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Liz Truss in der Kritik: Das Chaos in England und China trifft auch uns


Meinung
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Drohende Rezession
Dieses Chaos trifft auch uns

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 18.10.2022Lesedauer: 3 Min.
Proteste gegen Liz Truss: Die britische Premierministerin steht in der Kritik.Vergrößern des Bildes
Proteste gegen Liz Truss: Die britische Premierministerin steht in der Kritik. (Quelle: Vuk Valcic/imago-images-bilder)

China hält Handelszahlen zurück, der britische Finanzminister löscht Pläne seines Vorgängers. Das muss auch Deutschland ernst nehmen – und handeln.

Wenn die Nichtveröffentlichung einer Nachricht eine Nachricht wird, bedeutet das in der Regel nichts Gutes. Dass China weder am Freitag seine neuesten Außenhandelszahlen noch in dieser Woche die Wachstumsdaten für das dritte Quartal publiziert hat, lässt ernsthafte Störungen in der chinesischen Wirtschaft befürchten. Das sind schlechte Nachrichten – auch für Deutschland und Europa.

Wenn ein Finanzminister die gerade erst präsentierten Pläne seines Vorgängers mit einem Federstrich löscht, ist das ebenfalls kein Ausweis kontinuierlicher und berechenbarer Regierungsarbeit. Dass der neue britische Finanzminister Jeremy Hunt genau das tun musste, um die Finanzmärkte zu beruhigen und die drohende Schieflage britischer Pensionskassen abzuwenden, zeigt das Ausmaß der politischen Chaostage in London.

Was beide Szenen mit uns zu tun haben? Eine ganze Menge. Auch wenn man in sich hineinmurmeln möchte, dass Berlin nur kleinere Kanzler-Machtworte braucht, um wieder auf die Spur zu kommen, betreffen die Vorfälle in London und Peking die Lage in Deutschland massiv.

China ist Deutschlands größter Handelspartner

Nur die USA kaufen noch mehr Waren in Deutschland ein als China. Und: Mehr als die Hälfte des deutschen Exports nach China geht auf das Konto der Autoindustrie und des Maschinenbaus.

Noch deutlicher ist die Verflechtung beim Import, da ist China seit Jahren Deutschlands größter Handelspartner. Auch wenn jetzt alle schwören, man habe die russische Lektion gelernt und werde sich schon bald auch von Abhängigkeit befreien, hilft das auf kurze Frist nicht viel.

Die Nachfrage aus China bleibt auch in den kommenden Jahren eine wichtige Stütze, oder ein großes Risiko für die deutsche Konjunktur. Der Export aus Asien ist in die Lieferketten immer noch fest eingebunden. Fallen sie kurzfristig aus, wird die bevorstehende Winter-Rezession in Deutschland tiefer als bisher befürchtet.

Liz Truss hat ihre Pläne nicht ordentlich finanziert

Großbritannien dagegen verliert als Handelspartner Europas zwar stetig an Bedeutung. Doch das Dilemma der Regierung in London ist dasselbe wie das der Regierungschefs auf dem Kontinent: Die Notenbanken bremsen die Konjunktur und damit die Nachfrage, um die Inflationsraten herunterzubringen.

Schwere Rezessionen aber sind für Regierungen schwer auszuhalten. Deshalb versuchen sie, die Nachfrage zu beleben – auf dem Kontinent, indem die Energierechnungen der Bürgerinnen und Bürger subventioniert werden, in England, indem dazu noch eine deutliche Steuersenkung geplant wurde. Finanziert werden diese Programme in der Regel mit neuen Schulden.

Die neue britische Regierungschefin hat es übertrieben. Sie wollte ihren Bürgern und Unternehmen nicht nur einen Teil der Energierechnung abnehmen, sondern – wie ihr großes Vorbild Margaret Thatcher Anfang der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts – die Steuern deutlich senken, um die Nachfrage anzukurbeln.

Anders als Thatcher aber dachte sie nicht daran, ihr Programm ordentlich zu finanzieren, etwa durch Ausgabenkürzungen oder Steuererhöhungen an anderer Stelle. Truss wird deshalb in der eigenen Partei, vor allem aber von den Finanzmärkten, hart abgestraft.

Schadenfreude zügeln

Die europäischen Regierungschefs sollten ihre Schadenfreude zügeln. Ihnen blüht ein ähnliches Schicksal, wenn sie ihre Gaspreisdeckel, Strompauschalen und Mobilitätssonderangebote weiterhin bedenkenlos mit neuen Schulden finanzieren. Ist das Misstrauen erst einmal da, werden sich auch die Staaten der Eurozone bald wieder fragen lassen müssen, wie gut sie als Schuldner sind.

Insofern ist es eine gute Nachricht, dass die britische Regierung ihr Programm gestrichen und gestern versichert hat, "dass Großbritannien seine Schulden immer bezahlt hat und das auch weiterhin tun wird".

Der chinesische Präsident Xi Jinping hat sein Land auf dem in dieser Woche stattfindenden Parteitag zwar auf "schwierige Zeiten" eingestimmt. Doch das muss nicht heißen, dass er dem Außenhandel den Stecker abrupt ziehen wird. Auch seine Drohung, China und Taiwan "auf jeden Fall" wiederzuvereinigen, muss kurzfristig keinen Krieg im südchinesischen Meer bedeuten.

Nur darf sich niemand Illusionen machen: Für Deutschland und Europa sind beide Entwicklungen bestenfalls gekaufte Zeit. Diese Zeit müssen sie nutzen.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Ihr neues Buch heißt: Die Kanzlerin. Porträt einer Epoche.

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