Presseschau "Dieses Votum wird Europa stärker machen."
Das Europaparlament hat die umstrittene Reform des Urheberrechts angenommen. Bei den Kommentatoren einiger Zeitungen kommt diese Entscheidung gut an.
Eine Mehrheit der EU-Abgeordneten hat für die umstrittene Urheberrechtsreform gestimmt. Auch der besonders umstrittene Artikel 13 blieb Teil der Richtlinie. Er soll Plattformen wie YouTube beim Schutz der Urheberrechte von Kreativen und Autoren stärker in die Pflicht nehmen.
Das Ja des Europaparlaments zur umstrittenen Reform des Urheberrechts sorgt für empörte Reaktionen, erfährt aber auch viel Lob. Verschiedene Aktivisten und Politiker haben sich bereits zur Reform geäußert. Ihre Meinungen finden Sie in diesem Artikel. Anbei ein Überblick über verschiedene Stimmen aus der Presse.
"Frankfurter Allgemeine Zeitung"
Was ist über diese Abstimmung zum Schutz des Urheberrechts nicht alles behauptet worden: Es gehe um Freiheit gegen Zensur, um die Zukunft des Internets, um Alles oder Nichts. (...) Worum es bei der Richtlinie zum Urheberrecht wirklich geht, sind eklatante Lücken im Schutz geistigen Eigentums – willkommen in der Zivilisation. Die Abstimmung in Straßburg gibt einen Rahmen vor, eine Richtlinie, die in nationalem Recht so angepasst werden kann, dass auch Kritiker noch auf ihre Kosten kommen. Dass die Welt des Internets, wie wir es kannten, damit untergehe, ist reine Panikmache. Andererseits: Wenn sich nichts ändern würde, wäre die Richtlinie überflüssig. Der Streit über Artikel 13 (jetzt 17) und die "Uploadfilter" wird also weitergehen.
"Süddeutsche Zeitung"
"Die Reform mag im Detail noch nicht perfekt sein; vieles werden Gerichte klären müssen. Aber sie ist ein weiteres wichtiges Stück europäischer Emanzipation. Europa hält dem Anything-goes-Denken der Silicon-Valley-Konzerne damit ein Stoppschild entgegen: seine Idee eines fairen Netzes, in dem monopolistische Plattformen Urheber angemessen an Gewinnen beteiligen müssen. Nimmt man die neue Datenschutzgrundverordnung und die tapferen Kartellentscheidungen der EU-Kommission gegen Google hinzu, formt sich das alles zu einem Modell, das weitsichtige Beobachter längst als weltweit vorbildlich ansehen. Nein, die EU hat keinen Schaden genommen, weil sich die Abgeordneten über den Protest von Millionen vor allem junger Bürger hinweggesetzt haben. Dieses Votum wird Europa stärker machen."
"Die Welt"
"All jene, die nach dieser klaren Entscheidung des EU-Parlaments lärmen, sind nicht nur schlechte Verlierer, sondern am Ende oft genug eher nützliches Spielzeug für Tech-Monopolisten, die zu einem unglaublichen Artensterben von Medien und Kultur führen oder schon geführt haben. (...) Die digitalen Wutbürger haben mit harten Bandagen gekämpft und Reformverfechter mit Todesdrohungen attackiert. Es ist dieser neue Ton in Debatten, die stets so geführt werden, als müsse in wechselseitiger Eskalation das Aufeinanderkrachen von Worst-Case-Szenarien angerichtet werden."
"Die Presse"
"Wer nun davor warnt, das neue EU-Urheberrecht würde der Zensur Tür und Tor öffnen, blendet aus, dass es längst dazu gekommen ist: Die algorithmisch gesteuerten Filterblasen, die User von Inhalten abschirmen, die nicht mit ihren vermeintlichen Überzeugungen übereinstimmen, sind nichts anderes als eine besonders perfide, subkutane Form der Zensur. Kann die Copyright-Reform irgendetwas dagegen ausrichten? Hoffentlich. (...) Die digitalen Riesen halten zwar wenig von Urheberrechten auf Ton, Text und Bild. Wenn es aber ums Copyright für ihre kostbaren Algorithmen geht, verstehen sie gar keinen Spaß."
"Mannheimer Morgen"
"Das ist ein guter Tag für ein freies und vielfältiges Internet. Es ist der Tag, an dem Autoren, Künstler, Komponisten und Journalisten wissen, dass sie weiter ihre Schöpfungen über dieses Medium verbreiten können, weil ihnen ihre Werke nicht einfach genommen werden, damit andere daraus ein attraktives Umfeld für ihre Werbung machen. Dieser Schritt zu einem neuen Leistungsschutzrecht war wichtig, weil er das Primat der Politik über die Regeln im Internet wiederhergestellt und den Konzernen entrissen hat."
"Nordwest-Zeitung" (Oldenburg)
"Wer die geistige Arbeit eines Anderen nutzt, muss dafür bezahlen. Zumindest muss er die Erlaubnis des Anderen einholen. Das Uploadfilter-Gespenst ist ein virtueller Schrecken. Für jedes Problem präsentieren die Tech-Giganten rasend schnell eine Lösung. Nur beim Hochladen fremden Eigentums wird das Silicon Valley zur amerikanischen Geisterstadt? Komisch. Übrigens: Von Löschung, Zensur oder der Beschränkung der Meinungsfreiheit steht nichts in der Urheberrechtslinie."
"Oberhessische Presse" (Marburg)
Urheberrecht ist kompliziert. Es geht um viele unterschiedliche Interessen: Internetgiganten wie Google und Facebook, kleine Plattformen, große und kleine Verlage, verschiedene Urheber – und natürlich Nutzer. Deshalb muss eine Reform gründlich durchdacht sein – doch leider hat man diesen Eindruck hier nicht. Da stimmte Bundesjustizministerin Katarina Barley im Ministerrat für die Reform, obwohl sie selbst gegen Artikel 13 ist. Da verspricht nun die Union, die im EU-Parlament für die Reform stimmte, man werde bei der nationalen Umsetzung Uploadfilter verhindern. Doch wie – das bleibt unklar. Bei einem Vorhaben, das so viele Bürger bewegt und zugleich für einige so wichtig ist, darf man nicht derart widersprüchlich agieren – sonst sorgt man für Politikverdrossenheit.
"Hannoversche Allgemeine Zeitung"
YouTube lebt prächtig davon, dass seine Nutzer Gratisvideos hochladen. Die Post vom Abmahnanwalt bekam bisher der User. Es ist nur gerecht, künftig die Profiteure in die Pflicht zu nehmen – die über die Furcht, das führe zu "Zensur-Infrastruktur" durch Vorabfilter nur lachen können: Würde YouTube solche Filter nicht längst nutzen, wäre es voller Pornografie. Das neue Urheberrecht soll die Egal-Mentalität im Netz einschränken. Wenn die Zeitung in ihrer Informations- und Kontrollfunktion durch Onlineangebote ergänzt oder gar ersetzt wird, müssen diese sich auch finanzieren können. Anarchie macht mehr Spaß als Regeln. Aber manchmal sind sie nötig.
"Neue Zürcher Zeitung"
"Die neue Regelung zwingt die Plattformbetreiber zu einem deutlich höheren Arbeitsaufwand. Denn sie müssen 'alle Anstrengungen' unternehmen, um den 'Urheberschutz nach Maßgabe hoher branchenüblicher Standards' zu gewährleisten. Verlangt wird auch die Einrichtung von Beschwerdestellen. Entsprechend steigen die Kosten. Das erklärt den Widerstand von YouTube und ähnlichen Akteuren. (...) Vorgesehen sind im Weiteren Maßnahmen zugunsten der Zeitungsverleger. Das sogenannte Leistungsschutzrecht soll es ihnen ermöglichen, auch Textanrisse urheberrechtlich zu schützen. (...) Die Hoffnung der Verleger, nun von Suchmaschinen, die Erzeugnisse der Presse verlinken, Geld verlangen zu können, wird sich kaum erfüllen. Google hat die Suchdienste bereits angepasst und die Textverweise der EU-Norm entsprechend verknappt."
"Der neue Tag" (Weiden)
"Der Streit um die Deutungshoheit über die Freiheit im Netz hat ein vorläufiges Ende. Die Abgeordneten im EU-Parlament stimmten mehrheitlich für die Reform des Urheberrechts. (...) Unstrittig ist: Die Freiheit des Hochladens endet dort, wo die Existenz ganzer Berufsgruppen gefährdet ist. (...) Nach der gleichen Logik könnte man Nachbars Auto der Allgemeinheit zur Verfügung stellen. (...) Die Urheberrechtsreform ist nicht der Untergang des freien Internets. Nationale Parlamente müssen das Gesetz jetzt so umsetzen, dass nicht Kreativität, sondern der Diebstahl geistigen Eigentums bestraft wird."
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"Straubinger Tagblatt"
"Wer befürchtet, die Anbieter würden nun aus lauter Furcht vor Sanktionen lieber zu viel als zu wenig sperren (wofür keine der großen Plattformen bisher bekannt ist), sollte die neue Wirklichkeit beobachten. Denn übertriebene Kontrollen sind untersagt. Und wer miserabel arbeitende Uploadfilter beklagt, kann sich beschweren – aber nicht beim Europäischen Parlament. Das ist zwar für das Urheberrecht verantwortlich, aber nicht für fehleranfällige Uploadfilter. Dieser Schritt zu einem neuen Leistungsschutzrecht war wichtig, weil er das Primat der Politik über die Regeln im Internet wiederhergestellt und den Konzernen entrissen hat."
- Nachrichtenagentur dpa
- Nachrichtenagentur AFP