Bekannt als Beschädigtenrente Trauma erlitten? Wann der Staat finanziell entschädigt
Opfer von körperlicher wie psychischer Gewalt haben unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf eine Entschädigung vom Staat. Was sich hinter dieser staatlichen Leistung verbirgt.
Wer in der Kindheit Gewalt erfahren hat, hat daran oft viele Jahre zu knabbern. Wirken die Erlebnisse im Erwachsenenalter noch immer nach, können Betroffene Anspruch auf staatliche Entschädigungszahlungen haben - früher auch bekannt unter dem Namen Beschädigtenrente. Auch Opfern anderer traumatischer Erlebnisse kann diese Leistung zustehen. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum Thema:
Entschädigungszahlung - was ist das genau?
Das ist eine Leistung, die der Staat Opfern von körperlicher wie psychischer Gewalt gewährt. Diese monatlichen Zahlungen sind laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales für Menschen bestimmt, die durch ein solches "schädigendes Ereignis" einen gesundheitlichen Schaden erlitten haben oder unter andauernden gesundheitlichen und/oder wirtschaftlichen Folgen leiden.
Seit Januar 2024 sind Leistungen des Sozialen Entschädigungsrechts im Sozialgesetzbuch 14. Buch (SGB XIV) geregelt. Wie hoch die Entschädigung ausfällt, richtet sich nach dem jeweiligen Grad der Beeinträchtigung.
Wer hat Anspruch auf die Entschädigungszahlung?
Zum Beispiel Menschen, die in ihrer Kindheit zu Hause Gewalt erlitten haben. Ihnen steht seit dem 1. Dezember 2000 eine Entschädigung zu, da seitdem in Deutschland ein Recht auf gewaltfreie Erziehung gilt.
Vor einiger Zeit hatte etwa ein Mann erfolgreich auf Entschädigungszahlung geklagt, der noch als Erwachsener unter den Folgen der physischen und psychischen Misshandlung aus der Kindheit leidet (Sozialgericht München, Az. S 31 VG 20/21). Der Kläger hatte in jungen Jahren im Haushalt seiner Familie regelmäßig körperliche und psychische Gewalt erfahren. Schläge sowie der Liebes- und Essensentzug lösten eine komplexe Traumafolgestörung, chronische Schmerzen und eine immer wiederkehrende Depression aus. Zeugen und ein medizinisches Gutachten konnten die durch die Gewalt erlittenen Gesundheitsstörungen bestätigen.
Weitere "schädigende Ereignisse", die zum Bezug einer Entschädigungszahlung berechtigen, sind nach Angaben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales:
- Gewalttaten (zum Beispiel Raubüberfall, Terroranschlag, sexueller Missbrauch, sexueller Übergriff, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung)
- Menschenhandel, Stalking, räuberische Erpressung, Geiselnahme
- Schockschäden (Zeugen, die Opfer gefunden haben oder Menschen, die eine emotionale Beziehung zum Opfer haben und durch die Nachricht von der angetanen Gewalt einen gesundheitlichen Schaden erleiden)
- Kriegsauswirkungen beider Weltkriege (gesundheitliche Schädigungen, die Betroffene durch Explosionen von bislang nicht entdeckten Kampfmitteln erleiden)
- Ereignisse im Zusammenhang mit der Ableistung des Zivildienstes (zum Beispiel ein Unfall)
- Schutzimpfungen oder andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe, die zu einem bleibenden Schaden geführt haben
Können auch Hinterbliebene eines Opfers Entschädigungszahlungen beanspruchen?
Ja. Zu den Hinterbliebenen zählen Witwen und Witwer, Waisen und hinterbliebene Eltern. "Eine Leistung an Hinterbliebene kann nur unter der Voraussetzung erfolgen, dass die geschädigte Person selbst an den Folgen des schädigenden Ereignisses gestorben ist", sagt Laura Acksteiner vom Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung Rheinland-Pfalz.
Wo kann ich mich beraten lassen?
Träger der sozialen Entschädigung sind die Bundesländer. Diese bestimmen, welche Behörde zuständig ist. Die Beratung erfolgt bei der jeweils zuständigen Versorgungsbehörde. Eine Übersicht der zuständigen Versorgungsbehörden ist auf der Website des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zu finden.
Wo kann ich eine Entschädigungszahlung beantragen?
Der Antrag ist bei der zuständigen Versorgungsbehörde vor Ort zu stellen.
Welche Nachweise sind dem Antrag beizufügen?
In der Regel Kopien des Personalausweises oder der Aufenthaltsgenehmigung. Wurde die Tat angezeigt, sind laut Ministeriumssprecher Protokolle und Zeugenaussagen hilfreich. "Sinnvoll ist die Erteilung einer Einverständniserklärung, die es der Prüfbehörde erlaubt, die behandelnden Ärzte, Krankenhäuser und Therapeuten um medizinische Unterlagen zu bitten", so ein Sprecher des Sozialministeriums.
Wie hoch fällt die Rente aus?
Das ist laut Acksteiner abhängig von der Höhe des festgestellten Grades der Schädigungsfolgen (GdS). Denn die individuelle Beeinträchtigung wird in Graden bewertet. Voraussetzung für den Erhalt einer Entschädigungszahlung ist, dass die geschädigte Person mindestens einen Grad der Schädigungsfolgen von 30 hat.
Seit dem 1. Juli 2024 liegen die monatlichen Entschädigungszahlungen nach Paragraph 83 SGB XIV bei folgender Höhe:
- GdS 30 und 40: 418 Euro
- GdS 50 und 60: 837 Euro
- GdS 70 und 80: 1.255 Euro
- GdS 90: 1.673 Euro
- GdS 100: 2.091 Euro
Für besonders schwer Geschädigte mit einem GdS von 100, bei denen besonders schwere Schädigungsfolgen vorliegen, erhöhen sich die monatlichen Zahlungen um 20 Prozent.
Die Entschädigungszahlung an Hinterbliebene (Paragraph 85 SGB XIV) beträgt monatlich 1.103 Euro. Sie erhöht sich um 52 Euro für jedes im Haushalt lebende, minderjährige Kind.
Für Waisen eines schädigungsbedingt verstorbenen Elternteils zahlen die Ämter nach Paragraph 87 Absatz 1 SGB XIV jeweils eine monatliche Entschädigungszahlung von 408 Euro. Sind beide Elternteile schädigungsbedingt verstorben, beträgt die monatliche Entschädigung 638 Euro an die jeweiligen Waisen.
Nach Paragraph 88 SGB XIV können auch Eltern unter bestimmten Voraussetzungen eine monatliche Entschädigung erhalten. Diese beträgt für jedes Kind, das an einer Schädigung gestorben ist, für ein noch lebendes Elternteil 261 Euro beziehungsweise je 157 Euro für beide Elternteile.
Gut zu wissen: Die Höhe der Entschädigungszahlungen verändert sich laut dem Ministeriumssprecher entsprechend mit dem aktuell geltenden Rentenwert der gesetzlichen Rentenversicherung. Bekommen Rentner eine Rentenerhöhung, erhalten also auch Geschädigte mehr Geld.
Übrigens: Geschädigten, denen durch die Schädigungsfolgen Verluste beim Erwerbseinkommen entstehen, werden diese durch den Berufsschadenausgleich (Paragraph 89 SGB XIV) ersetzt, nicht über Entschädigungszahlung. Die zuständige Versorgungsbehörde ermittelt den monatlichen Betrag in diesem Fall individuell.
- Nachrichtenagentur dpa