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Precht und Lanz in der Kritik: "Hafermilchgesellschaft"? – Schämt euch!


Meinung
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Precht und Lanz
Schämt euch

MeinungEine Kolumne von Janna Halbroth

Aktualisiert am 06.08.2023Lesedauer: 4 Min.
Richard David Precht und Markus Lanz: Die beiden quatschen in ihrem Podcast über Hafermilch und Agavendicksaft.Vergrößern des Bildes
Richard David Precht und Markus Lanz: Die beiden sprechen in ihrem Podcast über Hafermilch und Guavendicksaft. (Quelle: ZDF / Christian Bruch)
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Richard David Precht und Markus Lanz sind privilegierte Männer, die sich über unsere Gesellschaft lustig machen. Dabei stellen sie sich selbst in kein gutes Licht.

Eine Kolumne von Janna Halbroth.

Wer sind wir und wenn ja, wie unsympathisch können wir werden? Unter diesem Motto treffen sich Richard David Precht und Markus Lanz viermal im Monat, um neue Podcast-Folgen aufzunehmen. Aktuell findet der kurze Part einer Folge aus dem März erneut Beachtung, weil dieser in den sozialen Medien hochgespült und vielfach geteilt wird.

Dort behauptet Lanz, dass wir uns zu einer "gefühligen Gesellschaft" entwickelt haben. "So eine Hafermilchgesellschaft, so eine Guavendicksafttruppe, die wirklich die ganze Zeit auf der Suche nach der idealen Work-Life-Balance ist." Ein gefundenes Fressen für Precht, denn der stürzt sich im Gespräch wie eine Wildschweinlöwin aus Kleinmachnow auf den Happen, den sein Kollege ihm da hinwirft.

"Meine Großeltern haben sich die Sinnfrage gar nicht gestellt"

Der Schriftsteller, Germanist, Philosoph, Publizist und Moderator will noch radikaler sein und erklärt: "In der Generation meiner Eltern, erst recht meiner Großeltern, haben sich 90 Prozent aller Menschen, wenn sie gearbeitet haben, die Sinnfrage gar nicht erst gestellt." Jetzt sehe es aber so aus, dass "nahezu alle jungen Menschen ins Leben gehen mit der Vorstellung, das Leben ist ein Wunschkonzert". Die Folge dessen ist laut Analyse des Honorarprofessors für Philosophie, dass man beim ersten leisen Gegenwind die Flinte wieder ins Korn werfen würde.

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Das muss man erst mal sacken lassen. Selten haben zwei überprivilegierte Männer in so kurzer Zeit mehr besorgniserregende Dummschwätzerqualitäten bewiesen als diese beiden. Aber was meinen Precht und Lanz eigentlich damit? Was soll das sein, eine gefühlige Gesellschaft? Sind wir verweichlicht, weil wir bewusst weniger oder gar keine Milch mehr trinken wollen und stattdessen auf Hafermilch ausweichen? Sind wir überempfindlich, weil wir es nicht unterstützen wollen, dass Kühe misshandelt und männliche Kälber nicht selten getötet werden und zu alldem das Klima durch weniger Milchkonsum schützen wollen? Unklar.

Alternativen auf dem Vormarsch: Tschüss Kuhmilch

Sind wir eine Guavendicksafttruppe, weil wir mehr von unserem Leben haben wollen als nur Arbeit? Sind wir Flinten-ins-Korn-Werfer und -Werferinnen, weil wir Zufriedenheit wollen, privat wie beruflich? Weil wir es uns herausnehmen, uns nicht zu ducken, nicht zu spuren, nicht alles herunterzuschlucken, sondern für unser Recht aufzustehen und, wenn uns etwas nicht gefällt, einen Schlussstrich zu ziehen? Sind wir Wunschkonzertgänger und -gängerinnen, weil wir ein Leben erstreben, das uns glücklich macht? Ich weiß es nicht.

Lanz und Precht, die sind harte Hunde. Die sind nie gefühlig, die reißen sich zusammen und weinen nicht herum, werden nie sentimental. Nein, die sprechen in ihrem Podcast zum Beispiel über Lanz' harte Woche, weil er in seiner Talkshow einen Soldaten zu Gast hatte, der in der Ukraine gekämpft hat. Und Precht, der ist auch nicht gefühlig, der ist nur manchmal sehr erschöpft und müde, nach einer Woche mit anstrengenden Podiumsdiskussionen. Und Lanz, ja, der mag Ostern so gern, "weil es oben auf dem Berg wieder so nach Sommer riecht". Seufz!

Lanz ist so was wie die leibhaftige Heidi

Lanz, der in Südtirol aufgewachsen und im Grunde genommen so was wie die leibhaftige Heidi ist, der kann sich schon mal über unsere gefühlige Gesellschaft ärgern. Der weiß immerhin, was harte Arbeit ist. Und hat der aufgegeben, als es Gegenwind in Form von "Wetten, dass..?!"-Kritikern und -Kritikerinnen gab? Nee! Der hat weitergemacht mit seinem anstrengenden Beruf als gutbezahlter Fernsehmoderator und hat heute längst mit seinem Misserfolg von vor über elf Jahren abgeschlossen, oder etwa nicht?

Und Precht? Der noch von Eltern und ja sogar Großeltern schwärmt, die nie nach dem Sinn des Lebens oder gar einer Work-Life-Balance gefragt hätten, was ist mit dem? Dessen Vater wurde 1933 geboren, war deutscher Industriedesigner und hat sogar einen eigenen Wikipedia-Eintrag. Hans-Jürgen Precht arbeitete nämlich für den Haushaltsgerätehersteller Krups, entwarf Kaffeemaschinen, Handmixer, Kaffeemühlen und all so was, das noch heute verkauft wird und wofür er heute noch Patentrechte besitzt. Außerdem designte er 1976 eine Kaffeemühle, die in den Filmen "Alien" und "Zurück in die Zukunft" vorkam. Ziemlich cool. Klar, dass der nicht nach dem Sinn des Lebens gefragt hat. Zumal seine Lebensumstände als Kind in Zeiten des Krieges und später in der Nachkriegszeit auch nicht einfach gewesen sein dürften.

Die Großeltern, tja, die haben wohl mutmaßlich in einer Zeit gelebt, in der es weniger um den Sinn des Lebens, sondern vielmehr ums Überleben ging, Stichwort Erster Weltkrieg.

Precht wünscht sich wohl in Zeiten zurück, in denen Aufgeben mit Scheitern gleichgesetzt wurde. In denen Menschen nur einen Weg gehen durften, egal, ob ihnen dieser gefiel oder nicht. Er lobt die Generation seiner Eltern und Großeltern, gleichwohl diese bitter mit dem Leben und den Umständen zu kämpfen hatten. Diese Generation ist schlechtesten Falls zwischen zwei Kriegen aufgewachsen, bekam die elterliche Liebe mit dem Schlagstock beigebracht und musste mit den Folgen ein Leben lang zurechtkommen.

 
 
 
 
 
 
 

Früher war nicht alles schlecht

Ja, schon klar, früher war nicht alles schlecht. Und natürlich haben wir den hart arbeitenden Generationen viel zu verdanken. Aus Sicht älterer Herrschaften mag es erst einmal befremdlich wirken, den Job ein, zwei oder vielleicht sogar drei Mal zu wechseln. Es ist für sie unverständlich, wie man schon mit Ende zwanzig müde vom Arbeiten sein kann und seine Stundenzahl reduziert. Diese Möglichkeiten hatten unsere Großeltern, selbst unsere Eltern einfach nicht. Es mag für sie ein Zeichen der Schwäche sein, wer will es ihnen verdenken, sind sie doch oft mit einer Härte aufgewachsen, die jüngere Menschen nicht kennen. Andere Lebensumstände formen Menschen mit anderen Ansichten, völlig logisch.

Deswegen noch einmal: Nein, es war nicht alles schlecht früher. Aber heute ist es das auch nicht. Sorry, dass wir glücklich sein wollen, Herr Precht und Herr Lanz. Und nochmal sorry, aber Sie beide sind nun wirklich nicht in der Position, unserer gefühligen Gesellschaft das Recht auf ihre Gefühle abschreiben zu dürfen. Sie sollten sich schämen. Traumjobs, Traumgehälter, Traumlebensumstände! Träumen Sie ruhig weiter von schlechten Zeiten, in denen Sie womöglich nicht so schicke Frisuren gehabt hätten wie heute. Und wir genießen derweilen unsere Hafermilch mit Guavendicksaftschuss, was immer das überhaupt sein mag.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
  • twitter.com: Profil von @tinopfaff
  • Lars Haider: "Das Phänomen Markus Lanz. Auf jede Antwort eine Frage" Klartext-Verlag
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