es auch der Bundesverband Deutscher Banken (BdB), dem die Commerzbank und die Targobank angehören. So heißt es auf Anfrage von t-online: "Die Vereinbarung von Negativzinsen mit Kunden in Bezug auf Einlagen im Neugeschäft ist nach den geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen regelmäßig zulässig." Ob sie Strafzinsen vereinbare, sei jeder Bank selbst überlassen.

Ein Argument, das Nauhauser nicht gelten lässt. "Vertragsfreiheit schön und gut", sagt er. "Aber ich kann nicht alles rechtswirksam vereinbaren, was theoretisch möglich wäre." Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg prüft deshalb gerade rechtliche Schritte gegen die Commerzbank und die Targobank.

Sind Höchstgrenzen rechtens?

Ja. Höchstgrenzen auf Sparbücher sind auch nach Ansicht von Verbraucherschützern zulässig. Bestandskunden müssen allerdings zuvor ihre Zustimmung erteilen. Tun sie das nicht, steht es der Bank laut Nauhauser frei, ihr Kündigungsrecht auszuüben – und die Geschäftsbeziehung zum Kunden zu beenden.

Werden weitere Banken Strafzinsen erheben?

Ja, glaubt Ania Scholz-Orfanidis von der FMH Finanzberatung. "Wenn Commerzbank und Targobank damit durchkommen, werden auch alle anderen nachziehen", sagt die Geldanlage-Expertin im Gespräch mit t-online. "Sparbücher sind nicht mehr unantastbar."

Allein schon die schiere Menge an Geld, die trotz minimaler Zinsen auf deutschen Sparbüchern schlummere, dürfte Banken dazu verleiten, auch dort Minuszinsen zu verlangen. "Die Guthaben haben sich zuletzt mehr als verdoppelt. Sparbücher sind wieder modern geworden, wurden zuletzt als Ausweichanlage genutzt."

Ein Potenzial, das sich Banken und Sparkassen wohl nicht entgehen lassen wollen. Schon bei Giro- und Tagesgeldkonten hätten Banken schließlich gezeigt, dass sie mit Negativzinsen viel Geld verdienen können, sagt Scholz-Orfanidis. "Sie kriegen mitunter fast das Doppelte von dem rein, was sie selbst an die EZB zahlen müssen."

Warum gibt es Strafzinsen auf Sparbücher?

Banken verlangen schon seit einiger Zeit Minuszinsen auf Giro- und Tagesgeldkonten, weil sie selbst negative Zinsen zahlen müssen, wenn sie Geld bei der Notenbank parken. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat den Einlagezins erstmals im Juni 2014 auf unter null gesetzt – damals auf minus 0,1 Prozent. Seitdem verringerte sie ihn in mehreren Schritten immer weiter, zuletzt im September 2019 auf minus 0,5 Prozent.

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Das heißt: Die EZB bestraft die Finanzinstitute, wenn sie Gelder bei ihr horten. Die EZB will so erreichen, dass die Banken die Sparguthaben ihrer Kunden stärker als Kredite an die Wirtschaft weiterreichen, um durch mehr Geld im Umlauf für eine höhere Inflation zu sorgen. Das wiederum soll die Konjunktur anschieben und das Wirtschaftswachstum fördern. Mehr zu den Hintergründen von Negativzinsen lesen Sie hier.

Die Banken argumentieren, sie würden diese Kosten an die Kunden weitergeben – nun eben auch bei Sparbüchern. So sagt etwa ein Commerzbank-Sprecher: "Wir beobachten am Markt, dass immer mehr Wettbewerber Verwahrentgelte einführen und Freibeträge reduzieren. Das Marktumfeld in Bezug auf Zinsniveau und Liquiditätshaltung ist unverändert belastend." Auch die Targobank nennt die "wirtschaftlichen Auswirkungen des aktuellen Zinsniveaus" als Grund für die Strafzinsen.

Verbraucherschützer Nauhauser hält dem allerdings entgegen, dass die EZB den Instituten große Freigrenzen eingeräumt habe. "Es ist mitnichten so, dass jeder Euro, der in Sicht- und Spareinlagen liegt, Kosten für die Banken verursacht", sagt er. "Für viele Banken sind Negativzinsen eine lukrative neue Einnahmequelle."

Was bedeutet das für Kunden?

Besitzen Sie bereits ein Sparbuch, haben Negativzinsen erst einmal keine Folgen für Sie. Denn Banken dürfen sie nur dann auch für Bestandskunden erheben, wenn Sie dem zustimmen.

Sind Sie Neukunde, sollten Sie genau darauf achten, auf welche Verträge Sie sich einlassen. Noch gibt es genug Banken, die keine Entgelte auf Sparbücher kassieren.

Vorsicht ist allerdings geboten, wenn Sie den Eindruck haben, dass Bankberater die Negativzinsen als Argument nutzen, um Ihnen statt des Sparbuchs andere Anlageprodukte wie hauseigene Fonds oder Rentenversicherungen aufzudrängen. Mitunter fallen dabei hohe Provisionen für die Berater an oder die Produkte sind vergleichsweise teuer.

Welche Alternativen zum Sparbuch habe ich?

In Zeiten von Minuszinsen sollte jeder grundsätzlich nur so viel Geld auf Sparkonten liegen haben wie unbedingt nötig. Dieses Guthaben ist dann keine klassische Kapitalanlage, bei der es darum geht, möglichst gute Renditen zu erzielen, um das Geld zu vermehren – sondern eine stets verfügbare Reserve für den Notfall.

Ein solcher Notgroschen könnte zum Beispiel wichtig werden, wenn Sie Ihren Arbeitsplatz verlieren, wegen Krankheit länger ausfallen oder Sie auf eine größere Anschaffung oder einen Urlaub hin sparen. Als Faustformel für die Höhe des Notgroschens gelten drei Nettomonatsgehälter.

Reservegeld staffeln, alles darüber hinaus investieren

Experten raten dazu, diese Rücklage gestaffelt zu parken – statt auf dem Sparbuch sollten Sie etwa 40 Prozent auf ein Tagesgeldkonto packen, den Rest in Festgeld über ein oder zwei Jahre anlegen. Lesen Sie hier, wo die Zinsen auf Tages- und Festgeld derzeit am höchsten sind.

Geld, das Sie darüber hinaus zur Verfügung haben und langfristig nicht anrühren müssen, sollten Sie ertragreicher investieren. Bequem und einfach gelingt das selbst Einsteigern mit einem sogenannten ETF-Sparplan. ETFs sind börsengehandelte Indexfonds, die einen Aktienindex nachbilden. Dabei entwickeln sie sich fast exakt so wie der Index, den sie abbilden.

Mit einem ETF-Sparplan können Sie auf einen Schlag in Unternehmen auf der ganzen Welt investieren und so Ihr Risiko streuen. Das funktioniert zum Beispiel mit einem ETF auf den weltweiten Aktienindex MSCI World. Wenn Sie mindestens zehn, besser 15 Jahre Zeit haben, das Geld für sich arbeiten zu lassen, brauchen Sie auch keine Angst vor Kursschwankungen zu haben – denn die können Sie dann aussitzen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit Nils Nauhauser
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