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Umtausch oder Nachrüstung: Wie geht es weiter beim Diesel?


Konzept der Koalition
Wie geht es weiter beim Diesel?

Von dpa
Aktualisiert am 04.10.2018Lesedauer: 4 Min.
Diesel-Abgase sind ein Hauptverursacher für die zu schmutzige Luft in vielen deutschen Städten.Vergrößern des Bildes
Diesel-Abgase sind ein Hauptverursacher für die zu schmutzige Luft in vielen deutschen Städten. (Quelle: Patrick Pleul./dpa)

Berlin (dpa) - Die Verunsicherung unter Dieselbesitzern beenden und Fahrverbote vermeiden - das sind die Ziele der Bundesregierung mit ihrem Diesel-Paket. In ihrer Bewertung, die neuen Maßnahmen seien ein "großer Schritt", ist sie allerdings ziemlich allein.

Die Kritik ist breit und massiv. Von einer "Mogelpackung" ist die Rede, von einem "Schuss in den Auspuff" und einem "Kniefall" vor der Autobranche. Sicher scheint derzeit nur eins: Es ist höchst unsicher, wie es weitergeht. Denn viele zentrale Fragen sind offen.

Was sieht das Konzept im Kern vor?

Es geht um zwei zentrale Punkte: Umtausch und Nachrüstung. Wer seinen alten Wagen mit der Abgasnorm Euro 4 oder 5 abgibt und dafür ein moderneres Fahrzeug - neu oder gebraucht - kauft oder least, bekommt von Herstellern eine Prämie. Das soll den Wertverlust der alten Diesel ausgleichen und die Flotte erneuern. Daneben geht es um die technische Nachrüstung von Euro-5-Dieseln. Die will die Regierung grundsätzlich ermöglichen und den Konzernen in Rechnung stellen.

Wer soll von dem Paket profitieren - und wer nicht?

Schon hier wird es unübersichtlich. Die Hersteller halten sich mit Zahlen zurück, wie viele ihrer Fahrzeuge betroffen sein könnten. Definitiv dabei sein soll, wer in einer der 14 besonders mit Luftschadstoffen belasteten Städte oder deren Umkreis wohnt. Auch wer dort arbeitet und dorthin pendelt oder zum Beispiel darauf angewiesen ist, dorthin zum Arzt zu fahren, soll Kaufanreize oder Nachrüstungen in Anspruch nehmen können. "Umtauschprämien" für die übrigen Regionen gibt es auch - sie fallen aber in der Regel niedriger aus oder sind auf bestimmte Schadstoffklassen oder Hersteller begrenzt.

Diese Praxis stößt schon jetzt auf Kritik: "Als Dieselbesitzer wird man praktisch diskriminiert, nur, weil man nicht in Stuttgart oder München wohnt", kritisierte zum Beispiel Michael Hummel von der Verbraucherzentrale Sachsen im MDR-Fernsehen. München und Stuttgart sind die am stärksten mit Stickoxiden belasteten Städte.

Schwer absehbar ist, ob und wie die Autobranche selbst von dem Programm, das Milliarden kosten wird, profitiert. Schon jetzt kann sie die Nachfrage wegen der Engpässe durch die Umstellung auf den neuen Abgasteststandard WLTP nicht erfüllen. Und dann würde einem kurzfristigen, von Prämien befeuerten Nachfrageschub wohl auch eine Nachfragedelle folgen.

Wann geht es mit den Prämien los - und wie hoch sind sie?

Das ist insgesamt noch nicht so ganz klar. Das Umtauschangebot von BMW gilt schon, auch bei Renault können Interessenten bereits vorstellig werden. VW, Daimler und Opel dagegen haben sich noch nicht festgelegt, wann die Aktionen starten.

Die Höhe der Prämien ist unterschiedlich. Daimler will beim Kauf eines neuen Mercedes-Benz-Fahrzeugs bis zu 10 000 Euro Umtauschprämie zahlen. Wer einen gebrauchten Mercedes kauft, soll bis zu 5000 Euro Prämie erhalten. BMW will 6000 Euro Prämie an Autofahrer zahlen. VW plant eine Prämie von 4000 Euro bei einem Umstieg von einem Euro-4-Wagen und 5000 bei einem Euro-5-Fahrzeug. Als erster ausländischer Hersteller preschte Renault vor, der französische Hersteller zahlt eine Prämie von bis zu 10 000 Euro.

Dieselbesitzer sollen dafür beim Händler nachweisen, dass sie die Aktion in Anspruch nehmen können - etwa weil sie in einer der 14 Städte arbeiten. Das alte Auto wird in Zahlung genommen. Auf den Restwert soll dann die Prämie aufgeschlagen werden - und die Lücke zur Anschaffung eines saubereren Neuen oder Gebrauchten verkleinern.

Was bringt das Ganze?

Höchst umstritten ist, was das Paket wirklich bewirkt. Zum einen ist unklar, wie viele Kunden sich an Aktionen beteiligen und wie viel die Prämien bringen - wenn sie mit sonst üblichen Rabatten verrechnet werden. Nicht nur Umweltverbände bezweifeln, ob mit dem Paket die Luft in den Städten wirklich entscheidend besser wird und Fahrverbote verhindert werden. Denn selbst Autos mit der neuen Abgasnorm 6 seien nicht sauber genug. Und Fahrzeuge mit der neuesten Norm 6d-Temp seien noch gar nicht ausreichend auf dem Markt. "Kein Richter in diesem Land wird sich von den Maßnahmen beeindrucken lassen und deswegen auf die Verhängung von Fahrverboten verzichten", kritisierte Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer. Beim Städtetag hieß es: "Grundlegend gelöst wird das Problem zu hoher Stickoxid-Werte in zahlreichen Städten mit dem Paket der Koalition nicht."

Wie geht es mit den Nachrüstungen weiter?

Die Hardware-Nachrüstungen stehen vor allem auf Drängen der SPD im Konzept - ansonsten aber ist die Lage völlig unklar. Das betrifft die Frage der Finanzierung und die Frage, welcher Hersteller überhaupt mitzieht. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) will nun mit den Konzernen weiter verhandeln - die von Anfang an keinen Hehl daraus gemacht haben, was sie von Motor-Umbauten an älteren Wagen halten: nichts. Zu aufwendig, zu teuer, ungünstig für den Verbrauch.

Dazu kommt: Es kann lange dauern, bis die Nachrüstungen kommen. Denn es fehlen technische Vorgaben, das Kraftfahrt-Bundesamt muss diese genehmigen. Intern rechnet die Regierung damit, dass Nachrüstungen frühestens in einem Jahr starten. Es kann also dauern, bis betroffene Dieselbesitzer wirklich die Wahl haben zwischen Kaufanreizen und Nachrüstungen.

Wie ist der Stand bei den Diesel-Fahrverboten?

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte im Februar entschieden: Fahrverbote sind grundsätzlich zulässig - sie müssen aber verhältnismäßig sein. Als Folge sind in Hamburg bereits zwei Straßenabschnitte für ältere Diesel gesperrt. In Stuttgart ist 2019 ein großflächiges Einfahrverbot für Euro 4 und schlechter geplant. Kürzlich hatte ein Gericht auch Fahrverbote für die Innenstadt der Pendlermetropole Frankfurt am Main von 2019 an angeordnet.

An diesem Dienstag wird in Berlin verhandelt. Auch in der Hauptstadt werden die Grenzwerte für schädliches Stickoxid an vielen Stellen überschritten. Die Deutsche Umwelthilfe will vor Gericht ein weiträumiges Fahrverbot für Diesel bis zur Abgasnorm Euro 5 durchsetzen. Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos) betonte in der Vergangenheit, die Gesundheit habe Vorrang. Um Fahrverbote auf einigen Straßen komme man womöglich nicht herum. Berlin ist aber nur der Anfang: Nach DUH-Angaben finden alleine bis Jahresende Gerichtsentscheidungen zu acht weiteren Städten statt.

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