Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Lindner und die Baby-News Ein Schelm, wer Böses dabei denkt

Wenn zwei sich vereinigen, sind diese zwei schnell zu dritt. Und wenn aus drei Parteien eins wird, dann haben wir einen Koalitionsvertrag. Jetzt kam beides zusammen.
Eine Kolumne von Janna Halbroth
Wunder gibt es immer wieder. Dieser Mittwoch war für Otto-Normalverbrauchende nicht nur die Mitte der Woche, sondern auch der Tag, an dem gleich zwei vollbracht wurden. Sechs Wochen nach der Bundestagswahl und knapp vier Wochen nach Beginn der Koalitionsverhandlungen haben CDU/CSU und die SPD endlich eine Einigung gefunden und ihren Koalitionsvertrag vorgestellt. Vier Politiker: ein Vertrag, ein Wunder. Halleluja.
Am selben Tag, fast zeitgleich, ereignete sich aber noch ein ganz anderes Spektakel. Es erinnerte beinahe an eine weltberühmte Szene aus einem weltberühmten Film namens "Der König der Löwen". Tiere aus der ganzen Savanne laufen in Scharen herbei, stürmen zu einem Felsvorsprung, in freudiger Erwartung darauf, einen Blick auf den Thronfolger zu erhaschen. Afrikanischer Gesang ertönt ("Nants ingonyama bagithi baba"). Dann das große Finale dieser Szenerie: Ein Affe hält stolz ein Löwenbaby in die Luft. Die Eltern stehen demütig dahinter.
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen Youtube-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren Youtube-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
So ähnlich lief es auch am Mittwoch ab. Zuerst trommelte die "Bild"-Zeitung mit ihrer Berichterstattung über die Geburt des Babys von Christian Lindner und Franca Lehfeldt die Massen in Scharen zusammen. Wenig später ließ das Paar seinen Affen namens Instagram ein Bild des Babys in die Höhe heben. Das Schauspiel war perfekt. Ein Wunder war geboren.
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen Instagram-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren Instagram-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Ein Schelm, wer dabei denkt, der Zeitpunkt dieser Verkündung hätte besser nicht liegen können. Hat Lindner etwa die FDP-Pleite bei der vorgezogenen Neuwahl im Februar noch nicht ganz verkraftet und diesen Moment genutzt, um noch einmal wie ein Phoenix aus der Asche emporzusteigen und zu sagen: "Hier bin ich, the stage is mine!"?
Hat er das etwa alles von langer Hand geplant? Also sein Kind im vergangenen Sommer gezeugt, wohl wissend, dass die Ampelkoalition im Winter zerbrechen und es im darauffolgenden Jahr Neuwahlen geben würde, die eine schwarz-rote Koalition hervorbringen, die dann vier Wochen brauchen würde, um dann präzise am 9. April 2025 ihren Vertrag vorzustellen. So eine Gleichung aufzustellen, sollte für jemanden, dessen Vater promovierter Mathematiker mit dem Schwerpunkt Computeralgebrasysteme ist, wohl kaum eine Schwierigkeit darstellen.
Größer als Koalitionsverhandlungen und Medienspektakel
Oder es war alles ganz anders und Christian Lindner und Franca Lehfeld haben einfach die ersten Tage mit ihrem kleinen Wunder in Ruhe genießen wollen. Angeblich soll das Kind schon am Sonntag geboren worden sein. Vielleicht hat sich das Paar nach dem Wunder der Geburt einfach mal von der Außenwelt abgekapselt und, weit weg von Parteien, Verhandlungen und Politik, am Neugeborenen geschnuppert und sein Glück kaum fassen können. Vielleicht wollten die beiden einfach nur Eltern sein, spüren, wie sich das anfühlt, plötzlich ein Baby in den Armen zu halten, das von nun an das ganze Leben verändern wird. Vielleicht ist das für die beiden ja größer als Koalitionsverhandlungen und Medienspektakel.
Möglicherweise aber haben sie die Baby-News an genau jenem Tag bekannt gegeben, weil sie hofften, dass die Nachricht in all dem Vertragswahnsinn untergehen könnte. Denn wenn die beiden nach ihrer prunkvollen Sylt-Hochzeit eines gelernt haben, dann doch wohl, dass weniger manchmal mehr ist. Und ein Baby zu benutzen, um den Koalitionsvertrag in den Schatten zu stellen, das traut man ja selbst einem Christian Lindner nicht zu. Außerdem hebt der sich die Pointen ohnehin für sein Buch auf, das er in seiner Elternzeit schreiben möchte. Seiner Frau hat er nämlich versprochen, dass er irgendwann auch mal die Care-Arbeit übernimmt. Dann möchte er Bücher schreiben, promovieren – vielleicht in Algebra (?) –, jagen, fischen und imkern. Und was macht Franca Lehfeldt mit ihrer Zeit? Na, die kümmert sich neben ihrem Wiedereinstieg in ihr Unternehmen dann einfach noch ums Kind. Ist doch klar.
- Eigene Beobachtungen
- instagram.com: Profil von franca_lehfeldt
- zeit.de: "Christian Lindner: Der Bewahrer"