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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Nach Depressions-Outing Mirja du Mont: "Mir sowas zu unterstellen geht gar nicht"
Vor Kurzem veröffentlichte Mirja du Mont ein Buch über dunkle Kapitel in ihrem Leben. Sie entblößte sich emotional, indem sie über ihre Fehlgeburt, über Depressionen und andere Krisen schrieb. Die Reaktionen, die die 45-Jährige daraufhin teilweise bekam, machten sie wütend.
Nora Tschirner, Kurt Krömer oder Torsten Sträter – immer mehr Prominente sprechen in der Öffentlichkeit über Depressionen. Auch Mirja du Mont möchte sich nicht länger verstecken. In ihrem neuen Buch schrieb sie sich all ihre "Macken", wie sie es nennt, von der Seele.
Diese Offenheit ist bei fast allen gut angekommen. Doch die wenigen, die du Mont jetzt kritisieren, machen sie richtig sauer. Im t-online-Interview spricht das Model über unverschämte Reaktionen und aussortierte Freunde.
t-online: Depressionen, Fehlgeburt, Angststörungen und Krisen – wieso haben Sie sich dazu entschlossen, in Ihrem neuen Buch "Keine Panik, Blondie! Wie ich durch Angst, Krankheit und Krisen zurück ins gute Leben fand" emotional so blankzuziehen?
Mirja du Mont: Der Verlag hatte mich angesprochen. Die wussten, dass ich zum Beispiel an Tinnitus leide und haben mich gefragt, ob ich nicht Lust habe, das einmal aufzuschreiben. Es gehört Mut dazu, über seine Macken zu schreiben und davon habe ich ja einige abbekommen. Ich musste trotzdem nicht lange überlegen. Ich finde es in der heutigen Zeit sehr wichtig, zuzugeben, dass nicht immer alles eitel Sonnenschein ist und es allen super geht. Auf Instagram sieht es manchmal so aus, als ob man mit acht Kindern morgens um zehn den Haushalt mit links erledigt hat, ein Essen gekocht hat, super aussieht und es einem blendend geht. Mir war es wichtig, zu zeigen, dass es den meisten Menschen nicht so gut geht. Deswegen war für mich sofort klar, dass ich das schreibe.
Wie sehr hat Ihre Depression Ihren Alltag beeinflusst?
Bei mir war es so, dass ich eine Angst- und Überlastungsstörung bekommen habe. Ich konnte nicht mal mehr einkaufen gehen. Mir war dann schwindelig, ich habe mich unsicher gefühlt. Am Anfang war ich sogar so überlastet, dass ich nicht einmal den Fernseher anmachen konnte. Ich war überfordert von der Informationsflut. Ich hatte Angst vor den negativen Nachrichten, die mir der Fernseher hätte übermitteln können. Das kann man jemandem, der das nicht hat, gar nicht erklären. Ich hatte es ja selbst vorher auch nicht und hätte es nie für möglich gehalten. Sky hat früher immer zu mir gesagt: Was hast du? Du bist die mutigste Person, die ich kenne. Was du jetzt hast, verstehe ich nicht.
Warum haben Sie Ihre Krankheit jetzt öffentlich gemacht?
Ich möchte diese Erkrankung in die Öffentlichkeit tragen, weil man Aufklärungsarbeit leisten muss. Ich habe früher darüber gelacht und mir gedacht, die sollen mal die Zähne zusammenbeißen und dann los. Jetzt merke ich erst, was einen das für Überwindung kosten kann. Es war für mich schon eine große Anstrengung, dass ich jetzt allein in eine U-Bahn steigen und durch Hamburg fahren kann.
Wie sehr setzt Ihnen Corona vor diesem Hintergrund zu?
In Zeiten von Corona merke ich, dass ich mich selbst wieder hineinsteigere. Ich war zwei Jahre komplett ausgeknockt und habe dann gedacht: Toll, jetzt geht es mir wieder gut und dann kam Corona. Jetzt bin ich wieder eingeschlossen, kann nicht machen, was ich will. Das macht mir manchmal ein bisschen Angst. Ich würde gerne wieder tanzen gehen oder ein Festival besuchen. Es ist schon echt eine schwierige Zeit. Besonders natürlich für diejenigen, die jetzt richtige Existenzängste haben.
Wie waren die Reaktionen auf Ihre Depressionen, wie hat die Öffentlichkeit auf diese Aussagen reagiert?
Die Reaktionen aus der Öffentlichkeit waren fast durchweg positiv. Viele haben sich verstanden gefühlt und sich gefreut, dass das Thema mehr Öffentlichkeit erfährt. Offenbar habe ich viele Menschen mit meiner Geschichte angesprochen, weil sie unter einer ähnlichen Situation leiden. Gleichzeitig war ich aber auch so sauer wegen zwei Frauen, die mir auf Instagram geschrieben haben. Eigentlich denke ich mir nur: Ihr seid so minderbemittelt. Aber es hat mich dann doch schon geärgert.
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Was wurde Ihnen da geschrieben?
Zwei Frauen haben unter ein Foto von mir geschrieben: "Ach, das hast du ja toll gemacht. Während Corona nichts zu tun und dann Sachen ausdenken, um damit Geld zu verdienen." Das geht wirklich zu weit. Die können etwas über mein Aussehen sagen, was ich auch schon daneben finde. Die meisten haben nicht mal ein Profibild, weil sie wahrscheinlich so grenzwertig aussehen. Aber mir zu unterstellen, ich würde so was machen, um Geld zu verdienen, geht gar nicht. Ich stelle mich ja nicht hin und entblöße meine Macken, wenn es mir eigentlich gut geht und ich mein Leben genießen könnte. Ich denke, wenn man in Deutschland nicht gerade Herr Fitzek ist, verdient man mit Büchern nicht unbedingt sehr viel Geld. Das war für mich eher Offenbarung als Geldverdienen. Ich frage mich da schon, was mit manchen Menschen los ist.
Und privat? Wie haben Freunde und Familie auf Ihre Depression reagiert?
Alle außer einem Freund haben es positiv aufgenommen.
Was war mit dem einen Freund?
Der war in meinem ganz engen Freundeskreis und ich glaube, dass er damit nicht zurechtkam. Als ich krank war, hat er sich kein einziges Mal gemeldet. Als ich dann wieder in der Öffentlichkeit war, hat er mir plötzlich geschrieben. Ich habe ihm dann gesagt, dass er sich in meinem ganzen Leben nie wieder bei mir melden soll. Da merkst du, wer deine Freunde sind und wer nicht. Ich habe mich nur in einem getäuscht. Über den Rest bin ich einfach nur glücklich.
Sind Sie jemand, der so knallhart ist und Freundschaften kündigen kann?
Ich habe keine Lust, mich zu verstecken. Ich habe immer schon meine Meinung gesagt. Wenn er mein Freund gewesen wäre, hätte er sich gemeldet und wenigstens eine SMS geschrieben, dass er damit nicht klarkommt. Aber überhaupt nichts sagen, geht für mich nicht. Da muss man dann den Mund aufmachen und aussortieren, was einem nicht guttut. Das habe ich auch in meiner Therapie gelernt.
Ein Thema, mit dem Sie an die Öffentlichkeit gegangen sind, ist Ihre Fehlgeburt. Wieso haben Sie diesen Schritt gewagt?
Ich habe mir gedacht, wenn ich jetzt auspacke, dann packe ich alles aus. Ich schäme mich nicht für meine psychische Erkrankung und ich schäme mich erst recht nicht für meine Fehlgeburt. Ich finde ganz besonders Fehlgeburten müssen als Tabuthema aufgehoben werden. Ich habe selbst eine ganz schlimme Erfahrung gemacht, in Bezug darauf, wie mit mir umgegangen wurde, als ich mich in dieser Situation befand. Ich wurde überhaupt nicht richtig aufgeklärt. Mir hat zum Beispiel auch niemand erklärt, was es mit den Sternenkindern auf sich hat. Mein Kind ist im Klinikmüll gelandet. Ich habe das Gesicht gesehen, ich habe den Herzschlag gehört, für mich war das mein Kind. Ich finde, das muss besser erarbeitet werden.
Was denken Sie, woran liegt dieser stiefmütterliche Umgang mit dem Thema Fehlgeburten?
Ich weiß nicht, woran es liegt. Ich frage mich, ob zu viele Männer in Führungspositionen in den gynäkologischen Abteilungen der Krankenhäuser sind. Männer, die sich vielleicht darum einfach nicht richtig kümmern und dann auch bei der Aufklärungsarbeit scheitern. Ich hatte einen super Professor, der sich um mich gekümmert hat, aber er hat mir überhaupt nicht vorgeschlagen, mein Kind als Sternenkind beerdigen zu lassen. Ich finde das wirklich schlimm. Schlimm für mich und schlimm für alle Frauen, die das erleben mussten und müssen. Die Vorstellung, dass das Baby im Klinikmüll landet, ist unerträglich.
Müsste da die Politik mehr in die Verantwortung gezwungen werden?
Es ist ja schwierig, da in der Politik so viele Themen angesprochen und bearbeitet werden müssen. Natürlich würde ich mir wünschen, dass man da irgendwie humaner mit dem Thema Fehlgeburten umgeht. Ich würde mir aber auch bei anderen Themen, wie zum Beispiel der Sterbehilfe, mehr Menschlichkeit wünschen. Ich weiß nicht, warum solche Sachen jahrelang stagnieren. Im Moment ist es natürlich durch Corona eh schwierig.
Nach Ihrer Fehlgeburt haben Sie sich zunächst "bestraft gefühlt". Geht es Ihnen heute noch immer so?
Nein, das empfinde ich mittlerweile nicht mehr so. Ich hatte viele Gespräche mit meiner Mutter darüber. Ich gebe mir keine Schuld mehr an der Fehlgeburt. Es passiert so vielen Frauen. Ich glaube, wir Frauen geben uns für viel zu viele Dinge die Schuld. Ich hatte die Schwangerschaft als totales Glück empfunden. Ich hatte das Gefühl, dass nach so einer langen Zeit der Trauer etwas Tolles kam. Ich konnte endlich aufatmen. Als die Frauenärztin mir dann gesagt hat: "Das Kind lebt seit einer Woche nicht mehr", war das für mich heftig und unglaublich. Ich habe mich einfach gefragt, was das soll und warum ich das jetzt auch noch durchmachen muss.
Was hat Ihnen geholfen, mit der schrecklichen Situation umzugehen?
Mir haben die Gespräche mit meiner Mutter geholfen, mal in den Arm genommen zu werden, verstanden zu werden. Wichtig war für mich auch, dass Verständnis für meine Situation gezeigt wird und die Fehlgeburt nicht einfach mit einem "Ach, na ja, dann beim nächsten Mal" abgehakt wird. Das ist wirklich ein Affront gegen alle Frauen, die lange versuchen, schwanger zu werden. Das ist keine leichte Sache. Viele Frauen sind lange damit beschäftigt, haben vielleicht sogar mehrere Fehlgeburten. Das ist eine psychische Stressbelastung. Da finde ich es wichtig, dass das ernst genommen wird. Ich kann nur jedem raten, sich Hilfe zu holen, vielleicht sogar psychologische Hilfe. Das ist absolut nicht verwerflich. Mir hat das richtig gut geholfen.
Haben Sie nach der Fehlgeburt noch mal versucht, schwanger zu werden?
Nein, ich habe danach nicht noch einmal darüber nachgedacht. Ich habe zwar zwei gesunde Kinder, aber diese Erfahrung, die ich bei der Fehlgeburt im Krankenhaus gemacht habe, die möchte ich auf keinen Fall noch mal machen. Ich kam mir vor wie eine Nummer. Ich lag in einem Warteraum, bevor ich operiert wurde, mit acht weiteren Patientinnen zusammen. Hinter den Vorhängen guckte immer nur ein Kopf heraus und wollte wissen, wie ich heiße und was ich habe. Ich hätte mir ein bisschen mehr Mitgefühl gewünscht. Dass mir bei so vielen Menschen nicht versehentlich ein Bein abgenommen wurde, wundert mich fast (lacht). Ich habe mich eklig gefühlt. Nach dem Eingriff wurde es auch nicht besser. Da hat mir ein Pfleger auf die Schulter geklopft und gesagt: "Machen Sie sich nichts draus, Sie haben ja zwei gesunde Kinder." Das sagt mir ein Mann. Da hätte ich mir gewünscht, er würde lieber gar nichts sagen. Das möchte ich wirklich nie wieder erleben.
Sie betonen manchmal, dass Sie froh sind, eine junge Mutter zu haben und zu sein. Finden Sie es verwerflich, ab einem bestimmten Alter noch Mutter werden zu wollen?
Bei dem Thema bin ich komplett tolerant. Männer fragt man schließlich auch nicht. Mein Ex-Mann war auch schon älter, als wir die Kinder bekommen haben. Da ist das dann okay. Aber bei Frauen wird das immer angezweifelt. Du weißt ja auch nicht, ob eine 25-jährige Mutter morgen einen Autounfall hat und stirbt. Ich finde, das sollte man jeder Frau selbst überlassen. Was gibt es Schöneres, als wenn ein Kind gewollt ist und geliebt wird. Deswegen würde ich nie sagen, ab einem gewissen Alter sollte man keine Kinder mehr kriegen. Mein Ding ist es nicht, ich wollte immer eine junge Mutter sein und das bin ich. Ich tausche mit meiner Tochter Kleider und rede mit ihr über Jungs, das finde ich cool. Ich würde allerdings nie etwas gegen Frauen sagen, die noch mit 50 ein Kind kriegen.
"Keine Panik, Blondie! Wie ich durch Angst, Krankheit und Krisen zurück ins gute Leben fand" von Mirja du Mont, erschienen im adeo-Verlag, ist seit März im Handel erhältlich.
- Interview mit Mirja du Mont
- Instagram: Profi von Mirja du Mont