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Zum journalistischen Leitbild von t-online.ARD und ZDF vor Bundestagswahl "Das bedauern wir sehr"
Wie umgehen mit einer völlig veränderten Machtrealität? ARD und ZDF tun sich schwer mit ihren TV-Plänen vor der Wahl. Das zeigen auch ihre eigenen Umfragen.
Als das ZDF vergangene Woche die neuen Umfrageergebnisse in seiner Sendung "Politbarometer" veröffentlichte, wurde eine Kuriosität sichtbar. Die von der Forschungsgruppe Wahlen durchgeführte Befragung ergab: Die Grünen liegen vor der SPD. "Wenn am nächsten Sonntag wirklich Bundestagswahl wäre", lautete die Projektion, und das dazugehörige Diagramm führte die Grünen mit 15 Prozent und die SPD mit 14 Prozent, hinter der AfD mit 21 und der Union mit 30 Prozent.
Nun ist es nicht so, dass die Forschungsgruppe Wahlen das einzige Umfrageinstitut ist, das in Deutschland Zahlen zu den politischen Präferenzen der Bundesbürger erhebt. Da wären noch Insa oder Allensbach, Forsa oder Infratest Dimap. Aber das "Politbarometer" ist für das ZDF so etwas wie der "Tatort" für die ARD: ein Aushängeschild.
Wenn dann etwa die ZDF-Chefredakteurin Bettina Schausten aufgrund hitziger Diskussionen zu den bevorstehenden TV-Duellen sagt, es gehe darum, "eine gute Balance zu finden, wo alle entsprechend auch ihrer Umfragestärke zu Wort kommen", dann kann man schon fragen: ach ja? Denn aufgrund der hauseigenen neuen Umfrage dürfte in einem öffentlich-rechtlichen Sender dieser Größenordnung erneut Diskussionsbedarf herrschen.
"Wir bedauern das"
Denn es ist inzwischen so: ARD und ZDF hatten sich gemeinsam entschieden, zwei Fernsehduelle anzubieten. Einmal mit dem amtierenden Kanzler Olaf Scholz und seinem Kontrahenten von der Union Friedrich Merz, einmal zwischen Robert Habeck und Alice Weidel. Doch Letzteres wird nicht zustande kommen. Grünen-Spitzenkandidat Habeck hat dem Vorschlag der Sender eine Abfuhr erteilt. Seine Begründung lesen Sie hier.
Es bleibt nur noch das TV-Duell Scholz/Merz am 9. Februar übrig – trotz neuer Umfragewerte wie denen von der Forschungsgruppe Wahlen. Das erfuhr t-online von den jeweiligen Sendern auf Anfrage. Auch rund einen Monat nach der Absage Habecks bleiben ARD und ZDF bei ihren Plänen.
"ARD und ZDF halten an ihren geplanten Formaten in der Wahlberichterstattung fest und haben die Entscheidung über die Duelle nach redaktioneller Abwägung getroffen", teilt das ZDF auf t-online-Anfrage mit. "Wir bedauern, dass Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) die Einladung zum Streitgespräch mit Alice Weidel (AfD) ausgeschlagen hat", heißt es weiter.
Ein Sendersprecher der ARD schließt sich an: "Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) hat sich in seiner schriftlichen Antwort an uns für seine Beteiligung an einem Format mit Olaf Scholz (SPD) und Friedrich Merz (CDU) ausgesprochen, und für das Duell mit Alice Weidel (AfD) abgesagt, was wir sehr bedauern."
Keine Partei koaliert mit der AfD, oder?
Habeck forderte also ein Triell, wurde aber von ARD und ZDF vertröstet, mit der Bitte, an dem Duell mit Frau Weidel teilzunehmen. Da weder Union noch SPD oder Grüne mit der Alternative für Deutschland koalieren werden, wie unisono versprochen, stellt sich die Frage, warum SPD und Grüne bei annähernd gleichen Umfragewerten nicht in einem Format auftauchen dürfen? Der Logik von ZDF-Chefredakteurin Schausten folgend, wäre dies zumindest denkbar. Schließlich könnten diese drei Parteien nach aktuellem Stand an Sondierungen zu einer Regierungskoalition beteiligt sein – die AfD hingegen nicht.
Und wenn die ZDF-Chefredakteurin schon betont, es sollen doch alle "entsprechend auch ihrer Umfragestärke zu Wort kommen", dann stellt sich die Frage: Warum gibt es nicht ein Duell zwischen Union und AfD und eines zwischen SPD und Grünen? Darauf erhält t-online keine Antwort.
Vom ZDF heißt es lediglich: "Vier Kandidaten in einem 'Quartett' würden sich weniger von anderen Gesprächsformaten unterscheiden und wären nicht in der Lage, so umfassend und detailliert in die Debatte über die Wahlprogramme der Parteien einzusteigen, wie dies in zwei Duellen der Fall wäre." Dabei war im t-online-Fragenkatalog von einem Quartett nie die Rede.
"Da ARD und ZDF kein Kanzler-Duell veranstalten"
Die ARD erklärt dazu: "An den im redaktionellen Wahlkonzept geplanten Formaten halten wir grundsätzlich fest und prüfen nun, wie die Positionen von Bündnis 90/Die Grünen und der AfD angemessen im Programm dargestellt werden können." Man habe die Konzepte unabhängig entwickelt und "auch von den zuständigen Juristinnen und Juristen von ARD und ZDF" prüfen lassen.
Interessant ist der letzte Teil der Antwort. "Die Kanzlerfrage ist für unsere Formate zur Bundestagswahl nicht ausschlaggebend, da ARD und ZDF kein Kanzler-Duell veranstalten", heißt es da. Es seien zwei Duelle geplant gewesen: "Ein Duell mit dem Kandidaten der Partei, die bei der letzten Bundestagswahl die meisten Stimmen auf sich vereint hat, und demjenigen, dessen Partei laut Umfragen derzeit deutlich vorn liegt." Das andere Duell sei so konzipiert gewesen, dass die "Spitzenkandidaten jener Parteien, die seit der letzten Bundestagswahl konstant über zehn Prozent liegen", eingeladen wurden.
Im Jahr 2021 machten ARD und ZDF das noch anders: Damals veranstalteten sie ein Triell und ließen SPD, Union und Grüne gemeinsam in den Ring. Olaf Scholz, Armin Laschet und Annalena Baerbock hießen die Spitzenkandidaten damals. Dass nach der Ära Merkel andere Fernsehregeln galten als nach dem plötzlichen Ampel-Aus: Daran müssen sich nun Zuschauer und allen voran Robert Habeck erst einmal gewöhnen ...
- Eigene Recherchen
- Anfragen an ARD und ZDF
- zdf.de: "Verzockt sich Söder?"
- tagesschau.de: "Migration und Wirtschaft wichtigste Themen"