Zahl der Mini-Jobs wächst Arbeitsminister Heil fordert zwölf Euro Mindestlohn
Der deutsche Arbeitsmarkt wird sich nach Einschätzung von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) weiter positiv entwickeln. Bis 2035 würden 3,3 Millionen neue Jobs entstehen, allerdings auch vier Millionen verschwinden. Zudem sei eine Mindestlohnerhöhung nötig.
Mehr als jeder fünfte abhängig Beschäftigte in Deutschland arbeitet in einem Mini-Job. Das geht nach einem Bericht der "Rheinischen Post" aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor. Der Anteil der Mini-Jobber an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten betrug Ende März demnach gut 23 Prozent. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) drängt unterdessen auf eine Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro pro Stunde.
35 Prozent mehr Mini-Jobs
Ende März gingen den Regierungsangaben zufolge rund 7,6 Millionen der insgesamt knapp 32,7 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten einem steuerfreien Mini-Job nach. Das waren rund 35 Prozent mehr als vor 15 Jahren. Etwa 8,5 Prozent der regulär Beschäftigten üben den neuen Zahlen zufolge zusätzlich noch einen Mini-Job im Nebenjob aus, heißt es weiter unter Berufung auf Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA).
Folgen einer Mindestlohnerhöhung
Der Mini-Job mit einer Verdienstobergrenze von derzeit 450 Euro im Monat ist für Arbeitnehmer steuer- und weitgehend abgabenfrei, der Arbeitgeber zahlt reduzierte Abgaben für seine Mitarbeiter. Der Mindestlohn gilt allerdings ohne Einschränkungen auch für Mini-Jobs. De facto bedeutet dieser hier, dass die Zahl der Arbeitsstunden, die vom Arbeitnehmer verlangt werden dürfen, begrenzt ist und mit steigendem Mindestlohn sinkt, weil sonst die 450-Euro-Grenze überschritten würde.
"Jobs werden ersetzt"
Einen zusätzlichen Schub erhielten die Mini-Jobs den Angaben zufolge 2015 nach Einführung des gesetzlichen Mindestlohns, weil einige Arbeitgeber den damit verbundenen höheren Lohnkosten ausweichen wollten. "Die Zahl der Mini-Jobs wächst und reguläre Jobs werden ersetzt", kritisiert die Linken-Sozialpolitikerin Susanne Ferschl in der "Rheinischen Post". Der Staat subventioniere damit Unternehmen, die durch Mini-Jobs bei den Löhnen Kosten sparen könnten.
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Heil sagt den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Der Mindestlohn muss nach 2020 schnell weiter steigen. Zwölf Euro sind ein realistischer Wert." Aktuell beträgt die gesetzliche Lohnuntergrenze 8,84 Euro pro Stunde. Sie steigt bis 2020 in zwei Schritten bis auf 9,35 Euro. Auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat sich bereits für einen Mindestlohn von zwölf Euro ausgesprochen.
Hinter die Forderung nach einer weiteren Anhebung des Mindestlohns stellt sich auch die Grünen-Arbeitsexpertin Beate Müller-Gemmeke. Sie fordert in Berlin, Löhne müssten "auskömmlich sein und zum Leben reichen". FDP-Fraktionsvize Michael Theurer kritisierte dagegen Forderungen nach höheren Mindestlöhnen als "ökonomisch unverantwortlich".
Technischer Fortschritt kostet Jobs
Weiterhin stimmt Heil die Beschäftigten auch auf weitere Umbrüche am Arbeitsmarkt ein. "Uns geht die Arbeit nicht aus, aber es wird andere Arbeit sein", sagt er den Funke-Zeitungen. In den nächsten sieben Jahren würden durch den technischen Fortschritt im Vergleich zu heute 1,3 Millionen Arbeitsplätze wegfallen, "es entstehen aber auch 2,1 Millionen neue Jobs", verwies der Minister auf Prognosen seines Ministeriums. Für den Zeitraum bis zum Jahr 2035 sähen die Prognosen allerdings nicht ganz so gut aus, sagt der Minister. Bis dahin würden 3,3 Millionen neue Jobs entstehen und vier Millionen verschwinden. "Jetzt geht es darum, dass die Arbeitnehmer von heute auch die Arbeit von morgen machen können", kündigt Heil an. Nötig seien Qualifizierung, Weiterbildung und Umschulung.
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Industrie- und Handelskammern erwarten halbe Million neue Stellen
Auch andere Stellen blicken positiv in die Zukunft des deutschen Arbeitsmarkts. Die Industrie- und Handelskammern rechnen im kommenden Jahr mit einer halben Million neuer Stellen in Deutschland. Mit 120.000 neuen Jobs soll vor allem der Dienstleistungssektor wachsen, wie die "Saarbrücker Zeitung" berichtet. Für die Prognose befragte der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) etwa 27.000 Unternehmen.
Aktuell (Stand September) sind nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gut 45 Millionen Menschen in Deutschland erwerbstätig, 557.000 mehr als vor Jahresfrist und so viele wie noch nie seit der Wiedervereinigung. Die Rekordbeschäftigung ist seit Jahren eine wichtige Stütze des deutschen Daueraufschwungs.
Im kommenden Jahr sollen dem DIHK zufolge je 90.000 Jobs in Handel, Verkehr, Gastgewerbe und Industrie entstehen. Auch im Baugewerbe erwartet der Verband noch einen Zuwachs, der mit 50.000 erwarteten Stellen allerdings geringer ausfällt. Im laufenden Jahr rechnet der DIHK mit einem noch größeren Plus – von insgesamt 580.000 Stellen.
Als Grund für die anhaltend hohe Nachfrage nannte Verbandspräsident Eric Schweitzer unter anderem den Fachkräftemangel. "Händeringend suchen die Unternehmen nach Personal." Mittlerweile sähen mehr als drei Fünftel der Unternehmen darin ein Geschäftsrisiko.
Auch die Bundesagentur für Arbeit verzeichnete zuletzt eine hohe Nachfrage. Die Zahl der offenen Stellen sei so hoch wie nie zuvor, teilte die Agentur Ende Oktober mit. Die Arbeitslosenquote war im Oktober unter die 5-Prozent-Marke gesunken – zum ersten Mal im wiedervereinigten Deutschland.
- Nachrichtenagenturen afp, reuters, dpa