Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
Mehr Musk und Milei wagen? Ein Ziel hat die Schocktherapie bereits erreicht
Elon Musk und Javier Milei stehen für einen teils radikalen Abbau des Staates – und FDP-Chef Christian Lindner findet: Deutschland kann davon etwas lernen. Zu Recht?
Der eine unterstützt Donald Trump und soll in dessen künftiger Regierung einen Abbau der Bürokratie in den USA herbeiführen, der andere gilt als Anarcho-Kapitalist und setzt als Präsident Argentiniens gerade eine radikal-libertäre Wirtschaftspolitik durch: Elon Musk und Javier Milei polarisieren. Dennoch, sagte FDP-Chef Christian Lindner unlängst, sollte Deutschland in der aktuellen Wirtschaftskrise "mehr Milei und Musk wagen".
Sollte sich Deutschland tatsächlich Milei und Musk zum Vorbild nehmen?
Ja, die Ideen Musks und Mileis dürfen kein Tabu sein
Beginnen wir mit einem Blick auf die Fakten: Deutschlands Wirtschaft schrumpft im zweiten Jahr in Folge, die Arbeitslosigkeit steigt, die Wettbewerbsfähigkeit sinkt – verglichen mit Franzosen, Briten und Amerikanern werden die Deutschen ärmer.
Vereinzelt, wie etwa im Falle der Autoindustrie, haben dazu auch Fehlentscheidungen in den Unternehmen geführt. Im Großen und Ganzen jedoch ist es vor allem die überbordende Bürokratie, das Zuviel an Regeln und Verordnungen, das die Wirtschaft lähmt. Hinzu kommt die hohe Steuer- und Abgabenlast, die es für Firmen unattraktiv macht, in Deutschland zu investieren.
Also mehr Milei und Musk wagen, wie es FDP-Chef Christian Lindner vorschlägt? Sicher, diese Namen polarisieren, haben die beiden doch teils verschrobene politische Vorstellungen, weshalb vor allem im linken Milieu viele reflexartig auf Lindner einschlagen.
Das aber darf nicht darüber hinwegtäuschen, was Lindner mit dem Satz wohl eigentlich meinte: Als Chiffre für eine unternehmensfreundlichere Wirtschaftspolitik, die Deutschland in der aktuellen Rezession braucht, taugen die beiden allemal.
Musk soll in den USA den Staatsapparat schlanker und effizienter machen. Milei hat selbiges bereits getan und mit seiner wirtschaftspolitischen Schocktherapie zumindest die Hyperinflation in Argentinien drastisch gesenkt, eines seiner erklärten Ziele.
Natürlich lassen sich ihre Ansätze nicht eins zu eins auf Deutschland übertragen. Niemand kann ernsthaft eine solch radikale libertäre Politik wollen, auch Christian Lindner nicht. Angesichts der dramatischen Lage der deutschen Volkswirtschaft aber darf es kein Tabu sein zu diskutieren, was wir von Musk und Mileis Ideen lernen können.
Nein, Musk und Milei taugen nun wirklich nicht als Vorbilder
Deutschland ist in einer wirtschaftlichen Krise, das stimmt. Allerdings taugen Elon Musk und Javier Milei mit ihrer anarchokapitalistischen Agenda nun wirklich nicht als Vorbilder, um diese Krise zu lösen. Schauen wir doch einmal auf die Bilanz des Argentiniers, der den Staat als Feind bezeichnet und seit etwa einem Jahr im Amt ist.
Die Hyperinflation hat Milei erfolgreich bekämpft, im Außenhandel erwirtschaftet Argentinien mittlerweile einen Überschuss. Doch zu welchem Preis?
In einem Jahr mit Milei als Präsident ist die Armutsrate in Argentinien von 45 auf 53 Prozent gestiegen. Die Weltbank prognostiziert einen Einbruch des Bruttoinlandsprodukts um dreieinhalb Prozent. Hunderttausende gestrichene Arbeitsplätze haben dazu geführt, dass immer mehr Menschen in die Armut rutschen. Das kritisiert sogar die Friedrich-Naumann-Stiftung, die Christian Lindners FDP nahesteht.
Mileis und Musks Politik ist nicht nur von einer tiefen Verachtung für den Staat geprägt, sondern auch vom Sozialdarwinismus und einem Kulturkampf gegen alles, was in ihrer Vorstellung links oder "woke" ist. Der Markt ist alles, nur der Stärkere kann sich behaupten. Das ist die Politik, die Christian Lindner lobt – und sie umzusetzen, wäre in Deutschland möglicherweise sogar gegen die Verfassung. Denn das Grundgesetz definiert die Bundesrepublik als "demokratischen und sozialen" Bundesstaat. Ganz davon abgesehen: Kulturkampf darf kein Vorbild sein.
Natürlich sollte es kein Tabu sein, die Ideen von Musk und Milei zu diskutieren. Sinnvoll wäre allerdings, sich auf wirkliche Lösungen wie Investitionen in die marode Infrastruktur, die Sicherung respektive Schaffung von Arbeitsplätzen und einen echten Green New Deal zu konzentrieren – also in konkrete Maßnahmen, die das Land nach vorn bringen.
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