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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Massiver Gewinneinbruch bei VW Ein Land macht besonders Probleme

2024 war ein schwieriges Jahr für Volkswagen. Nun möchte das Unternehmen wieder durchstarten, doch dabei gibt es gleich mehrere Hürden.
Abbau von 35.000 Stellen, Gespräche über Werksschließungen, geringe E-Auto-Nachfrage: Die Hiobsbotschaften aus Wolfsburg kamen im Jahr 2024 in hoher Schlagzahl. Was das finanziell bedeutet, zeigt sich nun in den Volkswagen-Jahreszahlen. Der Gewinn lag 2024 bei 19 Milliarden Euro. Das sind 15,4 Prozent weniger als im Vorjahr. Mehr Details zu den Ergebnissen finden Sie hier.
Dennoch gibt sich das Unternehmen auf der Jahrespresskonferenz kämpferisch. Die Kundschaft müsse begeistert, das eigene Potenzial entfesselt werden, zitiert Konzernchef Oliver Blume aus der neuen Strategie. Dabei steht das Unternehmen gleich vor mehreren Herausforderungen.
Sparen, sparen, sparen
Zunächst einmal muss der Konzern sparen – ganz auf Investitionen verzichten geht dennoch nicht. VW will aber nach einer Phase erhöhter Investitionen seine Ausgaben in den kommenden Jahren deutlich kürzen. Von 2025 bis 2029 sollen insgesamt nur noch rund 165 Milliarden Euro in neue Anlagen, Technik und Software gesteckt werden. Von 2024 bis 2028 waren zuvor 180 Milliarden Euro geplant gewesen. Gespart werden soll perspektivisch beim Verbrenner. Aber auch bei der E-Mobilität gibt es Sparpotenzial.
Letzteres hängt vor allem damit zusammen, dass die Umstellung auf E-Autos langsamer vonstattengeht, als noch vor einigen Jahren angenommen, und somit auch die Fertigung von eigenen Batteriezellen, die an den drei Standorten Salzgitter, Valencia (Spanien) und Ontario (Kanada) geplant ist, langsamer anlaufen soll.
Die besonders hitzig diskutierte Sparmaßnahme des Personalabbaus wurde bereits im vergangenen Jahr bekannt. Nach langem Ringen einigten sich VW und die Gewerkschaft IG Metall auf ein Sanierungsprogramm, das den Abbau von 35.000 Arbeitsplätzen in Deutschland bis 2030 beinhaltet – das ist jede vierte Stelle. Zudem sollen diverse Bonuszahlungen und Zulagen gekürzt und Lohnerhöhungen ausgesetzt werden. Doch der Stellenabbau spart nicht nur Geld – gerade die Altersteilzeit-Programme, die Volkswagen seinen Mitarbeitern anbietet, sind teuer.
Antriebsmix erhalten und ausbauen
Porsche-Vorstand Michael Steiner hatte am Montag vor Journalisten von der "größten Transformation in der Geschichte der Automobilbranche" gesprochen, doch diese geht deutlich langsamer, denn die E-Autonachfrage der Kundschaft fällt geringer aus als ursprünglich geplant. Porsche gehört seit 2009 zum VW-Konzern. Bei der Vorstellung der Jahreszahlen machte VW-Finanzvorstand Arno Antlitz deshalb deutlich: "Wir halten Verbrenner technologisch wettbewerbsfähig, investieren in Elektromodelle und Software und stärken weiterhin unsere regionale Präsenz – mit klarem Wachstums- und Investitionskurs in den USA."
Neue E-Auto-Kunden sollen künftig vor allem mit einem besonders günstigen Modell gelockt werden. In der vergangenen Woche stellte VW den ID. Every1 vor, der ab 2027 für 20.000 Euro verkauft werden soll. Mehr zu dem neuen Modell lesen Sie hier. Wie am Montagabend bekannt wurde, soll das neue Auto für jedermann allerdings nicht in Deutschland, sondern im portugiesischen Palmela gefertigt werden.
Damit will VW es mit den günstigen chinesischen Start-ups, aber auch Konkurrenten wie Tesla aufnehmen, die bislang deutlich günstiger sind. Die Schwierigkeit hierbei: Die Marge für VW ist gering, denn allein die Batterie macht derzeit 7.500 Euro der Kosten aus, was wenig Spielraum für andere Preiserhöhungen lässt.
Günstigere Autos sind in jedem Fall gefragt, das zeigen die Zahlen deutlich. Während das Luxussegment schwächelt und die Absatzzahlen bei den VW-Töchtern Porsche und Audi zurückgingen, gab es einen Überraschungsstar. Die tschechische Marke Škoda, die ebenfalls zum VW-Konzern gehört, konnte mit einem Plus von 8,3 Prozent aufwarten.
Von China lernen
Auch wenn es in Wolfsburg keiner offen sagt: China ist ein Problem. Denn eigentlich gibt es auf dem Markt eine große Nachfrage nach Autos im Allgemeinen und auch nach E-Autos im Speziellen. Doch Volkswagen tut sich im Wettstreit mit den chinesischen Herstellern, die mit massiven staatlichen Subventionen die Preise drücken, schwer. So wurden 2024 in China 10 Prozent weniger Fahrzeuge ausgeliefert als im Vorjahr. In Nordamerika stieg die Anzahl hingegen um 6, in Südamerika sogar um 15 Prozent. In Europa blieb das Niveau gleich.
Auch für das neue Geschäftsjahr rechnet Finanzvorstand Antlitz noch einmal mit einem geringeren Umsatz in China. Bis 2027 soll der Absatz dort aber wieder steigen. Dazu soll vor Ort produziert und entwickelt werden. Volkswagen ist davon überzeugt: Die Kunden in den verschiedenen Märkten wollen unterschiedliche Dinge. Das fängt auf dem chinesischen Markt bei großen Touchscreens an, die wie Tablets funktionieren und die Möglichkeiten bieten, Fotos zu machen und zu spielen, und zieht sich weiter in den Bereich Fahrerassistenzsysteme. Für den deutschen Markt sieht VW dafür bisher kaum Verwendung.
Gleichzeitig steckt im Chinageschäft auch eine Chance für VW. Denn die Produktion und die Softwaresysteme sind zwar voneinander getrennt, dennoch gibt es Austausch zwischen den Unternehmenszweigen, und so lernen europäische Entwickler und Ingenieure von ihren chinesischen Kollegen.
Auch bei der Geschwindigkeit haben sich die deutschen VW-Mitarbeiter bereits etwas von ihren chinesischen Kollegen abgeschaut. Dauerte früher der Prozess von der Idee bis zum fertigen Auto rund 54 Monate, also viereinhalb Jahre, seien es mittlerweile weniger als drei Jahre – in China wie in Deutschland, heißt es von VW.
Hoffen auf neue Bundesregierung
In den USA setzt das Unternehmen dabei auf die Produktion von Pick-ups unter der Marke Scout. Wie sich die angedrohten Zölle von US-Präsident Donald Trump auf das Geschäft auswirken könnten, ist noch ungewiss. Immerhin fertigt Volkswagen derzeit auch in Mexiko und in Kanada für den US-amerikanischen Markt und ist damit potenziell auch von Strafzöllen betroffen. In China soll wieder um einen größeren Marktanteil gekämpft werden.
Im Kernmarkt Europa gilt es, die Doppelbelastung aus Produktion und Entwicklung für Verbrenner und E-Autos zu stemmen. Dabei setzt das Unternehmen auch auf Unterstützung aus der Politik. CDU-Chef Friedrich Merz hatte im vergangenen Jahr die politischen Rahmenbedingungen kritisiert, diese würden es VW am Standort Deutschland schwer machen.
Nun sieht es ganz danach aus, als werde Merz eine schwarz-rote-Koalition anführen, doch was das für die Automobilbranche mit sich bringt, ist noch unklar. Im Sondierungspapier der drei Parteien ist zunächst nur davon die Rede, dass man sich gegen Strafzahlungen aufgrund von nicht erreichten EU-Flottengrenzwerten zum CO2-Ausstoß einsetzen und Kaufanreize für E-Autos schaffen wolle. VW-Chef Blume wünscht sich dafür vor allem niedrigere Energiepreise und schlägt eine steuerliche Vergünstigung für E-Autos, ähnlich wie bei Handwerkerleistungen, vor.
- Eigene Recherche
- Jahrespressekonferenz Volkswagen