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Zum journalistischen Leitbild von t-online.iPhones werden billiger Sieben Grafiken, die Apples Strategiewechsel erklären
Das neue iPhone 11 ist offiziell. Technisch gesehen bietet es nicht viel Neues. Dafür überraschte Apple mit einer veränderten Preispolitik. Sieben Grafiken zeigen, woher der Sinneswandel kommt.
Manch einer hatte Apple schon abgeschrieben. Und zugegeben: Das vergangene Jahr verlief nicht gerade glücklich für den iPhone-Konzern. Die Absatzzahlen sind rückläufig. Das Weihnachtsgeschäft 2018 war eine Katastrophe. Und dann hängt da noch der Handelskonflikt mit China wie ein Damoklesschwert über allem und droht, die Produktionskette zu zerstören und den US-Markt abzutrennen.
Das iPhone 11 soll die Wende bringen. Um den iPhone-Verkauf wieder anzukurbeln, tut Apple das Naheliegende: Es senkt die Preise. Mit Spitzenpreisen von bis zu 1.650 Euro für das iPhone XS Max hatte der Hersteller im Vorjahr den Bogen offensichtlich überspannt. Die Geräte entwickelten sich zum Ladenhüter. Lediglich das billigere iPhone XR fand Zuspruch.
Der Nachfolger, das iPhone 11 wird noch günstiger. In Deutschland wird das Gerät 799 Euro kosten. Das iPhone Pro verkauft Apple ab 1.149 Euro und das Pro Max ab 1.249 Euro. (Mehr zu den vorgestellten Neuheiten erfahren Sie hier) Ältere Apple-Modelle werden auch im Preis reduziert. Das dürfte selbst manche Android-Nutzer ins Grübeln bringen.
Es ist auch höchste Zeit. In Sachen Umsatz ist der iPhone-Hersteller zwar immer noch der König unter den Smartphone-Herstellern. Beim Absatz hat Huawei Apple aber abgelöst.
Nun steckt Huawei wegen der US-Sanktionen selbst in der Krise. Die neuen Smartphones des chinesischen Konzerns können technisch noch so ausgefeilt sein – ohne Google Apps oder gar Android werden europäische Kunden sie meiden. Das ist Apples Chance.
Technisch hat Apple allerdings viel aufzuholen: Den jetzt (erst) angekündigten Nachtmodus kennen Android-Nutzer schon seit Jahren. Auch die Triple-Kamera mit Ultra-Weitwinkel wirkt geradezu altbacken und von der Konkurrenz abgekupfert. Hat ausgerechnet der Smartphone-Pionier seine Innovationskraft verloren?
Es ist wohl eher so, dass Apple seine Prioritäten neu ausrichtet. Und das aus gutem Grund.
Apple richtet sein Geschäft neu aus
Aktuelle Top-Smartphones erbringen heutzutage eine Leistung, die sich nur noch schwer steigern lässt. Von Generation zu Generation werden die Unterschiede immer kleiner. Das spüren auch die potenziellen Käufer. Sie vermissen echte Fortschritte und Innovationen – "the next big thing", wie Steve Jobs sagen würde.
Hinzu kommt, dass die Nutzer die volle Leistungsfähigkeit ihrer Geräte selten ausschöpfen. Das wirkt sich auf das Kaufverhalten der Konsumenten aus: Solange es das alte Smartphone noch tut und das neue Modell keine signifikanten Vorteile verspricht, bleiben Neuanschaffungen aus. Der Absatzmarkt für Smartphones ist seit Jahren rückläufig, nicht nur bei Apple. Neue Nutzergruppen können Hersteller im Grunde nur in den weniger entwickelten, ärmeren Ländern erschließen. Doch dort fehlen sowohl das Geld als auch die Internetverbindung.
Die Hersteller stehen nun vor der Wahl: Stecken sie all ihr Geld in die mühselige und teure Weiterentwicklung der Geräte? Apple hat sich gegen das eher aussichtslose Wettrüsten entschieden. Sollen die anderen ruhig ihr Geld in gewagte Unternehmungen wie ein Faltphone stecken. Apple wendet sich der nächsten Front zu: den Inhalten.
Hier will Apple in den nächsten Jahren kräftig investieren. An Geld mangelt es jedenfalls nicht. Apple ist neben Amazon und Microsoft einer der wenigen Billionen-Konzerne auf diesem Planeten.
Mit dem Verkauf innovativer Produkte an eine zahlungskräftige Kundschaft hat Apple ein unfassbares Vermögen angehäuft, das nun in die Entwicklung neuer Geschäftsfelder fließen wird. Das Spiele-Abo Apple Arcade zählt ebenso dazu wie der Streaming-Dienst Apple TV+, der bald schon in 100 Ländern starten soll – zum Kampfpreis von 4,99 Euro monatlich. Wer ein iPhone, iPad oder Mac kauft, darf den Dienst ein Jahr lang kostenlos testen.
Das dürfte für Apple zunächst ein Verlustgeschäft bedeuten. Doch das Ziel ist klar: Der iPhone-Hersteller will etablierte Konkurrenten wie Netflix vom Markt fegen oder ihnen zumindest Anteile abjagen. Mit den entsprechenden Inhalten könnte das gelingen.
Schon auf dem App-Markt hat sich gezeigt, dass es für Entwickler lukrativer ist, ihre Programme zuerst für iOS zu veröffentlichen. So konnte sich Apple einen Innovationsvorteil verschaffen.
Von den höheren App-Einnahmen behält Apple zudem einen nicht unerheblichen Anteil ein. Ähnlich wird es wohl auch bei Inhalten für die anderen Plattformen laufen. Wer für Apple-Nutzer Inhalte produzieren will, muss zum Teilen bereit sein.
Allerdings zeichnen sich gerade hier zunehmend Konflikte ab. Immer mehr App-Entwickler rebellieren gegen die hohen Margen im Apple App Store. Eine entsprechende EU-Klage von Spotify etwa droht, dem Konzern gefährlich zu werden. Auch beim geplanten News-Abo stößt Apple auf Widerstände von Seiten der Verleger. Ob es Apple gelingt, die Inhalteanbieter auf seine Seite zu ziehen, wird für die Zukunft seiner Dienste erfolgsentscheidend.
Hat Apple das iPhone aufgegeben?
Bislang zahlt sich die neue Strategie des Unternehmens jedenfalls aus. Schon heute machen die Einnahmen aus Apple Services einen wachsenden Teil des Unternehmensumsatzes aus. Der Anteil aus dem iPhone-Verkauf hingegen ist dieses Jahr erstmals auf weniger als die Hälfte geschrumpft.
All das erklärt, warum die technische Revolution, nach der sich der Smartphone-Markt so sehr sehnt, auf der Apple Keynote in diesem Jahr erneut ausgeblieben ist. Das Paradoxe daran: Trotz fehlender Innovationen hat Apple die Kaufargumente für ein iPhone vervielfacht – nicht durch das Gerät selbst, sondern durch die Inhalte und das Ökosystem darum herum. Dazu gehört die Apple Watch mit ihrer EKG-Funktion oder auch die früher im Jahr vorgestellte Privatsphäre-Initiative mit Features wie dem Apple Login, das die Identität des Nutzers verschleiert – und jetzt durch neue Preise.
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Für Apple selbst ist der Richtungswechsel, die Unabhängigkeitserklärung vom iPhone, eine sinnvolle und notwendige Entscheidung. Apple ist ein Konzern und tut das, was ein Konzern tun muss, um zu überleben: Er passt sich an.
- Eigene Recherche
- Statista