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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Neue Strategie vorgestellt Das plant Habeck für Deutschlands Industrie
Wirtschaftsminister Habeck will den Industriestandort Deutschland stärken. Dazu hat er einen Plan vorgestellt – aus der Union kommt scharfe Kritik.
Wirtschaftsminister Robert Habeck hat am Dienstag seinen Plan für eine zukunftsfähige deutsche Industrie vorgestellt. In der Industriestrategie mit dem Titel "Industriepolitik in der Zeitenwende", die t-online vorliegt, betont Habeck, dass die Vielfalt der deutschen Wirtschaft eine Stärke sei, die es zu erhalten gelte.
Zuletzt klagten Branchenverbände, dass vor allem energieintensive Unternehmen, etwa aus der Chemie- und Glasindustrie, aufgrund der hohen Energiepreise vor großen Problemen stünden und deshalb immer häufiger überlegen würden, im Ausland zu produzieren.
Die neu gewählte Gewerkschaftschefin der IG Metall, Christiane Benner, warnte erst am Dienstag vor einer schleichenden Deindustrialisierung. "Rechnerisch geht der Wandel gut aus. Es gäbe genug Arbeitsplätze in der grünen Industrie", sagte sie auf dem Gewerkschaftstag in Frankfurt.
Schneller genehmigen, länger arbeiten
Habecks Strategie ist also auch ein Versuch, dem etwas entgegenzusetzen. t-online erklärt, was in dem 57-seitigen Strategiepapier steht. Die wichtigsten Punkte sind:
- Groß angelegte Förderprogramme, nicht zuletzt für den klimaneutralen Umbau der Wirtschaft,
- ein beschleunigter Ausbau von erneuerbaren Energien, der Stromnetze und der Wasserstoffindustrie und -infrastruktur,
- eine "Erneuerungsoffensive" für die Infrastruktur mit Fokus auf Schienen, Brücken und die Sanierung von Straßen,
- ein staatlich subventionierter "Brückenstrompreis" für energieintensive Industriezweige,
- schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren,
- weniger Bürokratie,
- Investitionsanreize bei Speicherung von CO2,
- finanzielle Anreize für ältere Menschen, länger zu arbeiten.
Mit längeren Arbeitszeiten soll der Fachkräftemangel angegangen werden. Um das attraktiver zu machen, schlägt Habeck vor, dass Arbeitgeber die Beiträge zur gesetzlichen Arbeitslosen- und Rentenversicherung nach Erreichen der Regelaltersgrenze direkt an die Arbeitnehmer zahlen könnten.
"Ein Papiertiger" sei das, kritisiert die Union
Ein steuerlicher Freibetrag für sozialversicherungspflichtige Beschäftigte oberhalb der Regelaltersgrenze sei ebenfalls denkbar. Darüber hinaus soll mit den Sozialpartnern an Lösungen gearbeitet werden, damit Menschen, die weiterarbeiten wollen, nicht mit Erreichen des Rentenalters automatisch aus dem Beruf ausscheiden.
Aus der Union kommt scharfe Kritik an den Plänen von Habeck. Die Chefin des CDU-Wirtschaftsflügels, Gitta Connemann, sagt t-online: "Hinter dem vollmundigen Titel „Industriepolitik in der Zeitenwende" verbirgt sich weitere Staatswirtschaft." Connemann sagte weiter: "Strukturelle Entlastungen oder Erleichterungen für den industriellen Mittelstand? Fehlanzeige. Stattdessen stellt der Wirtschaftsminister massive Subventionen in Aussicht. Frei nach Gutsherrenart: Der Staat nimmt’s. Der Staat gibt’s. Der zuständige Minister zeigt damit, wieviel er der Industrie zutraut - nichts. Die Betriebe wollen kein Taschengeld, sondern vernünftige Rahmenbedingungen."
Connemann sagte zudem: "Die Betriebe wollen kein Taschengeld, sondern vernünftige Rahmenbedingungen." Und: "Die Betriebe brauchen eine ideologiefreie Energiepolitik für bezahlbaren Strom, etwa durch die Wiederinbetriebnahme der AKW. Gegen den Bürokratie-Burnout würde sofort die Aussetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes helfen."
Droht hier schon der nächste Ampelzoff?
Ein weiterer Punkt in Habecks Papier könnte für Sprengstoff innerhalb der Ampelkoalition sorgen. Denn dort heißt es, dass die staatlich eingeleiteten Förderprogramme "langfristig durchgehalten werden" müssten.
Im Klartext: Die Unterstützung der Wirtschaft wird teuer. "Das ruft Finanzierungsfragen auf", lautet der Strategietext weiter. Diese Fragen werden sich auf die Einhaltung der Schuldenbremse beziehen – bislang ein rotes Tuch für den Koalitionspartner FDP.
Besonders teuer wäre der von Habeck vorgeschlagene Brückenstrompreis. In der Strategie betont er die aus seiner Sicht notwendige staatliche Garantie für einen Strompreis. Finanzminister Christian Lindner (FDP) ist dagegen, Kanzler Olaf Scholz (SPD) war zuletzt noch skeptisch.
Das Strategiepapier bisher nicht mit den Koalitionspartnern abgestimmt. Es handelt sich zunächst lediglich um einen Vorschlag aus dem Wirtschaftsministerium.
- Eigene Recherche
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa