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Unzufriedenheit in Deutschland: Wo jetzt noch mehr Streiks drohen


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Millionen Menschen betroffen
Hier drohen jetzt noch mehr Streiks


03.03.2023Lesedauer: 6 Min.
Demonstranten stehen vor dem Bergbaumuseum in Bochum: Zahlreiche Menschen streiken derzeit bundesweit.Vergrößern des Bildes
Demonstranten stehen vor dem Bergbaumuseum in Bochum: Zahlreiche Menschen streiken derzeit bundesweit. (Quelle: via imago-images.de)

Millionen Beschäftige in Deutschland wollen mehr Geld – und gehen dafür auf die Straße. Um welche Branchen es geht und wo das große Streik-Chaos droht.

Pendler brauchen diesen Freitag starke Nerven, schon wieder. In zahlreichen Städten streiken die Angestellten im öffentlichen Nahverkehr, darunter München und Bremen, Chemnitz und Karlsruhe. Es ist nicht das erste Mal, dass Streiks Teile des Landes lahmlegen und es wird wohl nicht das letzte Mal in diesem Jahr bleiben:

Fast täglich heißt es in den Nachrichten, dass Tarifverhandlungen gescheitert sind und Gewerkschaften zu Warnstreiks aufrufen. Die daraus folgenden Probleme reichen über eine einfache Verzögerung bei der Briefzustellung bis hin zu Flughäfen, die ihren Betrieb komplett einstellen mussten.

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Deutschland steht, so scheint es, vor dem großen Streik-Chaos. Doch warum eigentlich? Wie viele Beschäftige sind betroffen? Und um welche Gehaltssprünge geht es den Gewerkschaften dabei überhaupt? t-online gibt Ihnen einen Überblick über die Branchen.

Deutsche Post

Für die 160.000 Briefträger, Paketzusteller und andere Beschäftigte der Deutschen Post im Inland ist der Tarifvertrag zum Jahreswechsel ausgelaufen, einen neuen gibt es noch nicht, die Verhandlungen zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite stocken. In den vergangenen Wochen hatte die Gewerkschaft Verdi deshalb mit Warnstreiks den Druck erhöht. Millionen von Sendungen blieben in der Folge tagelang liegen. Mehr dazu lesen Sie hier.

Verdi und die Arbeitgeber haben bislang in drei Verhandlungsrunden kein Ergebnis erzielen können. "Das von den Arbeitgebern vorgelegte Angebot ist weit von unseren Forderungen entfernt", heißt es von Verdi.

Die Forderung der Gewerkschaft: 15 Prozent mehr Lohn bei einer Tariflaufzeit von einem Jahr. Die Post bietet für einen 24-Monats-Zeitraum bisher eine Tariferhöhung in zwei Stufen ab 2024 an. Den Konzernangaben zufolge würde die Bezahlung damit um durchschnittlich 11,5 Prozent steigen.

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Der Konflikt ist festgefahren. Kunden der Post müssen sich deshalb weiter auf Verzögerungen einstellen: Bis zum 8. März können Gewerkschaftsmitglieder darüber entscheiden, ob es einen unbefristeten Arbeitskampf gibt. Das Ergebnis der Urabstimmung soll am 9. März bekannt gegeben werden. Der Versand von Briefen oder Paketen dürfte bei einer Zustimmung noch stärker beeinträchtigt werden.

Deutsche Bahn

Auch bei der Bahn könnte es in absehbarer Zeit wieder Streiks geben. Auslöser diesmal sind jedoch nicht die Lokführer, sondern das übrige Zugpersonal. Bahn-Personalvorstand Martin Seiler ging am Dienstag entgegen den Forderungen der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) ohne Angebot in die Verhandlungen für die rund 180.000 Beschäftigten des Konzerns in Fulda. Bereits nach zwei Stunden brach die Gewerkschaft die Gespräche daraufhin ab – und der Tonfall zwischen den Parteien verschärfte sich deutlich.

Die EVG fordert in der Tarifrunde unter anderem mindestens 650 Euro monatlich mehr für die Mitarbeiter. Bei den höheren Entgelten will die Gewerkschaft eigenen Angaben zufolge eine Steigerung um zwölf Prozent erreichen. Für Auszubildende fordert die EVG 325 Euro mehr im Monat. Neben den reinen Lohnforderungen will die Gewerkschaft auch die Struktur der Tarifverträge überarbeiten. Die Laufzeit soll zwölf Monate betragen.

Öffentlicher Dienst Bund und Kommunen

Die Verhandlungen für die rund 2,5 Millionen Beschäftigte von Bund und Kommunen haben sich seit dem Start im Januar bisher zäh gestaltet. Verdi und der Deutsche Beamtenbund (DBB) fordern 10,5 Prozent mehr Lohn, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat.

Bei der zweiten Verhandlungsrunde Ende Februar hatte es noch keine Annäherung gegeben. Ein Angebot der Arbeitgeber umfasst unter anderem eine Entgelterhöhung von insgesamt fünf Prozent in zwei Schritten und Einmalzahlungen in Höhe von insgesamt 2.500 Euro. Verdi-Vizechefin Christine Behle sagt dazu: "Das ist ein Schlag ins Gesicht der Beschäftigten."

Erwartet werden zunehmende Ausstände bis zur dritten Verhandlungsrunde Ende März. Bei diesem wahrscheinlich entscheidenden Zusammentreffen der Spitzenvertreter von Gewerkschaften, Kommunen und vom Bund in Potsdam ist ein Durchbruch ebenso möglich wie ein Scheitern oder der Weg zu einer Schlichtung.

Dann sind weitere Streiks nicht ausgeschlossen. Betroffen davon dürften neben den Flughäfen, die zum Teil in öffentlicher Hand sind, auch Krankenhäuser sowie vor allem die öffentliche Verwaltung betroffen sein. Wer dann fix einen neuen Reisepass braucht, könnte Probleme bekommen.

In Kitas und sozialen Einrichtungen hat die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi bereits für den kommenden Mittwoch zu bundesweiten Warnstreiks aufgerufen. Die Warnstreiks seien eine Reaktion "auf das völlig unzureichende Angebot der Arbeitgeber aus der zweiten Verhandlungsrunde für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst", teilte Verdi am Freitag in Berlin mit. Demnach könne es zu Einschränkungen des Betriebes sowie zu Schließungen kommen.

Textil und Bekleidung West

Weniger relevant für die breite Öffentlichkeit sind die Tarifgespräche in der Textil- und Bekleidungsindustrie in Westdeutschland. Hier geht es um mehr Geld für rund 100.000 Beschäftige.

Zuletzt endete die zweite Verhandlungsrunde ergebnislos. Die IG Metall hat das Angebot der Arbeitgeber am Mittwoch zurückgewiesen. Noch in der Nacht wurden erste Warnstreiks gestartet. Die Gewerkschaft fordert acht Prozent mehr Geld – mindestens 200 Euro. Die nächste Verhandlungsrunde ist am 15. März.

Warnstreiks hatten in Bayern in der Nacht zum Mittwoch begonnen. Beim Automobilzulieferer Forvia streikte die Nachtschicht ab 1.30 Uhr. Auch die Beschäftigten in der Früh- und Spätschicht legten ihre Arbeit nieder. Weitere Warnstreiks sollen folgen.

Private Energiewirtschaft

Die Gemeinschaft Energie, zu der die Energieriesen Eon, Tennet und AVU gehören, soll nach Forderungen von Verdi unter anderem 13 Prozent mehr Geld bei einer Laufzeit von zwölf Monaten bekommen – mindestens 550 Euro. Die Verhandlungen für den Eon-Konzern sowie Tennet und AVU starten am 6. März. Auch die private Energie Baden-Württemberg (EnBW) beginnt am 23. März Verhandlungen. Betroffen sind rund 51.000 Beschäftigte.

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"Die Energiewirtschaft ist die zentrale Stütze unseres gesellschaftlichen Lebens und unserer Wirtschaftskraft", betonte Stefan Najda, Bundestarifsekretär für die Energiewirtschaft bei Verdi. Und weiter: "Sie arbeiten auch in diesem Jahr wieder teilweise bis über die Belastungsgrenze, um für uns alle Versorgungssicherheit zu schaffen."

Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitende Industrie (PPKV)

Nach zwei Verhandlungsrunden gibt es noch kein Ergebnis für die rund 100.000 Beschäftigten in der Papier- und Kunststoffindustrie. Der Hauptverband Papier und Kunststoffverarbeitung (HPV) biete 4,1 Prozent mehr Geld für 27 Monate. Verdi hingegen fordert 10,5 Prozent mehr. Die dritte Verhandlungsrunde ist für den 7. März terminiert.

Im Vorfeld der dritten Tarifrunde hatte Verdi in Linnich (NRW) zum Streik aufgerufen. Um 6 Uhr zur Frühschicht, mittags um 13 Uhr vor der Spätschicht und abends um 21 Uhr zur Nachtschicht versammelten sich Hunderte Arbeitnehmer in gelben Warnwesten und mit Streik-Bannern.

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Kürzlich abgeschlossene Tarifverhandlungen

Immerhin: Einige Abschlüsse sind bereits besiegelt. In diesen Branchen sind weitere Streiks abgewendet.

Kautschuk: Die rund 70.000 Beschäftigten der deutschen Kautschukindustrie erhalten mehr Geld. Die Arbeitgeber und die Gewerkschaft IG BCE einigten sich bei ihren Tarifverhandlungen in Fulda auf dreistufige Tabellenerhöhungen sowie Einmalzahlungen zum Inflationsausgleich bei einer Laufzeit von 24 Monaten, wie beide Seiten am Mittwoch berichteten.

Die Gehälter wachsen um einen Sockelbetrag von insgesamt 250 Euro, was laut IG BCE zu einem durchschnittlichen Anstieg um 8,1 Prozent führt und die unteren Einkommen überproportional fördert. Dazu kommen 3.000 Euro steuer- und abgabenfreier Inflationsausgleich, der in vier Tranchen ausgezahlt wird. Gewerkschaftsmitglieder sollen 200 Euro zusätzlich erhalten. Der Tarifvertrag läuft bis Ende Mai 2025.

Zuckerindustrie: Die etwa 5.500 Beschäftigten bei Nordzucker, Südzucker, Pfeifer und Langen sowie Consun Beet Company erhalten nach Gewerkschaftsangaben ab April mehr Geld. Dies teilte die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) am Mittwoch in Hamburg mit. Insgesamt steige der Lohn für die Beschäftigten in der Zuckerindustrie um 7,5 Prozent in zwei Schritten. Für Auszubildende gibt es 200 Euro mehr. Der Tarifvertrag kann laut Mitteilung zum 31. März 2024 gekündigt werden.

Coca-Cola: Die rund 6.500 Beschäftigten des Getränkeherstellers Coca-Cola Deutschland bekommen deutlich mehr Geld. Die NGG und die Coca-Cola Europacific Partners Deutschland haben sich in der zweiten Verhandlungsrunde auf einen Tarifabschluss geeinigt, wie beide Tarifparteien am 10. Februar mitteilten. Demnach erhalten die Beschäftigten in mehreren Schritten insgesamt rund zehn Prozent mehr Gehalt und eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von etwa 3.000 Euro.

Metallbau und in der Feinwerktechnik Baden-Württemberg: Die rund 40.000 Beschäftigten im Metallbau und in der Feinwerktechnik im Südwesten bekommen mehr Geld. Vom 1. Mai an steigen die Entgelte um 5,2 Prozent, wie die IG Metall und der Unternehmerverband Metall am 7. Februar nach der zweiten Verhandlungsrunde mitteilten. Dazu kommt eine steuerfreie Inflationsprämie von 1.200 Euro, von der die erste Hälfte mit der März-Abrechnung fließen muss.

Auch die Ausbildungsvergütungen sollen steigen. Der Tarifvertrag hat eine Laufzeit bis Ende April 2024. Betriebe in wirtschaftlicher Not sollen die Auszahlung der Inflationsprämie nach Rücksprache verschieben können.

Ost-West-Angleichung der Löhne in der Landwirtschaft: Die Angleichung der Löhne zwischen Ost und West für Beschäftigte in der Landwirtschaft ist beschlossene Sache. Die Gewerkschaft IG Bau und die Landesverbände-Ost des Gesamtverbandes der deutschen Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände (GLFA) haben sich in Teltow auf die Annahme einer Tarifeinigung aus dem vergangenen Herbst verständigt, wie die Gewerkschaft am Montag in Frankfurt mitteilte.

Verwendete Quellen
  • Pressemitteilungen verdi.de
  • Mitteilungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes
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