Banken und Bafin uneins Falsche Zinsklauseln: Prämiensparer sollten jetzt reagieren
Berlin (dpa/tmn) - Zu Zeiten der Jahrtausendwende gingen sogenannte Prämiensparverträge als Kassenschlager über den Banktresen. Kunden winkten zunächst attraktive Zinsen. Über die Jahre haben einige Banken sich allerdings Klauseln zunutze gemacht und den Zins nach unten angepasst.
Dass das rechtswidrig war, hat der Bundesgerichtshof (BGH) mehrfach entschieden. Doch die Banken müssen die betroffenen Kunden vorerst nicht darüber informieren. Wer also jahrelang zu wenig Zinsen erhalten hat, muss selbst auf die Bank zugehen und das Geld einfordern.
Was ist ein Prämiensparvertrag?
Ein Prämiensparvertrag ist laut Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) eine langfristige Sparform. Über eine bestimmte Laufzeit von mehreren Jahren haben Kunden der Bank damit das Versprechen gegeben, den Vertrag mit einem gleichbleibenden Betrag zu besparen. Im Gegenzug erhalten die Sparer zusätzlich zu einem variablen Zins eine Prämie, die nach Vertragslaufzeit gestaffelt ist.
Was sind Zinsanpassungsklauseln?
In vielen der Verträge finden sich etwa Klauseln, die die Grundverzinsung mit dem Nachsatz "zur Zeit" ausweisen, sagt Niels Nauhauser, Finanzexperte bei der baden-württembergischen Verbraucherzentrale (VZ-BW). In anderen Fällen sei zu lesen: "Der jeweils gültige Zinssatz wird durch Aushang bekannt gegeben". Mit solch einer Klausel könne die Bank den Zins zum eigenen Vorteil anpassen. In manchen Fällen sei dieser laut VZ-BW so auf 0,01 oder 0,001 Prozent gesunken. Unzulässig, urteilte der BGH.
Was bedeutet das für Prämiensparer?
Die Verbraucherzentralen haben laut Neuhauser bereits mehr als 5000 Sparverträge verschiedener Banken geprüft und nachgerechnet. Das Ergebnis: Verbraucher haben im Schnitt etwa 4000 Euro zu wenig Zinsen erhalten. In der Spitze seien es sogar bis zu 78000 Euro gewesen. Mit einem Zinsanpassungsverfahren müsse diese Lücke geschlossen werden, erklärt Sascha Straub von der bayerischen Verbraucherzentrale. Wie das aussehen muss, werde derzeit in mehreren Musterfeststellungsklagen geklärt.
Wie viele Kunden sind in etwa betroffen?
Straub schätzt, dass viele Hunderttausend Verträge, die in den 1990er und 2000er Jahren geschlossen wurden, betroffen sind. Es handelt sich dabei um Verträge mit den Bezeichnungen "Prämiensparen flexibel", "VorsorgePlus", "Vorsorgesparen", "Vermögensplan", "Vorsorgeplan", "Scala" (alle Sparkasse) sowie "Bonusplan" und "VRZukunft" (beide Volks- und Raiffeisenbank).
Wie können Kunden prüfen, ob sie betroffen sind?
Laut Nauhauser seien langfristige Verträge aus den 90er und 00er Jahren "praktisch alle betroffen". Wer eine der genannten Zinsanpassungsklauseln findet oder anhand der Zinsklauseln nicht in der Lage ist, selbst den Zinssatz zu berechnen, habe ein Indiz für Intransparenz.
Was können Betroffene tun?
Wer den Verdacht hat, einen Vetrag mit fehlerhafter Zinsanpassung zu besitzen, sollte die Bank auffordern, die Zinsberechnung darzulegen und eine Neuberechnung durchzuführen, sagt Verbraucherschützer Straub. EinMusterbriefder Verbraucherzentrale hilft dabei. Mit der Antwort der Bank könne man dann Kontakt zur Verbraucherzentrale aufnehmen, um zu prüfen, ob die Anpassungen der Bank rechtmäßig sind. Häufig ist eine Zinsnachzahlung die Folge.
Wie erfolgversprechend ist diese Vorgehensweise?
Laut Nauhauser lenken die Institute häufig ein. Streit gebe es jedoch über die Höhe der Zinsnachzahlung. Banken böten oft nur einen Teil der tatsächlich zu leistenden Nachzahlung an. Auch in dieser Frage helfen die Verbraucherzentralen weiter. Wie die Nachzahlung tatsächlich berechnet werden muss, werde derzeit noch in Musterfeststellungsklagen verhandelt.
Wann verjähren die Nachzahlungsansprüche des Kunden?
Die Verbraucherzentralen gehen nach Angaben von Straub von einer Regelverjährungsfrist von drei Jahren nach Ablauf der Verträge aus. Die Bankenseite vertrete jedoch eine andere Sicht. Auch dieser Punkt sei Gegenstand der laufenden Musterfeststellungsverfahren.