Negativzinsen für Kleinsparer Kommt ein gesetzliches Verbot von Strafzinsen?
Bisher waren sich die Geldhäuser einig: Keine Strafzinsen für Kleinsparer. Doch den Dauerdruck der EZB könnten die Institute nun doch weiterreichen. Die Politik denkt vorsorglich über Verbote nach.
Werden Sparer bald dafür bestraft, dass sie Geld auf dem Konto parken? Was für Großkunden von Banken bereits Usus ist, könnte in absehbarer Zeit auch Kleinsparer treffen. Die Politik ist alarmiert – und prüft, Negativzinsen per Gesetz zu verbieten.
Warum wird über Negativzinsen für Kleinsparer diskutiert?
Die Banken sind seit Jahren unter Druck: Vorgaben der Regulierer und teure Investitionen in Digitalisierung treiben die Kosten nach oben. Auf der anderen Seite brechen wegen des Zinstiefs die Erträge weg. Lange verdienten die Institute gut daran, dass sie mehr Zinsen für Kredite kassierten, als sie Sparkunden auf deren Einlagen zahlten. Doch die Zeiten üppiger Zinsüberschüsse sind vorbei. Und die erhoffte Trendwende bleibt vorerst aus: Die Europäische Zentralbank (EZB) hält die Zinsen noch länger auf Rekordtief als erwartet.
Was hat es mit den Strafzinsen der EZB auf sich?
Seit Mitte Juni 2014 müssen Geschäftsbanken Zinsen zahlen, wenn sie Geld bei der Notenbank parken. Aktuell verlangt die EZB 0,4 Prozent Strafzinsen. Nach Berechnungen des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) müssen die Geldhäuser im Euroraum derzeit monatlich mehr als 600 Millionen Euro an Negativzinsen für überschüssige Liquidität an die EZB zahlen. Aufs Jahr gerechnet komme eine Summe von rund 7,5 Milliarden Euro zusammen.
Besonders betroffen vom Strafzins sind deutsche Banken, die traditionell einen Überhang an Kundeneinlagen haben. Sie tragen nach BdB-Angaben etwa ein Drittel der Belastungen aus dem negativen Einlagenzins im Euroraum.
Einlagenzins: Der Einlagenzins für Banken bei der EZB wurde erstmals im Juli 2012 auf null Prozent gesetzt und im Juni 2014 mit minus 0,10 Prozent unter die Null-Prozent-Marke gedrückt. Aktuell müssen Banken einen negativen Zins von 0,40 Prozent bezahlen.
Müssen Bankkunden bereits Strafzinsen zahlen?
Einzelne Institute geben die Negativzinsen der EZB seit einiger Zeit an Unternehmen oder große Investoren wie Fonds weiter. In manchem Haus werden auch reiche Privatkunden zur Kasse gebeten. Dem Finanzportal Biallo zufolge kassieren derzeit bundesweit 30 Geldhäuser Strafzinsen von Privatkunden, darunter viele Sparkassen und Genossenschaftsbanken.
Einige greifen ab Guthaben von 100.000 Euro zu, bei anderen Instituten liegt die Summe deutlich höher. Firmenkunden und institutionelle Kunden wie Fonds bekommen demnach derzeit bei 111 Banken und Sparkassen die Kosten für die negativen Zinsen weitergereicht. Das Gros der Privatkunden ist bis jetzt von Strafzinsen verschont geblieben. Der deutsche Bankenmarkt ist umkämpft, die Sorge der Anbieter ist groß, Kunden zu verprellen.
Bleiben Kleinsparer weiterhin verschont?
Je länger das Zinstief dauert, umso unwahrscheinlicher wird das. Zudem könnte der Druck auf die Branche noch zunehmen: EZB-Präsident Mario Draghi hat angekündigt, dass die Notenbank den negativen Einlagenzins verschärfen könnte – womöglich schon bei ihrer nächsten Zinssitzung am 12. September 2019.
BdB-Hauptgeschäftsführer Andreas Krautscheid warnte daraufhin: "Es könnte sein, dass viele Banken auf Dauer nicht mehr umhinkönnen, die zusätzlichen Belastungen auch in der Breite an Privatkunden weiterzugeben." Die Präsidentin des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), Marija Kolak, stellte fest, es werde für Banken immer schwerer, profitabel zu wirtschaften – "insbesondere, wenn auf die Weitergabe der negativen Zinsen im Mengengeschäft verzichtet wird".
Wie will die Politik Sparer schützen?
Die Bundesregierung lotet ein mögliches Verbot von Strafzinsen für Kleinsparer aus. Das Finanzministerium habe eine Prüfung veranlasst, "ob es der Bundesregierung rechtlich überhaupt möglich ist, Kleinsparer vor solchen Negativzinsen zu schützen", sagte Ressortchef Olaf Scholz (SPD) der Funke Mediengruppe.
Zuvor hatte es einen Vorstoß von CSU-Chef Markus Söder gegeben. Bayerns Ministerpräsident hatte eine Bundesratsinitiative angekündigt mit dem Ziel, Beträge bis 100.000 Euro grundsätzlich von Strafzinsen auszunehmen. "Sparen muss belohnt und darf nicht bestraft werden", mahnte Söder.
Kann man Negativzinsen für Kleinsparer verbieten?
Der Wirtschaftsanwalt Stefan Rizor hält aus juristischer Sicht ein Verbot für denkbar: "Man kann die Vertragsfreiheit grundsätzlich einschränken. Ein derartiges Verbot wäre nicht von vornherein verfassungswidrig, sofern es gut begründet wird." Ein Beispiel für ein solches staatliches Vorgehen ist die Mietpreisbremse.
Welche Bedenken gibt es gegen ein Verbot?
"Gesetzliche Verbote sind systemfremd, helfen den Kunden nicht weiter und können letztlich zu einer gefährlichen Instabilität der Finanzmärkte führen", argumentiert die Deutsche Kreditwirtschaft. Jürgen Gros, Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern, sagte dem "Bayerischen Rundfunk": "Ich bin der festen Ansicht, dass Verbote kein Instrument in einer Marktwirtschaft sein können. Es muss den Unternehmen möglich sein, betriebswirtschaftlich sinnvoll wirtschaften zu können."
Stefan Schmidt, Sprecher für finanziellen Verbraucherschutz der Grünen im Bundestag ließ erklären: "Verbietet man den Banken, negative Zinsen weiterzugeben, werden sie stattdessen an der Gebührenschraube drehen" – das werde Kleinsparer noch stärker treffen.
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Was sagen Verbraucherschützer?
"Ein Verbot von Strafzinsen für Kleinsparer ist gut gemeint, aber eine Scheinlösung", erklärte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv), Klaus Müller. "Bereits jetzt sind Negativzinsen bei bestehenden Verträgen aus Sicht des vzbv rechtswidrig."
- Nachrichtenagentur dpa
- Eigene Recherche