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"Zensur in ihrer schlimmsten Form" | FDP-Politiker kündigen Klage gegen Anti-Hass-Gesetz an


"Zensur in ihrer schlimmsten Form"
FDP-Politiker kündigen Klage gegen Anti-Hass-Gesetz an

Von afp, t-online, str

Aktualisiert am 11.06.2018Lesedauer: 3 Min.
Der Abgeordnete Jimmy Schulz (FDP) im Bundestag ist gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz.Vergrößern des Bildes
Der Abgeordnete Jimmy Schulz (FDP) im Bundestag: Zusammen mit seinem Parteikollegen Manuel Höferlin will der FDP-Politiker gegen das umstrittene Netzwerkdurchsetzungsgesetz klagen. (Quelle: Thomas Koehler/imago-images-bilder)

Zwei FDP-Abgeordnete haben eine Klage gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz angekündigt. Die neuen Regeln, die seit Anfang des Jahres gelten, sollen Hass und Hetze im Netz bekämpfen. Kritiker sagen, das Gesetz schade der Meinungsvielfalt.

Gut fünf Monate nach Wirksamwerden des Gesetzes gegen Hassbotschaften im Internet (Netzwerkdurchsetzungsgesetz) wollen zwei FDP-Politiker gerichtlich dagegen vorgehen. Die Bundestagsabgeordneten Manuel Höferlin und Jimmy Schulz kündigten an, am Montag Klage vor dem Verwaltungsgericht Köln gegen das Gesetz einzureichen, wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtete.

Höferlin: "Gesetz führt zu Zensur in ihrer schlimmsten Form"

"Das Gesetz führt zu einer Zensur in ihrer schlimmsten Form: Selbstzensur im Kopf und Fremdzensur durch private Unternehmen", sagte Höferlin der Zeitung. Schulz sagte: "Der liberale Rechtsstaat darf die Entscheidung, was Recht und was Unrecht ist, nicht der Interpretation privater Unternehmen überlassen."

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist seit Oktober 2017 in Kraft und muss seit Anfang diesen Jahres angewendet werden. Es verpflichtet Betreiber sozialer Netzwerke zur Löschung etwa von Falschnachrichten und Hass-Posts. Die Wirkung ließ nicht lange auf sich warten: Auf Twitter und Facebook wurden zahlreiche Beiträge entfernt, nachdem sie von Nutzern gemeldet worden waren. Nicht immer handelte es sich dabei um eindeutig strafrechtlich relevante Inhalte. Kritiker des Gesetzes bemängeln eine zu umfangreiche Löschung und befürchten Zensur. Den Plattformbetreibern droht nämlich ein Bußgeld, wenn sie nicht schnell auf die Beschwerden der Nutzer reagieren.

Der Deutschland-Chef der Organisation "Reporter ohne Grenzen" Christian Mihr begrüßte den Vorstoß der beiden FDP-Politiker. Eine Klage gegen das "NetzDG" sei "überfällig" gewesen. Mihrs Organisation setzt sich weltweit für Meinungs- und Pressefreiheit ein und zählte von Anfang an zu den schärfsten Kritikern des Gesetzes, das vom damaligen Justizminister Heiko Maas (SPD) auf den Weg gebracht worden war.

"Das NetzDG wird international von autoritären Regimen als Mustergesetz kopiert und kann dort seine erheblichen Gefahren für die Meinungs- und Pressefreiheit voll entfalten", sagte Mihr dem Nachrichtenportal t-online.de. "Insofern ist es ein wichtiges Signal, dass der Protest hierzulande nicht abebbt."

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Linke und FDP wollen das Gesetz am liebsten abschaffen. Die FDP hat bereits eine entsprechende Gesetzesänderung in den Bundestag eingebracht. Durch das NetzDG habe der Staat eine seiner zentralen Aufgaben, nämlich die Verfolgung von Straftaten im Netz, in die Hände privater Unternehmen gegeben, sagte die FDP-Generalsekretärin Nicola Beer kürzlich im Gespräch mit t-online.de. Dies sei nicht hinnehmbar.

Gleichzeitig spricht sich auch die FDP-Fraktion im Bundestag für strengere Regeln für die Plattformbetreiber aus. Diese tragen laut Telemediengesetz die Verantwortung dafür, dass strafbare Inhalte auf ihren Seiten entfernt werden, sobald sie Kenntnis davon erlangen. Dieser Verpflichtung waren große Unternehmen wie Twitter oder Facebook aber jahrelang nur halbherzig nachgekommen. Das NetzDG sollte Abhilfe schaffen, schießt nach Ansicht der Kritiker aber übers Ziel hinaus.

Konzerne unter Druck – Löschquote steigt

Einige Punkte im Gesetz finden jedoch auch bei der Opposition Anklang. So sei es durchaus sinnvoll, dass Konzerne wie Facebook einen zentralen Ansprechpartner benennen müssen, findet Beer. Dieser soll deutschen Ermittlungsbehörden dabei helfen, Straftaten wie Volksverhetzung im Netz aufzuklären.

Die EU sieht die deutsche Lösung im Kampf gegen Hass und Falschmeldungen im Netz ebenfalls kritisch. Die EU-Kommission setzt lieber auf Selbstregulierung der Konzerne, droht aber ebenfalls mit schärferen Gesetzen. Die Strategie scheint Erfolg zu haben. Tatsächlich zeigen sich Facebook und Co neuerdings sehr bemüht, effektiver gegen Hass, Gewaltdarstellungen und Propaganda auf ihren Seiten vorzugehen. Die Löschquote steigt auch dank der Einrichtung von Löschzentren, mehr Mitarbeitern und der Einführung von umstrittenen Löschalgorithmen oder Upload-Filtern.

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Facebook veröffentlichte kürzlich seine neuen Community-Regeln und bemühte sich, seine internen Löschregeln genauer zu erklären. Nutzer erhalten außerdem ein Vetorecht, wenn sie sich zu Unrecht zensiert fühlen. Das sieht wie Einsicht aus: Facebook ist sich der hitzigen Debatten um seine soziale und mediale Verantwortung offenbar bewusst und geht gleichzeitig auf seine Nutzer zu.

Der Druck aus der Politik dürfte daran aber auch seinen Anteil haben. Auch Facebooks Transparenz-Offensive ist wahrscheinlich kein Zufall: Das NetzDG schreibt nämlich vor, dass die Konzerne ihre Löschkriterien und -statistiken offen legen müssen und gibt Nutzern eine Beschwerdemöglichkeit.

Beim dafür zuständigen Bundesamt für Justiz wurden nach Informationen von "Reporter ohne Grenzen" bisher aber nur 400 Fälle gemeldet, in denen Postings trotz Nutzerbeschwerden nicht gelöscht wurden. "Die Zahl liegt deutlich unter den für das gesamte Jahr erwarteten 25.000 Meldungen und lässt vermuten, dass die Betreiber mehr Inhalte löschen als sie müssten, um Strafen zu entgehen", kritisiert der Bürgerrechtler Mihr. Organisationen wie "Reporter ohne Grenzen" hatten früh vor diesem sogenannten "Overblocking" gewarnt.

Verwendete Quellen
  • eigene Recherche
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