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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Quantencomputer-Durchbruch? Lösung nach drei Minuten statt 10.000 Jahren
Google-Forscher wollen einen wissenschaftlichen Durchbruch erzielt haben: Ihr experimenteller Quantencomputer berechnete eine Aufgabe, die herkömmliche Superrechner praktisch nicht hätten lösen können. Ist eine neue Computer-Ära angebrochen?
Das Thema Quantencomputer beschäftigt Forscher weltweit seit Jahrzehnten. Doch während die Chip-Industrie von Jahr zu Jahr Fortschritte macht, hört man von der Forschung um Quantencomputer stets nur, dass sie theoretisch Aufgaben bewältigen können, die bis dato als unmöglich galten – und dass es noch dauern werde, bis man das praktisch demonstrieren kann.
Die Lösung einer solchen Aufgabe wird in diesem Feld "Quantum supremacy", also Quanten-Überlegenheit bezeichnet. Und genau diesen Nachweis will Google nun erbracht haben. In einem Artikel für das renommierte Wissenschaftsmagazin "Nature" beschreiben Googles Forscher, dass ihr "Sycamore" getaufter Quantenprozessor eine Testaufgabe in gerade einmal 200 Sekunden löste – ein aktueller Supercomputer hätte für dieselbe Aufgabe 10.000 Jahre Berechnungszeit benötigt, schreiben sie.
Wie funktionieren Quantencomputer?
An einer nachvollziehbaren Erklärung, wie genau Quantencomputer diese Leistungen vollbringen können, scheitern selbst Experten. Nobelpreisträger Richard Feynman, einer der wichtigsten Physiker des 20. Jahrhunderts, ist bekannt für den Satz: "Wenn du glaubst, Quantenmechanik zu verstehen, dann verstehst du Quantenmechanik nicht."
Das besondere an Quantencomputern ist, dass sie nicht den klassischen Naturgesetzen folgen. In einem Computer kann die kleinste Informationseinheit Bit entweder den Zustand "An" oder "Aus" oder besser gesagt "1" oder "0" annehmen. Ein Quantum-Bit oder Qubit kann hingegen auch einen Zwischenzustand annehmen, eine Superposition.
Unterschied zwischen Bits und Qubits
Es hat dann gewissermaßen gleichzeitig den Wert "1" und "0". Verkoppelt man mehrere dieser Qubits miteinander, wächst der Raum der gleichzeitig erkundbaren möglichen Lösungen exponentiell. Wenn man 333 Qubits miteinander verbinde, komme man auf eine Zahl von 1,7*10100 Berechnungszuständen, die in diese Superpositionen versetzt werden könnten, rechnet Google-Chef Sundar Pichai in einem Blogeintrag vor. Eine Eins mit 100 Nullen, diese Zahl heißt im Englischen auch "Googol", sie ist Namenspate für die Suchmaschine.
Googles Forschern gelang es, 53 Qubits zu einem Rechner zu verbinden. Schon das reichte für die Rekordrechenleistung. Allerdings ist dies nur unter höchstem technischem Aufwand machbar. Quantencomputer funktionieren aktuell nur im Vakuum und im Temperaturbereich nahe dem absoluten Nullpunkt.
Praktische Anwendungen noch viele Jahre entfernt
Auch Pichai gibt zu, dass es noch "viele Jahre" dauern werde, bis Quantencomputer tatsächlich für eine breitere Zahl von echten Anwendungen eingesetzt werden könnten.
Konkurrent IBM – dort forscht man ebenfalls an Quantencomputern – behauptet derweil, dass die durchgeführte Rechnung auf einem Supercomputer nicht 10.000 Jahre, sondern nur zweieinhalb Tage dauern würde. Google nutzte bei der simulierten Berechnung nur den Arbeitsspeicher des Supercomputers, nicht aber dessen Festspeicher, um Zwischenergebnisse zu speichern, erklärt IBM.
Was könnten Quantencomputer in Zukunft leisten?
Klar ist aber: Die Fortschritte sind deutlich erkennbar, Quantencomputer könnten in absehbarer Zeit Wirklichkeit werden. Allerdings werden sie nur in bestimmten Bereichen sinnvoll einsetzbar sein. Schon jetzt scheint aber absehbar zu sein, dass etwa gängige Verschlüsselungsverfahren dann nicht mehr sicher wären.
So brauchen herkömmliche Computer zwar noch Jahrtausende, um heutige Verschlüsselungen zu knacken, Quantencomputer könnten das hingegen in Augenblicken erledigen.
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Immerhin, auch an quantenfesten Verschlüsselungsalgorithmen wird bereits gearbeitet. Die Zukunft des Quantencomputings wird auf jeden Fall spannend und bringt derzeit noch nicht einschätzbare Potenziale – und auch Herausforderungen – mit sich.