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Weekend-Blues und Burnout: "Arbeit ist mein einziges und liebstes Hobby"


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Weekend-Blues
"Meine Arbeit ist mein einziges und liebstes Hobby"

Von Julia Sima

Aktualisiert am 06.12.2020Lesedauer: 5 Min.
Abschalten am Wochenende fällt ihm schwer: Julien Backhaus arbeitet gern auch samstags und sonntags weiter.Vergrößern des Bildes
Abschalten am Wochenende fällt ihm schwer: Julien Backhaus arbeitet gern auch samstags und sonntags weiter. (Quelle: Oliver Reetz)
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Am Wochenende zu arbeiten, kommt für die meisten Menschen nicht infrage. Manchen Menschen aber fällt das Abschalten nicht so leicht. Sie leiden unter dem "Weekend Blues".

Endlich Wochenende! Fast jeder hat das schon einmal gedacht. Im Englischen gibt es gar eine bekannte Abkürzung für die Vorfreude auf den Samstag und Sonntag: "TGIF", "Thank God it’s Friday" – Gott sei Dank, es ist Freitag.

Doch so wie den meisten geht es nicht allen Menschen. Für einige bedeutet das Wochenende nicht automatisch Freizeit, Entspannung und Spaß. Sie fallen in ein Loch, erleben das, was die Psychologie den "Weekend Blues" nennt.

Einer von ihnen ist Julien Backhaus. "Während der Arbeitswoche habe ich deutlich mehr Spaß als am Wochenende", sagt er. "Ich würde zwar nicht so weit gehen, es als schlechte Laune zu bezeichnen – aber ich bin definitiv kein Fan eines freien Wochenendes."

"Ich arbeite am Wochenende entspannter"

Backhaus ist Geschäftsführer der Backhaus Mediengruppe Holding und ehemals jüngster Zeitschriftenverleger Deutschlands. Auch wenn er nicht gänzlich unzufrieden ist, zählt er damit zu den Menschen, die das Wochenende nicht unbedingt herbeisehnen.

Was auch daran liegen könnte, dass er am Wochenende weiterarbeitet. Denn für Backhaus unterscheidet sich das Wochenende nicht wesentlich von der übrigen Arbeitswoche: "Je nachdem, welche Aufgaben ich mir vorgenommen habe, bleibe ich stundenlang am Frühstückstisch sitzen und plane Projekte, für die unter der Woche die Zeit und Ruhe fehlt", erzählt er. "Wenn ich Schreibarbeit zu erledigen habe, ziehe ich mich in mein privates Büro zurück. Ich arbeite am Wochenende entspannter, ohne Zeitdruck und bin auch gerne beim Spaziergang mit den Hunden dabei."

Backhaus hat damit nur eine leichte Form des Weekend-Blues. Der klassische, stärker ausgeprägte Wochenend-Koller dagegen bezieht sich auf Arbeitnehmer, die samstags und sonntags, also dann, wenn sie nicht arbeiten, richtig schlechte Laune haben.

Das Phänomen ist seit Freuds Zeiten bekannt

Experten sprechen dann auch von Sonntagsneurose oder Wochenendneurose. Gänzlich neu ist das Phänomen nicht: Der ungarische Psychoanalytiker Sándor Ferenczi, ein Schüler Freuds, beschrieb Anfang des vergangenen Jahrhunderts zum ersten Mal die Symptome einer Sonntagsneurose bei seinen Patienten. Von Magen-Darm-Problemen über Kopfschmerzen bis hin zu einer depressiven Störung reichten die Probleme bei den Betroffenen.

So weit ist es bei Backhaus noch nicht. Er arbeitet zwar gern, hat aber noch keine besorgniserregenden Einschränkungen am Wochenende. "Ich werde schnell unruhig, wenn ich meiner Arbeit nicht nachgehen kann", sagt er. "Das passiert bei familiären und privaten Verpflichtungen oft. Ich denke dann immer an all die Dinge, die ich bewegen könnte. Ich versuche mich dann schnell von der 'Verpflichtung' davonzustehlen."

Wochenendtief hängt mit Bildung zusammen

Zuletzt haben die Sonntagsneurose die Wirtschaftswissenschaftler Wolfgang Maennig, Malte Steenbeck und Markus Wilhelm mit einer Studie wieder in den Fokus gerückt. Die Autoren kommen dabei nach Auswertung verschiedener Daten des sozio-oekonomischen Panel (SOEP) zu dem Ergebnis, dass es einen Zusammenhang zwischen Bildung und Laune gibt:

Männer mit mittlerem Bildungsgrad sowie Frauen und Männer mit höherer Bildung sind mindestens einen Tag am Wochenende unglücklicher als unter der Woche. Bei Frauen mit mittlerem Bildungsgrad ist eher der Samstag der Tiefpunkt, während es bei Frauen mit höherer Bildung eher der Sonntag ist. Bei Männern mit hohem Bildungsniveau ist tendenziell sogar das ganze Wochenende betroffen.

Dabei zeigt die Studie auch: Menschen, die ein mittleres oder gar hohes Bildungsniveau haben, sind die gesamte Zeit über glücklicher und zufriedener als Menschen mit geringerer Ausbildung. Dass diese nicht unter einer Wochenendneurose leiden, könnte damit zusammenhängen, dass sie eher froh sind, nicht arbeiten zu müssen. Personen mit höherem Bildungsniveau haben dagegen öfter das Glück, einen Beruf auszuüben, der sie erfüllt.

Je größer die Lust auf den Job, desto größer das Loch

Die Sonntagsneurose scheint also auch damit zu tun zu haben, wie stark sich Personen über ihren Job identifizieren. Das bestätigt auch Kerstin Harney, Coach und Unternehmensberaterin aus Köln. "Nicht nur die Bildung, sondern auch die Position des Arbeitnehmers spielt eine Rolle, obwohl beide häufig Hand in Hand gehen", sagt sie.

Denn mit dem Bildungsniveau kletterten viele Arbeitnehmer häufig auch die Karriereleiter hinauf, was oft mit mehr Wertschätzung verbunden sei. "Ein Grund für den Weekend-Blues könnte die Unfähigkeit sein, die Vielseitigkeit des Lebens zu nutzen und anzuerkennen, dass das Leben mehr Facetten hat als nur die Arbeit", sagt Harney.

Kinder und Familie seien dabei wichtig und für Harney gerade ein Grund, warum Frauen ihrer Einschätzung nach nicht ganz so häufig unter dem Weekend-Blues leiden. Denn Frauen fänden hier sinnstiftende Aufgaben, während Männer die Zeit mit den Kindern zwar als wichtig, aber nicht wertschöpfende Aufgaben betrachten könnten.

Das Hamsterrad stoppt abrupt

Backhaus sieht das ähnlich: "Meine Arbeit ist mein einziges und liebstes Hobby. Ich habe ihr ganz bewusst den höchsten Stellenwert in meinem Leben eingeräumt. Da ich zum Glück keine Kinder habe, fällt auch diese Zwangsbeschäftigung weg."

Harney begegnet bei ihrer Arbeit immer wieder Menschen, die teilweise ernste Probleme aufgrund einer Sonntagsneurose entwickeln: "Bei einigen Personen wird der Dauerlauf am Sonntag abrupt gestoppt. Der Samstag lässt sich vielleicht noch ertragen, weil andere Termine wie der Wochenendeinkauf anstehen. Sonntags wird es häufig aber schlimm."

Die von ihr gecoachten Personen fielen sonntags förmlich in ein Beschäftigungsloch. Weil sie während der Woche so eingespannt von ihrer Arbeit seien, fehle ihnen eine Idee, was sie am Wochenende mit ihrer Zeit anfangen könnten. Das könne sich sogar bis zu einem Burnout steigern.

Betroffene sollten das Wochenende bewusst genießen

Harney rät Betroffenen deshalb, sich ganz bewusst Zeit für Freunde und Familie einzuplanen und schöne Momente am Wochenende willentlich zu genießen. Wichtig sei, sich die Frage zu stellen, was außer dem Job noch Spaß mache. Als Anhaltspunkt könnten dabei Hobbys und beliebte Aktivitäten aus der Kindheit dienen.

Auch bestimmte Rituale, die an jedem Wochenende fix eingeplant werden, könnten die Sonntagsneurose zumindest zum Teil abmildern. "Durch feste Pläne am Wochenende wird das Gehirn davon abgehalten, in Muster zurückzufallen, die zu den Problemen in der arbeitsfreien Zeit führen“, so Harney.

Helfen könne auch ein Dankbarkeitstagebuch. Darin werde jeden Tag festgehalten, was gut gelaufen sei und worüber sich die Betroffenen freuen könnten – vor allem außerhalb des Jobs.

Einfach oder schnell umgesetzt sind all diese Maßnahmen jedoch nicht. Das weiß auch Harney: "Sich neue Gewohnheiten anzutrainieren, ist ein Marathon und kein Sprint. Es dauert seine Zeit, bis man sich daran gewöhnt hat. Mit zwei bis drei Monaten intensiver Arbeit sollten Betroffene schon rechnen. Danach zeigt sich in den meisten Fällen eine deutliche Verbesserung der Situation."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräche mit Julien Backhaus und Kerstin Harney
  • Wolfgang Maennig et. al.: Rhythms and Cycles in Happiness
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