Sonnenenergie in Deutschland Solarboom: "Preise haben sich seit letztem Jahr halbiert"
Im Jahr 2023 hat sich der Zubau der Solarleistung in Deutschland im Vergleich zu 2022 mit 14,1 Gigawatt fast verdoppelt. Doch der Druck aus China ist hoch.
Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) erwartet in den nächsten Jahren einen anhaltenden Boom der Sonnenenergie in Deutschland. In diesem Jahr wird die neu installierte Leistung von Solarstromanlagen voraussichtlich im zweistelligen Prozentbereich wachsen, wie Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig am Dienstag mitteilte. An diesem Mittwoch beginnt in München die alljährliche Messe Intersolar, ein international bedeutender Branchentreff.
Im vergangenen Jahr hat sich laut Bundesnetzagentur der Zubau der Solarleistung in Deutschland im Vergleich zu 2022 mit 14,1 Gigawatt fast verdoppelt. Der BSW rechnet über 2024 hinaus mit hoher Nachfrage.
In den ersten vier Monaten 2024 ist laut Branche die neu installierte PV-Leistung auf Gewerbedächern um 81 Prozent gestiegen, bei Solarkraftwerken auf Freiflächen um 74 Prozent, jeweils verglichen mit dem gleichen Zeitraum des Vorjahres. "Solar- und Speichertechnik wird zunehmend zum Standard", sagte BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig. "Nach einem regelrechten Solarboom in Deutschlands Eigenheimsiedlungen werden jetzt verstärkt Gewerbedächer und ertragsschwache Freiflächen mithilfe der Solartechnik elektrifiziert." Körnig geht davon aus, dass das von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte Solarpaket den Ausbau weiter beflügelt.
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"Wenn nicht schnell etwas passiert, wird es schon sehr bald keine europäischen Produktionen mehr geben"
Obwohl die Solarbranche insgesamt floriert, sind die wenigen verbliebenen europäischen Hersteller von Solarmodulen weit weniger optimistisch. Grund sind die Überkapazitäten der führenden chinesischen Produzenten und der daraus resultierende Preisverfall. Notwendig für die von der EU gewünschte Wiederbelebung der heimischen Produktion wären ein konkreter Plan und industriepolitische Unterstützung mit besseren Rahmenbedingungen, argumentieren Industrievertreter und Fachleute.
"Zum aktuellen Zeitpunkt ist hier ein wirtschaftlicher Betrieb einer Modulproduktion aufgrund der aktuellen Preissituation und der Überkapazitäten aus China nicht möglich", heißt es beim Dresdner Unternehmen Solarwatt, das seine deutsche Fertigung in diesem Sommer schließt. "Wenn nicht schnell etwas passiert, wird es also schon sehr bald keine europäischen Modulproduktionen mehr geben."
Die Ursache ist Verdrängungswettbewerb in China, wo mehrere große Modulhersteller ihren Sitz haben. Die chinesische Konkurrenz fegte schon im vergangenen Jahrzehnt etliche Europäer aus dem Markt. "Ungefähr 94 Prozent der PV-Module kommen aus Asien-Pazifik. Weitere drei Prozent werden von US-Unternehmen produziert, und dann kommt Europa", sagt Eva Poglitsch, Energieexpertin bei der Unternehmensberatung Strategy&, einer Tochter der großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC. "Gesamteuropa hat circa zehn bis zwölf Gigawatt Produktionskapazität pro Jahr."
Auch Druck auf chinesische Firmen steigt
Nach Daten des chinesischen Solarindustrieverbands CPIA erhöhten die dortigen Hersteller ihre Produktion im vergangenen Jahr um 69 Prozent und fertigten Module mit einer Leistung von insgesamt 499 Gigawatt. In der Volksrepublik wurden 2023 knapp 217 Gigawatt installiert, wie im aktuellen Geschäftsbericht von Tongwei nachzulesen ist, einem der großen chinesischen Hersteller.
Der große Rest muss also auf dem Weltmarkt abgesetzt werden, doch die USA haben den Import chinesischer Solarmodule eingeschränkt. Deswegen steigt der Vertriebsdruck für die chinesischen Firmen, die Folge ist Preisverfall. Nach Zahlen des deutschen Großhändlers Pvxchange haben sich die Preise für Standardmodule seit Mai 2023 in etwa halbiert.
Der Verdrängungswettbewerb bringt auch chinesische Produzenten in Schwierigkeiten, manche schreiben Verluste. Ein großer Projektentwickler für Solaranlagen ist die Münchner Baywa r.e. Sie rechnet nicht mit einer baldigen Trendwende. "Nach der volatilen Marktsituation in den letzten Monaten hat sich der Preis aktuell auf einem niedrigeren Niveau als noch Anfang 2023 eingependelt und wird in absehbarer Zeit nicht stark steigen", sagt Unternehmenschef Matthias Taft.
Dresdner Hersteller lässt ab Sommer in Asien produzieren
"Die Hersteller von Solarmodulen haben daher weiterhin mit niedrigen Gewinnspannen zu kämpfen und wir rechnen damit, dass sich trotz weltweit stärkerer Nachfrage das Überangebot an Modulen im Jahr 2024 nicht auflösen wird." Positiv auswirken könnten sich nach Einschätzung des Managers günstigere Finanzierungskosten: "Die Nachfrage nach Modulen könnte jedoch insbesondere durch sinkende Zinsen an Fahrt aufnehmen", sagt Taft.
Wichtigster Rohstoff für Solarzellen ist Polysilizium und der Weltmarktführer dafür ist Tongwei. Das Unternehmen will die Kapazität seiner Polysiliziumproduktion in naher Zukunft von 450.000 Tonnen auf 850.000 Tonnen im Jahr nahezu verdoppeln, wie im Geschäftsbericht des in der Provinz Sichuan ansässigen Unternehmens nachzulesen ist.
Auch der Dresdner Hersteller Solarwatt lässt ab diesem Sommer in Asien fertigen. "Die Module seien weiterhin zu 100 Prozent Solarwatt-Module", betont der Unternehmenssprecher. Forschung und Entwicklung bleiben in Dresden. Der Heimatstandort soll auch vorerst nicht zurückgebaut werden. "Wenn sich die Marktbedingungen bessern, könnte Solarwatt die deutsche Fertigung wieder hochfahren."
"Europäische Hersteller spielen bei Innovationen im Bereich Photovoltaik sehr weit vorne mit"
Ob das gelingt, hängt von der europäischen Politik ab. Der "Net Zero Industry Act" der EU soll gewährleisten, dass für den Klimaschutz bedeutende Industrie nicht aus Europa verschwindet. Strategy&-Energiefachfrau Poglitsch verweist darauf, dass Europas Abhängigkeit von asiatischen Solarmodulen noch größer sei als ehedem bei russischem Gas. Beim Gas gab es die Ausweichmöglichkeit auf LNG-Gas. "Eine solche Ausweichmöglichkeit gibt es beim Markt für Solarmodule nicht."
Der Net Zero Industry Act ist nach Poglitschs Einschätzung eine Chance für europäische Hersteller. "Trotz des schwierigen Markts spielen europäische Hersteller bei Innovationen im Bereich Photovoltaik sehr weit vorne mit." Die Politik müsse aber Anreizmechanismen und Regularien schaffen.
Auch Hersteller Solarwatt begrüßt den Beschluss zum Net-Zero Industry Act, aber dieser allein werde nichts verändern. "Die Solarbranche in Europa braucht endlich einen konkreten Plan, wie es gelingen soll, dass 40 Prozent des Photovoltaik-Zubaus aus europäischen Fertigungen kommen sollen", heißt es bei dem Unternehmen. "Erst wenn die Rahmenbedingungen klar sind, werden Hersteller wieder bereit sein, in den Standort Deutschland bzw. Europa zu investieren."
- Nachrichtenagentur dpa