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Thomas Gottschalk wird für den SWR zum Problem


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Geld, Quote und Anspruch
Wie Thomas Gottschalk für den SWR zum Problem wird


13.06.2021Lesedauer: 7 Min.
Thomas Gottschalk und Florian Weber: Zwei Moderatoren des SWR, die ganz unterschiedlich mit ihren Rollen beim Sender umgehen.Vergrößern des Bildes
Thomas Gottschalk und Florian Weber: Zwei Moderatoren des SWR, die ganz unterschiedlich mit ihren Rollen beim Sender umgehen. (Quelle: SWR Presse/Bildkommunikation, Montage t-online)
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Der SWR steht exemplarisch für eine Entwicklung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen: einen Umbruch, der Gefahren birgt. Selbst Thomas Gottschalk kann nicht helfen – im Gegenteil.

Kommt die Erhöhung oder kommt sie nicht? Zum 1. Januar 2021 sollte der monatliche Rundfunkbeitrag von 17,50 auf 18,36 Euro steigen. Laut ARD und ZDF hätte damit bis 2024 eine Finanzlücke von 1,5 Milliarden Euro gestopft werden sollen. Doch das Geld bleibt aus. Die Landesregierung aus Sachen-Anhalt blockierte im Dezember nach monatelanger Debatte die Erhöhung – und nun müssen die obersten Richter im Land über 86 Cent beraten. Wie das Bundesverfassungsgericht entscheidet: unklar. Feststeht hingegen: Die öffentlich-rechtlichen Sender sind seitdem in Alarmbereitschaft versetzt.

An vielen Stellen im Programm zeigt sich der finanzielle Druck einerseits – und die Herausforderung einer sich rasant entwickelnden, digitalen Medienlandschaft andererseits. So berichtete Medienexperte Joe Groebel nach dem Abgang von Pinar Atalay bei den "Tagesthemen" im Gespräch mit t-online: "Die ARD ist eingebettet in den öffentlich-rechtlichen Kontext, auch was die Finanzen betrifft", und fügte an: "Die Privaten haben mehr Möglichkeiten und Freiheitsgrade als die Öffentlich-Rechtlichen."

Freiheitsgrade, die auch die Programmgestaltung betreffen. Schließlich müssen die öffentlich-rechtlichen Sender ihren Grundauftrag erfüllen, also die Bevölkerung so vielfältig und umfassend informieren, dass sich jeder selbst seine Meinung vor allem zu politischen Fragen bilden kann. Womit wir beim Dilemma wären, welches sich exemplarisch am Beispiel des SWR, der ARD-Rundfunkanstalt für Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, erzählen lässt.

"Man hat wenig dafür getan, um das Format zum Erfolg zu führen"

Wie erreicht ein Sender eine breite Bevölkerung und schafft ein ausgewogenes Programm, ohne dabei an Zuschauerzuspruch einzubüßen – oder gar von den eigenen Moderatoren kritisiert zu werden?

Florian Weber ist seit über zehn Jahren eines der prominentesten Gesichter im SWR-Fernsehen. Doch der "Meister des Alltags"-Moderator traut sich etwas, was nur selten ist im Fernsehgeschäft: Obwohl er noch für den SWR arbeitet, übt er im Gespräch mit t-online Kritik. "Man hat leider zu wenig dafür getan, um das Format zum Erfolg zu führen", erklärt Weber am Telefon und meint damit eine politische Talkshow der besonderen Art. Einen "Bürgertalk", wie ihn der SWR betitelt. "Mal ehrlich..." startete im September 2017 und wurde nun, im Juni 2021, eingestellt.

Eine Sendung, in der Menschen aller Couleur zu Wort kommen und politisch und gesellschaftlich relevante Themen diskutieren: "Wie gerecht ist unsere Krankenversicherung?" oder "Wer braucht noch die Kirche?" und Debatten wie "Frauen in Not – wie stoppen wir häusliche Gewalt?" standen auf der Agenda. Zuschauer sind empört über das Aus, äußern ihren Unmut unter anderem in den sozialen Medien: "Sehr bedauerlich, dass eine Sendung mit Niveau, respektvollem Umgang und Qualität abgesetzt wird", schreibt ein User bei Facebook unter Florian Webers Post zur letzten Sendung.

Außerdem liegt t-online ein Schreiben des Linken-Politikers Bernd Riexinger vor. Der hatte sich in einem Brief an den Intendanten des SWR, Kai Gniffke, gewandt und wortreich sein "Unverständnis" ausgedrückt: "Ich bitte Sie darum, sich für den Erhalt dieses Formats im Sinne der politischen Bildung und zur Forderung einer lebendigen Demokratie einzusetzen" (sic!), beendete Riexinger seine Korrespondenz an den Sender.

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Für Mitarbeiter des Formats kam die Absetzung überraschend. Florian Weber bestätigt das im Gespräch mit t-online: "Kurz vor Weihnachten wurde diese Entscheidung vom SWR getroffen. Das war insofern überraschend, weil wir bis dahin auch immer wieder vom Chefredakteur und Programmdirektor außerordentlich gelobt wurden."

Lob auf der einen Seite, eingestellte Show auf der anderen? Pierre M. Krause kennt das. Der Late-Night-Moderator hat 18 Jahre lang in 616 Ausgaben seiner eigenen SWR-Sendung Comedy gemacht. Doch nun ist Schluss. Gelobt wurde er viel, aber zu Höherem hat ihn der Sender nie berufen. Auf Nachfrage von t-online will sich Pierre M. Krause nicht äußern. Klar ist allerdings, dass dem Moderator ein größeres Publikum verwehrt blieb und er mit der SWR-Nische leben musste – auch wegen der Programmgestaltung des Senders.

Sender bewertet eigene Programmierung kritisch

Der Sendeplatz der "Pierre M. Krause Show" wechselte ständig. In der Anfangszeit war das Format nach Mitternacht zu sehen. Vor einigen Jahren folgte dann der Wechsel auf den Dienstagabend, seit dem vergangenen Herbst lief die Show am Sonntagabend. Ein Problem, das auch Florian Weber kennt – und kritisch beleuchtet. "Mal lag die Ausstrahlung drei, mal vier, dann fünf oder sechs Wochen auseinander. Auch die Uhrzeit variierte immer wieder. Damit wurde 'Mal ehrlich...' wirklich zu einem Verschiebebahnhof", so der 44-Jährige zu t-online.

Der SWR gibt sich derweil reumütig. Man stecke seine "Kraft beständig in die Weiterentwicklung des Programms", wie t-online auf Nachfrage erfährt. Sowohl die "Pierre M. Krause Show" als auch "Mal ehrlich..." sollen fortgeführt werden, nur eben anders. "Wir haben festgestellt, dass sich eine Sendung mit nur zehn Ausgaben pro Jahr mitunter schwertut, weil zum einen aus Sicht des Publikums kein gelernter Sendeplatz vorhanden ist, dadurch Einschaltimpulse fehlen, und es zum anderen einer mit starren Sendeterminen geplanten Diskussionssendung nicht immer gelingen kann, aktuelle Debattenthemen aufzugreifen."

Dass die Programmierung der Sendungen Aufgabe des Senders ist, klingt aus der Antwort nicht heraus. Florian Weber ist sich sicher: "'Mal ehrlich...' hatte von Anfang an wenig Chancen, ein Quotenerfolg zu werden." Neben dem Bäumchen-wechsle-dich im Programmablauf sieht der Moderator noch einen weiteren Grund des Scheiterns: "Es gibt keine Online-Redaktion, keine Homepage, keine Facebook-Seite, keinen Instagram- oder Twitter-Kanal und auch keine YouTube-Verwertung für 'Mal ehrlich...'. Es wurde schlicht vom SWR kein Social-Media-Konzept entwickelt."

Thomas Gottschalk rückt in den Fokus der Kritik

Beim Sender arbeite man intern daran, "ein neues Debattenformat zu entwickeln", so SWR-Sprecherin Hannah Basten. Die neue Sendung solle "User-Meinungen und direktes Feedback aus den Social-Media-Communitys" aufgreifen, erklärt sie. Was in vier Jahren nicht gelang, soll nun also "intern" entwickelt werden. Doch nach Informationen von t-online weiß bisher weder die Produktionsfirma "Encanto" von diesen Plänen noch der verantwortliche SWR-Redakteur der Sendung. Wann die Neuentwicklung abgeschlossen ist: fraglich.

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"Ich finde das erstaunlich, zumal der Sender vor vier Jahren mit diesem Bürgertalk angetreten ist, um zu zeigen, dass es im linearen SWR-Fernsehen wieder ein politisches Format gibt, das bis dahin länger gefehlt hat", gibt Florian Weber zu bedenken. Er selbst werde für die Zukunft wohl keine Rolle mehr spielen, als potentieller Moderator für die neue SWR-Sendung. Doch wer seit diesem Jahr wieder eine große Rolle bei der ARD-Anstalt spielt, ist Thomas Gottschalk.

Und der hat erst kürzlich mit einem Interview für Aufsehen gesorgt, in dem er forderte, die öffentlich-rechtlichen Sender sollen das liefern, "wofür man sie bezahlt: Information und Kultur". Also nur wenige Wochen nachdem seine neue Unterhaltungsshow "Nochmal 18!" beim SWR an den Start geht, stänkert der ehemalige "Wetten, dass..?"-Moderator. Für Florian Weber eine Unsitte. "Die Forderung von Thomas Gottschalk birgt eine gewisse Ironie, wenn man bedenkt, dass er mit seiner Unterhaltungsshow 'Nochmal 18!' beim SWR in Lohn und Brot steht", so der gebürtige Frankfurter zu t-online.

Es ist das alte Dilemma, konzentriert auf eine Person: Dürfen ARD und ZDF und die dazugehörigen Drittprogramme nur Informations- und Bildungsprogramm senden oder würden die aufwändigen Reportagen und Hintergründe kaum jemand sehen, wenn Promi-Moderatoren wie Florian Silbereisen, Barbara Schöneberger oder Kai Pflaume nicht mit ihrem Unterhaltungsfernsehen ein Massenpublikum vor die Bildschirme ziehen?

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Neu daran ist nur, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk unter Druck steht wie selten zuvor – und dass inzwischen auch immer mehr Kritik aus den eigenen Reihen aufkommt. Zumal das Konzept "Unterhaltung für die Quote – Bildung für den Auftrag" vor allem dann gescheitert ist, wenn teures Entertainmentprogramm kaum Zuschauerzuspruch erfährt. So wie bei Thomas Gottschalk. Seine "Nochmal 18!"-Quoten sind enttäuschend, das gibt auch der SWR auf Nachfrage zu. "Die Akzeptanz liegt nach drei Folgen noch hinter unseren Erwartungen zurück", so Hanna Basten.

820.000 Menschen hatten den Auftakt der neuen Fernsehshow am 16. April in der Primetime des SWR-Fernsehens verfolgt. Auch bei den zwei folgenden Ausgaben wurde es nicht besser. "Thomas Gottschalk beschert dem SWR große Aufmerksamkeit", erklärt der Sender auf t-online-Nachfrage und fügt an: "Das Ziel, eine unterhaltsame generationenüberspannende Zeitreise umzusetzen, betrachten wir als erfüllt. An den Rahmenbedingungen, die Akzeptanz zu steigern, arbeiten wir."

Wie teuer ist die Showproduktion von Thomas Gottschalk?

Dass Unterhaltung im Fernsehen in der Regel teurer ist als eine politische Talkshow oder ein Debattenformat, führt laut SWR dennoch zu keinem Grundsatzproblem. Über die Höhe des Budgets könne man zwar keine Angaben machen, so der Sender, "aber sagen können wir, dass der Minutenpreis deutlich unter den Kosten von Showproduktionen in den nationalen Hauptprogrammen liegt." Dieser schwankt – auch im Ersten ist das ganz unterschiedlich – bei vergleichbaren Show-Formaten zwischen 2.140 Euro und 7.220 Euro pro Minute, was bei einer 90-minütigen Gottschalk-Show zwischen 192.000 und 649.800 Euro bedeuten würde.

Doch wenn der Preis für eine vergleichsweise erfolglose Unterhaltungssendung ist, dass der eigene Moderator Kritik am öffentlich-rechtlichen Fernsehen äußert, könnte das dem Sender dennoch teuer zu stehen kommen. Florian Weber ist längst nicht der einzige, der sich über Gottschalks Äußerungen ärgert, auch andere Mitarbeiter beim SWR sind nach Informationen von t-online verstimmt. "Wir legen großen Wert auf Meinungsfreiheit, auch innerhalb des SWR. Insofern steht es Thomas Gottschalk zu, sich kritisch zu äußern, auch wenn wir seine Auffassung im konkreten Fall nicht teilen", teilt man beim Sender dazu auf Anfrage mit.

Aus dem hohen Norden erklang ebenfalls jüngst Kritik. "Panorama"-Moderatorin Anja Reschke vom NDR sagte dem "Spiegel", angesprochen auf Gottschalks Vorschlag ARD und ZDF zusammenzulegen: "Ich weiß nicht, warum Thomas Gottschalk seit Neuestem über Strukturen der Öffentlich-Rechtlichen spricht. Er hat jahrzehntelang sehr unbeschwert senden und verdienen können, ohne sich jemals damit beschäftigen zu müssen, wie der Laden, der ihm das alles möglich macht, läuft."

Auch Thomas Gottschalk haben wir die Gelegenheit gegeben, sich zu seinem Interview zu äußern. Der Moderator ließ eine entsprechende Anfrage von t-online allerdings unbeantwortet. Ob es daran liegt, dass er derzeit viel zu tun hat, ist unklar. Schließlich ist der 71-Jährige auch im Privatfernsehen gut eingebunden: Regelmäßig tanzt er zum Beispiel bei RTL über die Bühne. Unter dem Sendetitel "Denn sie wissen nicht, was passiert!" sorgt er dort für Unterhaltung. Ein Sendetitel, der für das Engagement von Gottschalk im öffentlich-rechtlichen Fernsehen auch als neues Credo gelten könnte.

Fünf weitere Folgen seiner Promi-Show wird Gottschalk noch beim SWR präsentieren. "Im Fernsehen gibt es derzeit keine weiteren Pläne", so der Sender auf die Frage, ob man mit dem Moderator bereits weitere Engagements verabredet habe. Gut möglich also, dass "Nochmal 18!" schneller von der Fernsehbühne verschwindet als das bei "Mal ehrlich..." der Fall war. Doch ob Zuschauer dann auch protestieren und Politiker des Landes Briefe an die Intendanz schicken? Möglich, aber unwahrscheinlich. Schließlich können sie den Moderator in Kombination mit anderen deutschen Stars auch regelmäßig im Privatfernsehen beobachten – und das nutzt für sein Programm weder 17,50 Euro noch 18,36 Euro zur Finanzierung.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Telefonat mit Florian Weber
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