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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Blackrock-Chef "Ohne privates Kapital wird die Klimawende nicht funktionieren"
Viele verbinden mit dem Namen Blackrock die böse Seite der Finanzindustrie, die aus viel Geld noch mehr machen will. Dabei spielt das Unternehmen im Kampf gegen die Klimakrise eine große Rolle.
9,5 Billionen US-Dollar: Die Summe, die das Investmentunternehmen Blackrock verwaltet, ist knapp zweieinhalb mal so groß wie der Wert aller Waren und Dienstleistungen, die in Deutschland pro Jahr hergestellt werden. Umso wichtiger ist, was mit diesem Geld geschieht.
Seit zwei Jahren schickt sich der größte Vermögensverwalter der Welt an, bei seinen Investments verstärkt auf Nachhaltigkeit zu achten. Doch geht das überhaupt? Und wie passt dazu, dass Blackrock weiter Geld in Gas- und Ölkonzerne investiert? Im Interview mit t-online erklärt Deutschlandchef Dirk Schmitz, warum die Klimawende ohne fossile Brennstoffe nicht gelingen wird, wie Kleinanleger am besten für die Rente vorsorgen – und was er von seinem früheren Blackrock-Kollegen und heutigen CDU-Chef Friedrich Merz erwartet.
t-online: Herr Schmitz, sind Kapitalisten die besseren Klimaschützer?
Dirk Schmitz: Kapitalisten können durchaus Klimaschützer sein. Es gibt aber auch Kapitalisten, die es nicht sind. Als Privatperson zähle ich mich selbst, wie übrigens die meisten meiner Kollegen bei Blackrock, zur ersten Kategorie. Als Unternehmen jedoch sind wir zunächst Treuhänder der Vermögen unserer Kunden.
Das heißt, Ihnen geht es nur ums Geld.
Nein, es geht uns nicht nur ums Geld, im Gegenteil: Nachhaltigkeit ist seit zwei Jahren der oberste Standard bei unseren Investments. Das liegt daran, dass die meisten unserer Kunden Blackrock-Produkte für die Altersvorsorge nutzen, also einen sehr langfristigen Anlagehorizont haben. Und langfristig sind Klimarisiken ein erhebliches Investmentrisiko. Wenn wir die ignorierten, würden wir einen schlechten Job machen.
Was genau ist denn an einem Investment in Gas- und Atomkraft nachhaltig?
Sie spielen auf die umstrittene EU-Taxonomie an. Klar, auf den ersten Blick mag es nicht nachhaltig erscheinen, wenn man weiter in fossile Brennstoffe investiert. Auf den zweiten aber ist doch klar: Der Weg zu einer klimaneutralen Welt wird ohne Übergangstechnologien nicht funktionieren. Dazu können auch Gas und Atomkraft zählen.
Könnte das aus Ihrer Sicht bedeuten, dass wir in Deutschland die wenigen verbliebenen Kernkraftwerke weiterlaufen lassen?
Das ist eine politische Entscheidung; und eine, die die Betreiber fällen müssen. Für mich ist aber klar, dass wir mit den heutigen Technologien noch nicht klimaneutral leben können.
Die EU will mit der Taxonomie auch erreichen, dass mehr privates Geld in den Klimaschutz fließt. Der Koalitionsvertrag der Ampel liest sich dagegen eher wie ein einziges staatliches Förderprogramm. Braucht es Ihr Geld wirklich?
Ja, absolut.
Und wofür?
Für alles. Ohne privates Kapital wird die Klimawende nicht funktionieren – weder in Deutschland noch im Rest der Welt. Die Summen, um die es geht, sind so enorm, dass der Staat sie nicht allein aufbringen kann. Die gute Nachricht ist: Das Geld ist auch da. Und ich glaube fest daran, dass es dank der sozialen Marktwirtschaft auch an der richtigen Stelle zum Einsatz kommt.
Der neue Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck schien das zuletzt etwas anders zu sehen. Was würden Sie ihm sagen, wenn Sie ihn persönlich sprechen könnten?
Ich würde dafür plädieren, dass wir öffentliche Gelder und privates Kapital zusammenführen. Und ich würde ihm sagen, dass die Politik erst einmal den Rahmen definieren muss, in dem das Geld verwendet wird.
Etwas konkreter bitte.
Um es im Fußballjargon zu sagen: Der Staat muss das Spielfeld definieren, er muss sagen, wann der Ball im Aus ist und wann im Tor. Er muss auch die Geschwindigkeit des Spiels festlegen und zum Teil beschleunigen, etwa bei den Genehmigungsverfahren für Windkrafträder. Wenn das alles steht, wenn sich die Investitionen rechnen, lässt sich das private Kapital von der Seitenlinie aus einwechseln, dann kann es mitspielen.
Also doch wieder: mehr Geld, Renditen, Wachstum. Warum gestehen wir uns nicht endlich ein, dass die Klimawende nur gelingen kann, wenn jeder auch zu Verzicht bereit ist?
Das ist jetzt fast eine philosophische Frage. Was ist denn Wachstum überhaupt? Ich bin überzeugt, dass wir durchaus weiterwachsen können, und zwar nachhaltig. Für die Energiewende braucht es nicht nur Verzicht.
Mit einem Anlagevermögen von zuletzt rund 9,5 Billionen US-Dollar ist Blackrock die größte Vermögensverwaltung der Welt. Weltweit beschäftigt das Unternehmen mehr als 16.000 Mitarbeiter in 38 Ländern – darunter auch Deutschland. Vorstandsvorsitzender des Unternehmens ist der Amerikaner Larry Fink, der jährlich mit einem Brief an die Chefs der Firmen, in die Blackrock investiert, für Aufsehen sorgt, zuletzt vor allem, indem er auf mehr Nachhaltigkeit drang. Blackrock steht immer wieder in der Kritik: So prangern Nichtregierungsorganisationen beispielsweise an, dass Blackrock sich lediglich einen grünen Anstrich verpasse, während weiter Gelder in fossile Energien oder Rüstungskonzerne fließen.
Verzichten könnten Sie aber doch auf bestimmte Investments, zum Beispiel in Gas- und Ölkonzerne. Wann wird Blackrock das tun?
Solche kategorischen Entscheidungen werden wir nicht treffen können. Keinem anderen Vermögensverwalter der Welt sind mehr Gelder anvertraut worden als Blackrock, unsere Investments bilden die gesamte Weltwirtschaft ab. Wir haben Kunden, die ihre Gelder aus diesen Unternehmen abziehen möchten, andere wiederum wollen genau das Gegenteil. Zudem wären die Auswirkungen fatal: Sehr, sehr viele Unternehmen stünden dann vor dem Ruin, ohne dass sie über Nacht ein nachhaltiges Geschäftsmodell umsetzen könnten. Schlimmstenfalls hieße das: Gasunternehmen gingen pleite – und deutsche Wohnungen blieben kalt. Noch einmal: Ohne Übergangstechnologien wird die Klimawende nicht gelingen.
Aber Sie können durchaus Ihren Einfluss auf die Unternehmen geltend machen. Welchem Konzern müsste man denn mal die Pistole auf die Brust setzen, damit er grüner wird?
Wir haben ein spezialisiertes Team, das mit den Unternehmen darüber in den Dialog geht, dass sich etwas tun muss. Wir verlangen von allen Firmen, in die wir für unsere Kunden investieren, konkrete Pläne dafür, wie sie den Übergang in die CO2-neutrale Welt schaffen. Überzeugen uns diese Pläne, ist alles gut. Tun sie es nicht, stimmen wir gegen die Entlastung des Managements.
Beim Energieunternehmen Chevron war das unlängst nicht so. Da hat Blackrock sogar verhindert, dass Chevron konkretere Nachhaltigkeitsberichte vorlegen muss.
Da stimmt nicht. Unser Investment Stewardship Team hat seit Langem einen konstruktiven Austausch mit Chevron, in dem Themen wie Nachhaltigkeit und Unternehmensführung besprochen werden. Wir rufen alle Unternehmen, in die wir im Auftrag unserer Kunden investieren, dazu auf, nach einem bestimmten Berichtswerk – namens TCFD – transparent darüber zu berichten, wie nachhaltig ihre Wirtschaftsaktivität ist. Chevron hat dies genau wie viele andere Unternehmen auch getan. Zwischen Juli 2020 und Juni 2021 haben wir bei insgesamt 319 Firmen aufgrund von Klimarisiken gegen die Entlastung des Managements oder für Aktionärsanträge gestimmt.
Wie müssen wir uns das genau vorstellen, was passiert dann in den Unternehmen?
Zunächst einmal ist es ein sehr deutliches Signal, wenn wir auf der Hauptversammlung gegen die Entlastung stimmen. Allein in der abgelaufenen Saison haben wir in über 6.500 Fällen das Management nicht entlastet. Und in der Regel sehen wir dann im Folgejahr durchaus große Verbesserungen. Gleichwohl gilt natürlich, dass wir bei keinem Unternehmen weltweit der Mehrheitsaktionär sind. Gänzlich blockieren können wir die Firmen also nicht.
Glauben Sie, dass die EU über diesen Weg wirklich bis 2045 klimaneutral werden kann?
Ja, davon bin ich fest überzeugt. Wir können das erreichen. Das wird anstrengend, aber es geht – wenn wir in die Kräfte der Marktwirtschaft vertrauen und neue Technologien entwickeln, die uns dabei helfen.
Der frühere Nachhaltigkeitschef bei Blackrock, Tariq Fancy, sieht das teilweise anders. Er sagte unlängst, dass die Umweltkriterien, nach denen etwa Fonds kategorisiert werden, Augenwischerei seien. Kann ich als Privatanleger mein Geld wirklich mit gutem Gewissen investieren?
Ja, das geht. Die sogenannten ESG-Kriterien (Anm. d. Red.: "Environmental, Social, Governance", z. dt.: "Umwelt, Soziales, Unternehmensführung") sind ein guter erster Ansatz. Aber Sie müssen sich als Anleger natürlich auch damit beschäftigen – getreu der Börsenweisheit "Know What You Own, And Know Why You Own It". Wir von Blackrock versuchen da für größtmögliche Transparenz zu sorgen.
Und wie sieht die aus?
Bei unseren Fonds schreiben wir beispielsweise dazu, um wie viel Grad die globale Temperatur bis 2050 steigen würde, wenn die Unternehmen, die in diesem Fonds stecken, sich weiter auf dem gleichen Pfad bewegen. Das ist eine ziemlich plastische Kennzahl, mit der jeder etwas anfangen kann.
Klingt wie das Tierwohl-Label bei Fleisch. Ist das wirklich seriös?
Es ist zumindest ein Anfang. Sicher, bei Kategorisierungen gibt es immer Fragestellungen, über die man diskutieren kann. Aber ich glaube schon, dass das für die Anleger eine große Hilfe sein kann.
Dirk Schmitz ist seit 2018 Deutschlandchef beim Vermögensverwalter Blackrock und verantwortet in dieser Funktion auch das Geschäft in Österreich und Osteuropa. Zuvor hat Schmitz unter anderem als Deutschlandchef im Investmentbanking der Deutschen Bank sowie bei der Investmentbank Morgan Stanley gearbeitet. Schmitz ist studierter Betriebswirt, die Universität Bayreuth hat er mit einem Abschluss als Diplom-Kaufmann verlassen.
Und wie nehmen die Anleger solche Produkte an?
Sehr gut! Die Nachfrage nach ESG-konformen Finanzprodukten ist ungebrochen hoch und steigt weiter. Im vergangenen Jahr haben wir für nachhaltige Finanzprodukte rund 90 Milliarden Euro eingesammelt. Fast jeder fünfte Euro fließt bei uns mittlerweile in nachhaltige Fonds. Bei den neuen Fonds, die wir auflegen, haben mehr als die Hälfte einen Nachhaltigkeitsfokus. Die Anleger haben verstanden: Nachhaltigkeit und Rendite schließen sich nicht aus.
Wer sein Geld anlegt, sollte es bestenfalls breit streuen. Gibt es überhaupt genügend Unternehmen, die nachhaltig sind, damit Anleger ihre Investments diversifizieren können?
Absolut. Wir haben zum Beispiel einen Indexfonds auf einen "grünen Dax" aufgelegt. Der eignet sich perfekt dafür.
Wie genau funktioniert dieser Fonds?
Bei dem Fonds handelt es sich um einen Indexfonds, oder auch ETF, der automatisch den Dax abbildet – allerdings ohne die Firmen, die für besonders viele CO2-Emissionen verantwortlich sind. Der Index ersetzt zum Beispiel den Stromkonzern RWE mit der Hannover Rück. So investieren Sie über den grünen ETF, genau wie beim klassischen ETF, in 40 Titel und streuen Ihr Geld so immer noch sehr breit. Jedoch ist der CO2-Fußabdruck des grünen Dax um mindestens 30 Prozent geringer als der des klassischen Dax.
Und wie ist die Rendite des grünen Dax?
Der ETF auf den grünen Dax konnte in der Vergangenheit fast dieselbe Rendite einfahren wie der auf den herkömmlichen Dax. Klingt erstaunlich, ist aber wirklich so.
Die Abkürzung ETF ist jetzt schon mehrmals gefallen. Viele Menschen schreckt sie weiter ab, obwohl die Idee dahinter sehr einfach ist. Warum eigentlich?
Das ist eine gute Frage. Womöglich ist das Wort "Indexfonds" leichter zu verstehen. Ein ETF ist ein börsengehandelter Fonds, mit dem Sie in einen Index anlegen können. Grundsätzlich aber habe ich den Eindruck, dass immer mehr Menschen wissen, was ETFs sind und weshalb sie sich so gut für die Altersvorsorge eignen. In den vergangenen vier Jahren hat sich sehr viel getan. Die Deutschen haben die Börse wieder für sich entdeckt. Das ist ein zartes Pflänzchen, das müssen wir jetzt pflegen.
- Einfachere Geldanlage: Darum sind ETFs so beliebt
Womöglich aber verdorrt es schon bald wieder. Weltweit zeichnet sich die Zinswende ab, Aktien werden dadurch tendenziell weniger attraktiv. Ist der ETF-Boom damit schon wieder vorbei?
Nein, das glaube ich nicht. Klar, die Zinsen werden in den kommenden Monaten vermutlich steigen. Dennoch: Mittelfristig machen die Zinsen den Aktien keine Konkurrenz. Und ETFs schon gar nicht. Schließlich gibt es auch eine ganze Reihe von ETFs, die Anleihen-Indizes abbilden. Dieses Finanzprodukt bleibt uns noch lange erhalten.
Viele Menschen fangen erst jetzt an, sich mit der Börse zu beschäftigen. Hätten Sie einen Geheimtipp für sie – eine heiße Aktie, die man jetzt kaufen sollte?
Mit Geheimtipps ist es immer so eine Sache. Sind sie wirklich geheim, dann sollte man sie auch geheim halten – und nicht vor einer Millionen-Leserschaft wie der von t-online hinausposaunen. Einzelne Aktien kann ich an dieser Stelle nicht empfehlen. Aber ich habe drei grundsätzliche Tipps für die eigene Geldanlage.
Nämlich?
Erstens: Investieren ist besser als Nichtinvestieren. Wer mit seinem Geld an der Seitenlinie bleibt und nicht am Markt mitspielt, wird langfristig zu den Verlierern zählen. Zweitens: Streuen Sie Ihr Geld und damit Ihr Risiko breit. Ein diversifiziertes Depot lässt Sie stets ruhiger schlafen, als wenn Sie nur einige wenige Aktien besitzen.
Was heißt das konkret, wie viele Aktien sollte ein Mensch mindestens besitzen?
Wir hatten ja eben das Beispiel vom Dax. Der enthält 40 Unternehmen. Das ist schon einmal eine gute Größe.
Und der dritte Tipp?
Achten Sie auf Ihren Anlagezeithorizont – und wählen Sie entsprechend das richtige Finanzprodukt. Wenn Sie auf die Rente sparen, die noch 30 Jahre entfernt liegt, heißt das: Sie dürfen ruhig etwas mehr kurzfristige Risiken in Kauf nehmen, denn langfristig dürften sich Kursgewinne und -verluste ausgleichen. Sparen Sie jedoch auf ein Auto, das Sie in sechs Monaten kaufen wollen, sollten Sie Ihr Geld nicht unbedingt in hochvolatile Tech-Aktien anlegen, die dann kurz vor dem Kauf vielleicht abstürzen.
Friedrich Merz hat bis vor zwei Jahren bei Blackrock gearbeitet. Haben Sie noch Kontakt zu ihm?
Aktuell nicht. Da wir aber mit Politikern aus dem gesamten demokratischen Spektrum sprechen, werden wir uns vermutlich auch mit ihm in seiner neuen Rolle austauschen.
Was erwarten Sie von ihm als Oppositionsführer?
Ich wünsche mir von ihm das, was ich mir von allen Politikern in Deutschland wünsche. Dass er für den Finanzstandort Deutschland sowie für Privatanleger die richtigen Akzente setzt. Außerdem wünsche ich mir von der Bundesregierung, dass sie die richtigen Weichen für eine nachhaltige Form der Altersvorsorge stellt, sowohl auf staatlicher Seite als auch bei der privaten Vorsorge. Denn eines ist klar: Sicher ist die Rente derzeit nicht. Jeder von uns ist gut beraten, einen Teil seines Geldes gut anzulegen und damit selbst vorzusorgen.
Herr Schmitz, wir danken Ihnen für das Gespräch.
- Videointerview mit Blackrock-Deutschlandchef Dirk Schmitz