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Urheberrechtsreform: Was bedeutet das Leistungsschutzrecht?


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Internetregulierung
Warum die EU schon wieder mit einem Internetgesetz aneckt


Aktualisiert am 19.06.2018Lesedauer: 5 Min.
Sitz des Europäischen Parlaments in Straßburg: Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments stimmt über eine neues Internet-Urheberrecht ab.Vergrößern des Bildes
Sitz des Europäischen Parlaments in Straßburg: Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments stimmt über eine neues Internet-Urheberrecht ab. (Quelle: Archivbild/blickwinkel/imago-images-bilder)
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Am Mittwoch stimmt das EU-Parlament über ein neues Gesetz ab und Internetexperten schlagen Alarm: Die geplante Urheberrechtsreform zerstöre den freien Austausch von Texten, Bildern und Meinungen im Netz. Reguliert die EU das Internet kaputt?

"Stoppt die Zensurmaschine! Rettet das Internet!" – so lautet der Titel einer Petition, die nur wenige Tage vor der entscheidenden Abstimmung im zuständigen Ausschuss des Europäischen Parlaments Unterzeichner sammelt. Glaubt man den Aktivisten, geht es jetzt um alles: Um die Freiheit des Internets, um den freien Gedankenaustausch im Netz.

Man fragt sich: schon wieder?

Gerade erst wurde hitzig über die Folgen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) debattiert. Davor wurde auf das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz geschimpft. Jetzt warnen Wirtschaftsverbände, Internetnutzer, Aktivisten und Politiker vor dem nächsten Debakel: der geplanten Urheberrechtsreform der EU. Denn die werde sich erheblich darauf auswirken, wie Internetnutzer Inhalte im Netz suchen und finden, teilen und diskutieren. Aber der Reihe nach.

Was geht hier vor?

Eine grundlegende Reform des europäischen Urheberrechts ist schon lange geplant und wurde von dem ehemaligen Digital-Kommissar Günther Oettinger 2016 auf den Weg gebracht. Mit der Richtlinie sollen die Rechte der Urheber im Netz gestärkt und Online-Piraterie effektiver bekämpft werden.

Am 25. Mai hatte der Ministerrat einen gemeinsamen Vorschlag der EU-Mitgliedstaaten als Verhandlungsbasis für die Reform vorgestellt. Jetzt muss sich das EU-Parlament auf eine einheitliche Linie festlegen. Das passiert zunächst im dafür zuständigen Rechtsausschuss. Dieser hat unter der Regie des deutschen Abgeordneten Axel Voss (CDU) einen Gesetzentwurf ausgearbeitet und wird am Mittwoch, den 20. Juni, darüber abstimmen.

Bisher sieht es danach aus, dass sich eine knappe Mehrheit für den Entwurf aussprechen wird. Mehrere Online-Kampagnen verfolgen das Ziel, die Politiker in letzter Minute umzustimmen.

Was steht denn Schlimmes im Gesetzentwurf?

Mit Artikel 13 wären Plattformbetreiber wie etwa YouTube, Twitter oder Facebook dazu verpflichtet, Urheberrechtsverletzungen noch vor der Veröffentlichung zu unterbinden. Das geht nur durch sogenannte Uploadfilter – automatisierte Software, die Inhalte noch beim Hochladen überprüft und bei Verdacht auf einen Urheberrechtsverstoß blockiert.

Unter diesen Bedingungen würden viele Nutzerinhalte wahrscheinlich nie veröffentlicht werden, kritisiert Oliver Süme. Der Chef des Verbands der Internetwirtschaft eco spricht angesichts der EU-Pläne von einem "massiven Eingriff" in die technische Grundstruktur des Internet und von einem "grundlegenden Wertewandel" in der Internetregulierung.

Bisher gilt das sogenannte Provider-Privileg: Betreiber müssen erst gegen illegale Inhalte vorgehen, nachdem sie davon Notiz erhalten haben. Ob eine Urheberrechtsverletzung vorliegt oder nicht, klärt im Zweifel ein Gericht.

Die neue EU-Direktive setzt dagegen auf vorsorgliche Löschung. "Das bedeutet, dass private Unternehmen darüber entscheiden werden, was im Netz zu lesen, zu hören und zu sehen sein wird, und was nicht", sagt Süme. Dadurch entledige sich der Rechtsstaat einer seiner Kernaufgaben, und zwar der Verfolgung von Straftaten im Netz. "Ich finde es erschreckend, dass solche grundlegenden Änderungen vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit erhalten", sagt Süme.

Und worum geht es in Artikel 11?

Mit dieser Regelung können Presseverlage unter bestimmten Umständen Lizenzgebühren verlangen, wenn Internetplattformen auf ihre Inhalte verlinken. Kritiker sprechen deshalb von einer "Linksteuer". Davon betroffen sind zum Beispiel soziale Netzwerke und News-Aggregatoren wie Google News, weil die zu jedem Link eine kleine, automatische Vorschau auf den Inhalt des Artikels zeigen. Doch diese Elemente sind urheberrechtlich geschützt, so die Argumentation. Deshalb sollen die Nutznießer für die Verwendung bezahlen.

In Spanien und Deutschland gibt es solche Regeln schon. Kritiker sehen in dem sogenannten Leistungsschutzrecht (LSR) vor allem ein Geschenk der Politik an große, einflussreiche Presseverlage. Große Internetkonzerne, allen voran Google, sollten dazu gezwungen werden, die Verlage an ihren Gewinnen zu beteiligen. Doch das LSR hatte nicht die gewünschte Wirkung. In Spanien führte es dazu, dass Google News den Betrieb einstellte. Und in Deutschland verzichteten die meisten Publikationen auf ihr neues Recht, weil sie sonst massiv an Besuchern verlieren würden. Google wurde also nicht bezwungen – ganz im Gegenteil.

Eine von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass das LSR vor allem kleinen und unabhängigen Medien schadet. Dennoch soll das Gesetz in der gesamten EU eingeführt werden, um den Druck zu erhöhen. Mehr als 100 Europa-Abgeordnete unterschiedlicher Parteizugehörigkeit haben sich bereits öffentlich gegen das Vorhaben ausgesprochen. In einem offenen Brief fordern sie, dass Artikel 11 gestrichen wird.

Wie geht es weiter?

Stimmt der EU-Rechtsausschuss mehrheitlich für den Gesetzentwurf, geht das Papier nach der Sommerpause in die Trilogverhandlungen, also die finalen Abstimmungen zwischen EU-Parlament, Ministerrat und Kommission. Noch sei das letzte Wort also noch nicht gesprochen, gibt Süme zu. Doch: "Mit der Entscheidung des Rechtsausschusses werden die Weichen in die ein oder andere Richtung gestellt." Werden die Artikel 11 und 13 in ihrer jetzigen Form abgesegnet, wird es für die Gegner schwer, etwas zu ändern.

Wenige Tage vor der Abstimmung formierte sich der Widerstand. Mehr als 70 namhafte Unternehmer und Internetpioniere unterzeichneten einen Offenen Brief an die EU, in dem sie vor den Auswirkungen von Leistungsschutzrecht und Uploadfiltern warnen. Zahlreiche Initiativen wie "Save the Internet" und Organisationen wie die "Electronic Frontier Foundation" (EFF) riefen die EU-Bürger auf, ihre Abgeordneten im EU-Parlament zu kontaktieren und auf ihre Seite zu ziehen. Ob die Bemühungen erfolgreich waren, wird sich am Mittwoch zeigen.

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Warum regt sich der Protest erst jetzt?

Sein Verband habe schon lange vor den Gefahren der geplanten EU-Reform gewarnt, sagt Süme. Aber: "Wir brauchen definitiv eine größere Aufmerksamkeit für das, was auf Brüsseler Ebene passiert." Es dauere stets seine Zeit, "bis die ganze Tragweite der Entscheidungen durchsickert."

Nach der Verabschiedung durch das EU-Parlament muss die Richtlinie in den Mitgliedsländern umgesetzt werden, bevor die Vorgaben gelten. Dies wird voraussichtlich erst 2020 geschehen. Auch deshalb scheint vielen Bürgern wohl noch keine Dringlichkeit geboten. Wenn sich die Folgen bemerkbar machen, ist es aber zu spät.

Was sagt denn die Bundespolitik?

Die deutsche Politik tendiert eher zu einem "nein" zu den Artikeln 11 und 13 der EU-Urheberrechtsreform. Tatsächlich haben sich SPD und CDU/CSU in ihrem Koalitionsvertrag bereits eindeutig gegen die Einführung von Uploadfiltern ausgesprochen. Dieser Beschluss habe aus ihrer Sicht nach wie vor Bestand, versicherte die Staatsministerin für Digitales Dorothee Bär t-online.de: "Für mich gilt nach wie vor der Koalitionsvertrag. Eine Verpflichtung von Plattformen zum Einsatz von Uploadfiltern ist unverhältnismäßig", sagte Bär.

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Auch das Leistungsschutzrecht sieht die CSU-Politikerin äußerst kritisch. Auf der Suche nach neuen Erlösmodellen im Internet sei dieses Gesetz der falsche Weg. "Der Versuch, sich durch Regulierung von technischen Innovationen abzukapseln, kann immer nur verzögern, nicht verhindern. Ich bin überzeugt, dass das Leistungsschutzrecht nur dazu führt, dass die Veränderungen dann nur später und massiver über die Verlagsbranche hereinbrechen."

Ähnlich sieht es der netzpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Jimmy Schulz: "Es ist nicht die Aufgabe der Politik, nicht mehr funktionsfähige Geschäftsmodelle künstlich am Leben zu erhalten." Die Einführung von Uploadfiltern werde zudem "die Meinungs- und Äußerungsfreiheit drastisch einschränken und uns alle unter Generalverdacht stellen", findet der FDP-Politiker. "Das käme einer Zensurinfrastruktur gleich und gefährdet die freie Netzkultur, wie wir sie kennen."

Verwendete Quellen
  • Webseite der EU-Abgeordneten Julia Reda
  • Offener Brief von 104 EU-Abgeordneten
  • Zeit Online über die EU-Studie zum Leistungsschutzrecht
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